Prigoschins abgestürzter Privatjet – zwischen Fakten und Spekulationen
Jewgeni Prigoschin, Chef der Wagner-Gruppe, der im Juni eine bewaffnete Meuterei angezettelt hatte, wurde für tot erklärt. Nach russischen Angaben befand er sich an Bord eines Privatjets, der in der Region Twer in der Nähe von Moskau abstürzte. Alle zehn Personen an Bord sollen ums Leben gekommen sein.
Sowohl der Wagner nahestehende Telegram-Kanal „Grey Zone“ als auch der kremlnahe Fernsehsender „Zargrad TV“ berichtete unter Berufung auf eigene Quellen, die Leiche Prigoschins sei vorläufig identifiziert, es stünden aber noch DNA-Analysen aus. Von Kreml-Seite gab es jedoch noch keine Bestätigung. Auch Kritiker warnen vor vorschnellen Behauptungen.
Es sei zudem erwähnt, dass es nicht das erste Mal ist, dass russische Medien über einen Flugzeugabsturz Prigoschins berichten. Im Oktober 2019 hieß es, dass Prigoschin möglicherweise zu den Passagieren in einem Flugzeug gehörte, das in der Demokratischen Republik Kongo abgestürzt war. Ein paar Tage später widerlegte die russische staatliche Nachrichtenagentur „RIA Novosti“ jedoch die Berichte.
Abschuss des Flugzeuges?
Auf „Grey Zone“ wurde Prigoschin bereits als Held und Patriot gefeiert, der durch die Hand von Unbekannten gestorben sei, die der Telegram-Kanal als „Russlandverräter“ bezeichnete. Die Absturzursache des Flugzeugs ist noch unklar. Untersucht werden alle Möglichkeiten von technischem Versagen, Pilotenfehler bis hin zu einem Terroranschlag. Auch Prigoschins langjährige Fehde mit dem Militär und der bewaffnete Aufstand, den er im Juni angeführt hatte, würden dem russischen Staat ein ausreichendes Motiv für Rache geben.
Das Embraer-Flugzeug stürzte in der Region Twer auf einem Flug zwischen Moskau und St. Petersburg, der Heimatstadt Prigoschins, ab. Ein im Internet veröffentlichtes Video zeigt offenbar, wie der kleine Jet eine Rauchwolke hinter sich herzieht, bevor er auf den Boden prallt und in Flammen aufgeht.
„Grey Zone“ vermutet, dass eine russische Flugabwehrrakete das Flugzeug abgeschossen hat. Der Wagner-nahe Sender mit über 500.000 Mitgliedern nannte jedoch keine Beweise für diese Behauptung. Allerdings posteten mehrere Nutzer und Medienkanäle auf der Plattform X Fotos über das abgestürzte Flugzeugwrack, auf dem Einschusslöcher markiert sind.
Wie „The Guardian“ berichtet, steht das Flugzeug mit der Kennung RA-02795 seit 2019 unter US-Sanktionen, weil es mit Prigozhin in Verbindung steht. Der Wagner-Chef soll das Flugzeug benutzt haben. Auch kurz nach seiner gescheiterten Meuterei am Morgen des 27. Juni sei er mit ihm von St. Petersburg nach Weißrussland geflogen.
Alle Passagiere offenbar tot
Andrey Zakharov, ein Reporter von BBC News Russian, schrieb am Mittwochabend, Prigozhin sei mit Wagners „gesamtem Führungsteam“ aus Afrika nach Russland geflogen.
Und die russische Luftfahrtbehörde Rosaviatsia hat eine Liste aller Passagiere des abgestürzten Geschäftsflugzeugs veröffentlicht: Propustin Sergey; Makaryan Evgeniy; Totmin Alexander; Chekalov Valeriy; Utkin Dmitri; Matuseev Nikolay; Prigoschin Jewgeni; Besatzungsmitglieder: Levshin Aleksei (Kommandant), Karimov Rustam (Copilot) und Raspopova Kristina (Flugbegleiterin).
Mehrere russische Nachrichtenagenturen, darunter Baza, die den russischen Strafverfolgungsbehörden nahesteht, berichteten, dass alle sieben Passagiere, darunter Prigozhin und Utkin, sowie die drei Besatzungsmitglieder ums Leben gekommen seien. Utkin ist ein ehemaliger Offizier des militärischen Geheimdienstes aus der Stadt Asbest. Er war einer der ersten Feldkommandeure von Wagner und ist von Putin mit mehreren Tapferkeitsmedaillen ausgezeichnet worden, so „The Guardian“.
Steckt Putin dahinter?
Seit der Todesmeldung Prigoschins brodelt die Gerüchteküche. Viele Politiker und Medien zeigten sich zudem wenig überrascht. Außenpolitiker von FDP und CDU gehen von einer Ermordung im Auftrag Putins aus. Laut dpa sehen sie den Kremlchef geschwächt und halten auch einen neuerlichen Aufstand der Söldnergruppe für möglich.
„Dass Prigoschin seinen Angriff auf Putin mit dem Leben bezahlen wird, davon war auszugehen“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Und CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagt in der Sendung „RTL Direkt“ am Mittwochabend: „Es war eine Frage der Zeit“. „Dass es jetzt so rasch ging […] und auch noch zehn weitere Tote in Kauf genommen wurden, zeigt die Brutalität des Systems Putin“.
Verteidigungsanalyst Professor Michael Clarke, der vom Sender „SkyNews“ interviewt wurde, hielt sich mit Aussagen dieser Art eher zurück. Auf die Frage, ob es klar sei, dass Putin hinter dem Flugzeugabsturz stecke, entgegnet er nur: „Der Absturz „hatte sicherlich etwas Raffiniertes an sich“.
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