Prozess zum Synagogen-Anschlag in Halle: Zeugen schildern Kindheit des Angeklagten

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Der Angeklagte Stephan Balliet wird vor dem vierten Prozesstag von Justizbeamten aus dem Hubschrauber gebracht.Foto: Ronny Hartmann/dpa/dpa
Epoch Times30. Juli 2020

Zunächst konzentriert sich das Gericht auf den Angeklagten. Am vierten Tag (Mittwoch) kam das persönliche Umfeld des 28-Jährigen zu Wort.

Mutter, Vater und Halbschwester machten wie erwartet von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Der Ex-Freund und Vater des Kindes der Halbschwester ließ sich hingegen mehr als drei Stunden lang von Richterin Ursula Mertens, der Bundesanwaltschaft und den 22 Anwälten der Nebenklage befragen.

Seit Dienstag vergangener Woche läuft vor dem Oberlandesgericht Naumburg der Prozess gegen den Sachsen-Anhalter Stephan B. Die Verhandlung findet aus Platzgründen im Landgericht Magdeburg statt. Die Bundesanwaltschaft wirft B. 13 Straftaten vor, darunter Mord und versuchten Mord. Der 28 Jahre alte Angeklagte hatte vorige Woche eingeräumt, am 9. Oktober 2019 schwer bewaffnet versucht zu haben, in der Synagoge von Halle ein Massaker anzurichten. Dort feierten zu dem Zeitpunkt 52 Menschen den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Nachdem er nicht in die Synagoge gelangt war, erschoss er eine 40 Jahre alte Passantin und später einen 20-Jährigen in einem Dönerimbiss.

Schwester des Angeklagten hat den Kontakt zu B. in Folge des Anschlags abgebrochen

Als am Mittwoch Vater, Mutter und Halbschwester in den Saal gerufen worden, suchte der Angeklagte Blickkontakt zu seinen Verwandten – der Vater nickte ihm kurz zu. Die Halbschwester, Tochter der Mutter des Angeklagten, schien den Blicken des 28-Jährigen auszuweichen und sprach mit zittriger Stimme. Nach Angaben ihres Ex-Partners, hat die Schwester des Angeklagten den Kontakt zu B. in Folge des Anschlags abgebrochen. Ihr Ex-Freund habe zu der Familie wegen des Kindes mit der Halbschwester noch immer Kontakt, sagte der 31-Jährige.

Die Anwälte und Richter befragten den Zeugen vor allem zu persönlichen Eindrücken zum Angeklagten und dessen politischer Einstellung. Er berichtete von einigen Vorfällen, die auf die rechtsextreme Einstellung des Beschuldigten hindeuteten. So habe B. in einem Supermarkt zwei Menschen angeschrien, weil die sich nicht auf Deutsch unterhalten hätten. Außerdem habe sich der Angeklagte auch einmal antisemitisch geäußert.

Aus schwierigen familiären Verhältnissen komme der Angeklagte aber nicht. Die Mutter, eine Lehrerin, und der Vater, ein Elektroniker, hätten zwar immer viel gearbeitet. Für ihre beiden Kinder hätten sie sich aber immer Zeit genommen. Außerdem hätten Mutter und Vater auch nach ihrer Scheidung ein gutes Verhältnis gehabt. So gut wie jeden Sonntag sei er mit seiner damaligen Freundin und dem Kind beim Essen bei den Eltern im Landkreis Mansfeld-Südharz zu Gast gewesen.

Angeklagter: Flüchtlingspolitik der Bundesregierung 2015 Grund gewesen für sein rechtsextremes Weltbild

Die Nebenkläger fragten mehrfach nach den Themen, die dabei besprochen worden seien. Eines davon sei die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung 2015 gewesen, die der Angeklagte als einen Grund für sein rechtsextremes Weltbild angeführt hatte. Am Tisch habe es aber keine eindeutige Meinung dazu gegeben, sagte der Zeuge. Die Anwälte wollten außerdem wissen, welche Musik im Elternhaus gelaufen sei. Der Zeuge nannte die Bands „Freiwild“ und „Böhse Onkelz“. Beide sind in der rechten Szene sehr beliebt.

Der Angeklagte hatte bisher immer betont, dass seine Familie nichts von seinem Anschlagsplan und seinem radikalen Weltbild gewusst habe. Die Nebenkläger hatten in den ersten Prozesstagen jedoch bezweifelt, dass das Umfeld des Beschuldigten seine rechtsradikale Einstellung nicht mitbekommen habe.

Den Angeklagten beschrieb der Zeuge als Einzelgänger. „Ich kenne niemanden, den er als Freund bezeichnet hätte“. Auch ein Kamerad von der Bundeswehr, der später aussagte, beschrieb B. als Eigenbrötler und Außenseiter. Versuche, den Angeklagten in seinen Freundeskreis zu integrieren, seien gescheitert. In der Hackordnung der Truppe habe der Angeklagte weit unten gestanden.

Zeugen: Schon in der Grundschulzeit war der Angeklagte ein Außenseiter

Schon in der Grundschulzeit sei B. ein Außenseiter gewesen, berichteten zwei frühere Lehrerinnen im Zeugenstand, aber auch außergewöhnlich klug und eloquent für sein Alter. Eine der beiden Lehrerinnen nahm außerdem die Mutter des Angeklagten unter Tränen in Schutz. Die Mutter hatte an derselben Grundschule gearbeitet und auch privat Kontakt zu der Zeugin gehabt. Sie habe viel für ihren Sohn getan und sei selbst nie durch rassistische oder antisemitische Äußerungen aufgefallen, sagte die Zeugin. Sie habe sich um alle ihre Schüler gut gekümmert, auch und gerade um die wenigen mit Migrationshintergrund.

Der Prozess soll am Montag fortgesetzt werden, bei dem für eine Stunde angesetzten Termin soll es nur um Formalien gehen, der nächste große Verhandlungstag ist für den 25. August geplant. (dpa/er)



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