Verfahren gegen Musiker Gil Ofarim: Prozessbeginn

Der Musiker Gil Ofarim behauptet, in einem Leipziger Hotel antisemitisch beleidigt worden zu sein. Die Staatsanwaltschaft glaubt ihm nicht. Nun sitzt Ofarim selbst auf der Anklagebank.
Gil Ofarim steht im Saal des Landgerichts in Leipzig. Hier beginnt der Prozess gegen den Musiker wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung.
Gil Ofarim im Saal des Landgerichts in Leipzig. Hier beginnt der Prozess gegen den Musiker wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung.Foto: Hendrik Schmidt/dpa
Epoch Times7. November 2023

Im Prozess gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim ist vor dem Landgericht Leipzig die Anklage verlesen worden. Darin wirft die Staatsanwaltschaft dem 41-Jährigen unter anderem falsche Verdächtigung und Verleumdung vor. Laut Anklage hatte der Musiker vor mehr als zwei Jahren in einem viral gegangenen Video geschildert, dass ein Mitarbeiter eines Leipziger Hotels ihn aufgefordert habe, seine Kette mit Davidstern abzunehmen, damit er einchecken könne. Zuvor hatte sich der Musiker über die Bevorzugung von Gästen beschwert, die hinter ihm in der Warteschlange gestanden hätten.

„Das entspricht nicht der Wahrheit“, sagte Staatsanwalt Andras Ricken. Der Angeklagte habe den Mitarbeiter zu Unrecht als Antisemiten dargestellt. Nach Angaben der Anklagebehörde sei beim Einchecken der Davidstern unter dem Hemd des Musikers gar nicht zu erkennen gewesen. Erst bei der Videoaufnahme habe Ofarim den Stern sichtbar gemacht.

Das Ermittlungsverfahren gegen den Hotelmitarbeiter war nach umfangreichen Untersuchungen von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Das Gericht hat bis zum 7. Dezember zehn Verhandlungstage angesetzt.

Der Prozess gegen Ofarim hat am Morgen unter dem großen Interesse von Zuschauern und Medien im Landgericht begonnen. Sämtliche 85 Sitzplätze im Schwurgerichtssaal waren bereits eine Stunde vor Prozessbeginn besetzt, vor der Tür hatten noch zahlreiche Menschen warten müssen.

Ofarim: „Ich weiß, was mir passiert ist“

Nach Veröffentlichung des Videos im Oktober 2021 erstattete der Musiker Anzeige, aber auch der betroffene Hotelmitarbeiter wehrte sich und zeigte seinerseits den Musiker wegen Verleumdung an.

Die Staatsanwaltschaft hatte umfangreich ermittelt. Es sei herausgekommen, dass sich der angebliche Antisemitismus-Vorfall in dem Hotel nicht so zugetragen habe, wie der Musiker es in dem Video geschildert hatte, hieß es.

Wenige Tage vor dem Prozessauftakt hatte der Musiker an seinen Vorwürfen festgehalten. „Ich weiß, was mir passiert ist. Es ging mir nicht um den Mitarbeiter, sondern um Antisemitismus“, hatte Ofarim der „Welt am Sonntag“ gesagt. Er sei froh, dass jetzt viel herauskommen werde, was bisher nicht gesagt oder geschrieben worden sei. Er habe Vertrauen in die Justiz.

„Ich habe nicht im Ansatz damit gerechnet, was dieses Video auslösen würde. Und ich würde es wieder tun“, sagte Ofarim in dem Zeitungsinterview. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung.

Verteidiger: Öffentliche Meinung von Lügen bestimmt

Bei dem Fall handle es sich um einen „klassischen Fall von Aussage gegen Aussage“, sagte Rechtsanwalt Alexander Stevens nach Verlesung der Anklage. Sei während des Vorfalls vor gut zwei Jahren ein diskriminierendes Wort gefallen, so sei sein Mandant freizusprechen, betonte der Rechtsanwalt.

Möglich sei, dass es sich bei dem Fall um ein Missverständnis oder schlechten Humor handele – oder eben doch um eine „antisemitische Anspielung“, sagte der Anwalt. Für die Gesellschaft sei es wichtig, dass das Gericht die Wahrheit ermittle.

Außerdem betonte der Rechtsanwalt, es gehe „nicht um den Stern, sondern um die Diskriminierungserfahrung“. Mobbing und Diskriminierung seien – besonders für Opfer – schwer nachzuweisen. Die öffentliche Meinung sei in dem Fall von mehreren Lügen bestimmt. So sei es beispielsweise falsch, dass das Hotel nach dem Vorfall ergebnisoffen und fair ermittelt habe. Auch halte die Verteidigung es für „völlig unplausibel“, dass sich der Vorfall so abgespielt habe, wie es der Hotelmitarbeiter geschildert habe.

Der Vorsitzende Richter hatte nach Verlesung der Anklage erklärt, es sei eine „allgemeinkundige Tatsache“, dass in allen Schichten und Strömungen in Deutschland offener und verdeckter Antisemitismus anzutreffen sei. (dpa/red)



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