Der Tod fuhr mit im Zug bei Brokstedt

Die tödliche Messerattacke im Zug bei Brokstedt in Schleswig-Holstein wird heftig diskutiert. Am Sonntag soll es einen großen ökumenischen Gottesdienst für die Opfer geben. Was geschehen war, wie es den Überlebenden geht, was man über den Täter weiß.
Eine Regionalbahn fährt in den Hauptbahnhof von Hannover ein.
Große Verbrechen in Zügen der Regionalbahn finden nicht so häufig statt.Foto: Michael Matthey/dpa
Von 2. Februar 2023

Ein 33-jähriger Palästinenser tötete am 25. Januar 2023 in einer Regionalbahn bei Brokstedt, Schleswig-Holstein, zwei Menschen und verletzte fünf weitere schwer. Er wird von Bahnreisenden noch im Zug überwältigt und der Polizei am Bahnhof Brokstedt übergeben.

Das Verbrechen sorgt derzeit für heftige Diskussionen über behördliche Verantwortlichkeiten und Migrationspolitik. Wie ist der Sachstand zu Tat, Täter, Opfern und Hintergründen?

Tödliche Zugfahrt am hellen Nachmittag

Es ist noch nicht allzu lange her, da wurden in Illerkirchberg zwei Mädchen auf dem Schulweg angegriffen. Eine von ihnen überlebte die Messerattacke nicht, die andere wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Vor wenigen Tagen kam es wieder zu einer tödlichen Messerattacke. Diesmal im Zug. Zwei Schüler sterben.

Polizeiangaben zufolge griff der Mann die Passagiere im RE70 von Kiel nach Hamburg gegen 14:55 Uhr mit einer „Stichwaffe“ an, kurz bevor die Bahn den Bahnhof Brokstedt erreichte. Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 120 Fahrgäste in der Regionalbahn.

Mehrere Passagiere überwältigten den Angreifer, bis ihn – durch mehrere Notrufe alarmiert – Polizeikräfte am Bahnhof Brokstedt übernahmen. Bei seinen Opfern handelte es sich um zwei Schüler aus Neumünster, eine 17-jährige Jugendliche und ihr 19-jähriger Bekannter, ein Auszubildender der DB Fahrzeuginstandhaltung in Neumünster. Fünf weitere Personen wurden verletzt, zwei lebensgefährlich, drei schwer.

Über die Überlebenden der Attacke weiß man zur Stunde: „Die Verletzten, ein 62jähriger Mann und eine 54jährige Frau aus Schleswig-Holstein sowie eine 27jährige Frau aus Hamburg sind bei Bewusstsein und derzeit stabil.“ Zwei weitere verletzte junge Männer aus Schleswig-Holstein im Alter von 22 Jahren seien mittlerweile aus dem Krankenhaus entlassen worden, berichtete die Polizeidirektion Itzehoe in einer ihrer zahlreichen Mitteilungen zu dem Fall.

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) besuchte die Schule, in der die beiden Todesopfer Schüler waren. Ihren Angaben nach arbeite man in den Klassen der beiden getöteten Schüler das Verbrechen gemeinsam auf. „Aber auch die anderen Schülerinnen und Schüler sind natürlich betroffen davon, dass auf einer Bahnstrecke, die sie täglich benutzen, ein solches Verbrechen geschehen konnte.“

Was über den Täter bekannt ist

Bei dem 33-jährigen Täter handelt es sich nach Angaben des Innenministeriums um Ibrahim A., einen palästinensischen Staatsangehörigen, der 2014 nach Deutschland kam, – woher ist unklar. Ein Asylantrag wurde 2016 abgelehnt. Stattdessen erhielt der Palästinenser subsidiären Schutz: kein Flüchtlingsstatus, kein Asyl, aber Gefahr im Heimatland.

Zunächst lebte A. in Nordrhein-Westfalen, schreibt der NDR. Dort fiel er unter anderem bereits wegen gefährlicher Körperverletzung mit einem „scharfkantigen Gegenstand“ auf, was ihm eine Bewährungsstrafe einbrachte, und erhielt Geldstrafen wegen Drogen und Diebstahl. Zudem soll er dort wegen einfacher Körperverletzung und Drogendelikten in Erscheinung getreten sein.

In Schleswig-Holstein sei er nicht aktenkundig, hieß es. Es habe mal eine Streiterei gegeben und einen Ladendiebstahl. Seine nächste Station war Kiel, wo er von Juli bis November 2021 gemeldet war und in einem Flüchtlingsheim untergebracht war. Auch dort hat es Ärger gegeben, weil er Mitbewohner belästigt haben soll, dabei soll er mit einem Messer herumhantiert haben.

Letzten Informationen nach soll die Akte von Ibrahim A. jedoch noch dicker sein als zuvor gedacht. „t-online“ berichtet von mehr als 20 Ermittlungsfällen der Polizei, wovon die meisten jedoch ins Leere gelaufen seien. Überwiegend habe es sich um Diebstahl und Sachbeschädigung gehandelt, heißt es. Eine gefährliche Körperverletzung, er schlug einen Mann mit einer Kette, wurde eingestellt, ebenso ein Vergewaltigungsverdacht.

2021 wurde er auch an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als mehrfach straffällig gemeldet. Ein Verfahren zur Rücknahme des subsidiären Schutzes wurde eingeleitet – mit unklarem Ausgang. Eine Abschiebung von A. sei wegen seines Aufenthaltstitels jedoch nicht in Betracht gekommen.

Per deutscher Definition „staatenlos“

Offenbar hatte der Mann eine Affinität zu Messern. Denn in seiner neuen Lebensumgebung Hamburg soll er einen anderen Mann mit einem Messer schwer verletzt haben. Das war Anfang Januar 2022 vor der Essensausgabe für Wohnungslose.

Er kam in Untersuchungshaft, wurde zu einem Jahr ohne Bewährung verurteilt, legte Widerspruch ein und verblieb daher bis zum 19. Januar 2023 in Untersuchungshaft. Anschließend wurde er rechtlich konform freigelassen – wenige Tage vor der tödlichen Zugfahrt von Kiel nach Hamburg.

Der per deutscher Definition „Staatenlose“ hatte zu diesem Zeitpunkt in Deutschland keinen festen Wohnsitz. Hamburger Behörden nach sei er in Haft auffällig geworden und psychiatrisch durchgängig betreut worden. Kurz vor seiner Entlassung soll ihn ein Psychiater begutachtet und keine Selbst- oder Fremdgefährdung festgestellt haben.

Am Tag der Tat erschien Ibrahim A. ohne Termin am Info-Point der Kieler Ausländerbehörde. Er habe seinen Aufenthaltstitel verlängern wollen. Weil sein Aufenthaltsort für die dortigen Behörden unklar erschien, schickte man ihn zum Einwohnermeldeamt. Doch dort ließ sich Ibrahim A. gar nicht erst blicken. Christian Zierau, Chef der Ausländerbehörde, meinte, dass der Mann den Kollegen nach kein auffälliges Verhalten gezeigt habe. Er habe jedoch von einer Schlafgelegenheit in Hamburg gesprochen, hieß es.

Dann bestieg Ibrahim A. den Zug von Kiel nach Hamburg, tötete zwei Menschen und verletzte fünf weitere. Nun sitzt er wieder in Untersuchungshaft – diesmal „wegen zweifachen, heimtückischen Mordes und vier Fällen des versuchten Totschlags“.



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