Frankfurter Kinder-Mord: Täter Habte A. galt als Integrationsvorbild – Dann kamen die „Stimmen“

Die Ermordung eines Menschen wirft viele Fragen auf. Warum hat der Täter das getan? Hätten die Behörden früher eingreifen müssen? Wie kann man weitere Verbrechen verhindern?
Von 31. Juli 2019

Während sich die Mutter noch wegrollen konnte, wurde der Sekunden nach ihr ins Gleis hinabgestoßene 8-Jährige vom Zug erfasst und getötet. Gleich nach dem Kind versuchte der 40-jährige Täter noch eine 78-jährige Seniorin in den Tod zu schicken, was misslang. Augenzeugen verfolgten den flüchtenden Mörder und hielten ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest.

Der Eritreer, der am Montag, 29. Juli, in Frankfurt am Main den kleinen Jungen und dessen Mutter vor einen einfahrenden ICE stieß, kam 2006 illegal in die Schweiz, beantragte Asyl, dass ihm 2008 zuerkannt wurde. Er lebte als anerkannter Flüchtling im Kanton Zürich mit einer Niederlassungsbewilligung C, wie der „Blick“ berichtet.

Eritreer in der Schweiz besorgt

In der Schweiz leben rund 30.000 Eritreer. Die Gemeinschaft sei nach Angaben des Mediensprechers des Eritreischen Medienbundes Schweiz, Yonas Gebrehiwet (22), schockiert und zutiefst bestürzt: „Es ist einfach krass, was passiert ist“, so der 22-Jährige. Dass ein Kind gestorben ist, sei einfach schrecklich.

Viele seiner Landsleute sind besorgt über mögliche Reaktionen der Schweizer Gesellschaft: „Die Leute haben einen Hass auf den Täter. Er zieht eine ganze Nation in den Dreck“, so Yonas Gebrehiwet. Man habe Angst, dass das Geschehene „gegen uns eingesetzt wird“.

Täter galt als gut integriert

Der 40-jährige Täter galt in seinem Umfeld als Integrations-Vorbild, war beliebt. Viele schauten zu Habte A. auf. Der dreifache Familienvater (1, 3, 4) lebte zuletzt in einem idyllisch gelegenen Haus oberhalb von Wädenswil am Zürichsee. Er ist Mitglied der orthodoxen Kirche und postete auf Facebook christliche Motive.

Das Magazin„Focus“ sprach mit einem Bekannten des Manne, einem Muslim. Dort in Wädenswil bildeten die Eritreer eine konfessionsübergreifende Gemeinde, überhaupt soll Religionszugehörigkeit unter den Exil-Eritreern in der Schweiz Nebensache sein, heißt es. Über Habte A. sagte der Mann: „Er war zurückhaltend, hatte niemals Streit und fiel auch nicht durch Gewalt auf. Er mochte es nicht einmal, wenn man hinter deren Rücken schlecht über andere Menschen sprach.“ Als er erfahren habe, was in Frankfurt passiert sei, habe er es erst gar nicht glauben können, so der Mann.

Im Jahresbericht 2017 des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks (SAH) wurde Habte A. als Beispiel für gelungene Integration seine Geschichte eine „Erfolgsgeschichte“ genannt. Deutsch habe er gut gesprochen, pünktlich und motiviert sei er gewesen. Seit April 2018 arbeitete er fest in der Karosseriewerkstatt der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ).

