Justizskandal oder Recht? „Badewannen-Mord“ vor Gericht

Wiederaufnahmeverfahren sind möglich, wenn es neue Tatsachen oder Beweise gibt, so wie bei Manfred Genditzki. Saß er womöglich über 13 Jahre lang unschuldig im Gefängnis?
Manfred Genditzki (M) kommt in den Gerichtssaal am Landgericht München I. Hinter ihm betritt sein Rechtsanwalt Klaus Wittmann den Saal.
Manfred Genditzki (M) kommt in den Gerichtssaal am Landgericht München I. Hinter ihm betritt sein Rechtsanwalt Klaus Wittmann den Saal.Foto: Matthias Balk/dpa
Epoch Times26. April 2023

13 Jahre lang saß Manfred Genditzki in Haft – wegen eines Mordes, den er nach eigener Aussage nicht begangen hat. Nun ist der Prozess um den Tod einer 87-Jährigen in der Badewanne in ihrem Haus in Rottach-Egern neu aufgerollt worden – und die Hoffnungen sind groß, dass der 62-Jährige rehabilitiert wird. „Wir rechnen mit einem Freispruch“, sagte Genditzkis Verteidigerin Regina Rick am Mittwoch nach Beginn des Wiederaufnahmeverfahrens vor dem Landgericht München I. Für den als „Badewannen-Mord“ bekannten Prozess sind zunächst bis Anfang Juli 19 weitere Verhandlungstage angesetzt.

Der 62-Jährige, der in der Wohnanlage der Getöteten als Hausmeister tätig war, war 2010 vom Landgericht München II zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach Überzeugung des Schwurgerichts hatte er die Seniorin im Oktober 2008 in deren Wohnung in Rottach-Egern auf den Kopf geschlagen und dann in der Badewanne ertränkt. Das Urteil wurde nach zwei Revisionen schließlich rechtskräftig und nun neu aufgerollt – was höchst selten vorkommt.

Erklärung verlesen

Genditzki, der 1960 in Kalübbe in Mecklenburg-Vorpommern geboren wurde und ausgebildeter Agrotechniker und Mechanisator ist, hatte zu Beginn des Verfahrens am Mittwoch über seine Verteidigerin eine Erklärung verlesen lassen. Rick wies darin jede Schuld ihres Mandanten zurück. „Er saß 13 Jahre und sieben Monate unschuldig im Gefängnis“, stellte sie fest. Genditzki habe die 87-Jährige nicht umgebracht und ihr auch sonst keinerlei Gewalt angetan. Stattdessen pflegte er ihren Worten nach ein fast schon familiäres Verhältnis zu ihr, bereitete ihr das Frühstück oder ging für sie einkaufen.

Die Juristin sieht gewichtige Argumente auf der Seite ihres Mandanten, der die alte Dame am Nachmittag ihres Todestages noch besucht hatte, bis etwa 15 Uhr. „Das werden die Gutachten auch zeigen, dass der Todeszeitpunkt viel später ist“, sagte sie während einer Verhandlungspause. Ihrer Darlegung nach war die 87-Jährige vielmehr in die Badewanne gestürzt. „All das hat das ursprüngliche Gericht ja ausgeschlossen.“ Es sei ein Skandal, dass ein Sachverständiger sein Gutachten den Erwartungen der Strafverfolgungsbehörden angepasst habe.

Schon 2010 in Revision gegangen

Kritik übte Rick auch an der Begründung, Genditzki habe der Frau während eines Streits auf den Kopf geschlagen. „Nachdem einem die ganze Anklage wegbricht, einen Streit zu erfinden, für den es nicht den mindesten Anhaltspunkt gibt, das finde ich skandalös“, erklärte Rick mit Blick auf die Staatsanwaltschaft. „Meine persönliche Hoffnung ist, dass sich die Fehlerkultur in der bayerischen Strafjustiz verbessert durch diesen Prozess und dass auch aufgearbeitet wird, wie Polizei und Sachverständige bisweilen arbeiten.“

Genditzki war nach seiner ersten Verurteilung 2010 in Revision gegangen. Der Bundesgerichtshof verwies das Verfahren an eine andere Kammer des Landgerichts München II zurück, die ihn aber im Januar 2012 erneut wegen Mordes zur Verdeckung einer anderen Straftat und Körperverletzung zu lebenslanger Haft verurteilte. Auch hiergegen legte Genditzki Revision ein – dieses Mal allerdings ohne Erfolg. Schließlich bemühte er sich, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen, die vom Landgericht München I schließlich auch angeordnet wurde, ebenso wie die Freilassung Genditzkis am 12. August 2022. (dpa/red)



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