Eine Nachbarin auf der gleichen Etage erlebte Habte A. und seine Familie als unauffällig, aber nicht sehr kontaktfreudig. Morgens habe sie ihn immer gesehen, als er zur Arbeit ging, wie „20 Minuten“ herausfand. Auch in zwei afrikanischen Restaurants im Ort war er als höflicher und ruhiger Mensch bekannt. Ein Gast erinnert sich an ihn: „Im Moment fragen wir uns alle, wie das passieren konnte. In Zürich hat man von dem Mann aber seit längerem nichts mehr gehört.“

Als eine eritreische Mutter mit ihrer Tochter vorbeikommt, sagt diese der Pendlerzeitung, dass sie das alles nicht glauben könne, er sei doch selbst ein Vater und: „Jeder weiss doch, dass man fremde Kinder ebenso behandeln soll, wie die eigenen, unabhängig davon, ob jemand Schweizer oder Eritreer ist.“

Mysteriöse Veränderungen

Doch dann, im Sommer 2018, begann er sich zu verändern. Seinem Landsmann zufolge litt er offenbar an Verfolgungswahn, hörte Stimmen: „Wenn wir irgendwo allein saßen, drehte er sich plötzlich um und sagte: Wer redet da über mich?“

Der Mann sagte, dass solche  Phänomene bei seinen Landsleuten keine Seltenheit seien. Er kenne auch andere Eritreer, die im Exil psychische Probleme entwickelt hätten. Eritrea gelte als eine der schlimmsten Diktaturen Afrikas. Menschen fliehen vor lebenslangem Zwangsdienst im Militär oder vor den Folterknechten des Regimes.

„Manche sagen, dass sie dort von jemandem verzaubert wurden“, schilderte der Mann und dass sich die Leute dann manchmal selbst verletzen, fremde Menschen jedoch nicht angreifen würden, beteuert der Mann. Ein normaler Mensch tue so etwas nicht …

Therapie, Ausraster und Flucht

Schließlich bekam Habte A. auch Probleme im Job. Freunde und Kollegen versuchten zu helfen, sorgten dafür, dass er im Januar krankgeschrieben wurde, eine Therapie begann.

Wenige Tage vor der Tat in Frankfurt alarmierte Habtes Frau die Polizei, als es Probleme mit ihm gab.

Am Donnerstagnachmittag (25.7.2019) ging bei der Einsatzzentrale der Kantonspolizei Zürich eine Meldung über nicht genauer beschriebene familiäre Probleme ein. Die Polizisten rückten an den Wohnort der Melderin im Bezirk Horgen aus und stellten fest, dass mehrere Personen in ihrem Wohnhaus eingeschlossen waren.“

(Kantonspolizei Zürich)

Die Beamten fanden die Frau, die Kinder und eine Nachbarin eingeschlossen vor. Zuvor soll der 40-Jährige die Nachbarin attackiert haben, sie verbal und mit einem Messer bedroht haben. Verletzt wurde sie nicht. Beide Frauen sprachen von einem überraschenden Angriff und, dass sie ihn „noch nie so erlebt“ hätten, hieß es vonseiten der Polizei.

Der Polizei und der Staatsanwaltschaft Zürich war der Mann zuvor nicht wegen Gewaltdelikten bekannt. Hinweise auf eine Radikalisierung oder ein ideologisches Motiv wurden bisher keine gefunden, schreibt der „Blick“. Auch die Kantonspolizei Zürich ist sich keines Versäumnisses bewußt. Für eine Öffentlichkeitsfahndung hätte der Vorfall mit der Familie nicht ausgereicht.

„Nach ihm wurde die Fahndung eingeleitet und der Mann wurde zur Verhaftung ausgeschrieben“, hieß es in der Polizeimeldung. Die deutschen Behörden wurden offenbar wegen der Geringfügigkeit der Tat nicht informiert.

Mit dem Zug reiste Habte A. noch an selbem Donnerstag von Basel aus nach Frankfurt, wie er später selbst zu Protokoll geben sollte. Montags startete Habte A. seine tödliche Attacke. Was zwischendrin passierte, ist bisher nicht bekannt.

Unter Alkohol oder Drogen soll er nach bisherigen Erkenntnissen nicht gestanden sein, heißt es in der „Bild“. Eine erste Atemalkoholprobe brachte 0,0 Promille, so eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Der Frankfurter Bahngleis-Mörder Habte A. (40). Foto: CHRISTOPH REICHWEIN/AFP/Getty Images

 



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