Bank-Run verhindert: Der Gesundheitscode als elektronische Fußfessel
Chinas Banken sind ins Trudeln geraten. Vielerorts wird vom Ansturm der Kunden auf ihre Banken berichtet. Um den übermäßigen Druck von Banken und der Bankenaufsichtsbehörde zu nehmen, greift die Verwaltung der Provinzhauptstadt Zhengzhou im Zentralchina auf Corona-Maßnahmen zurück: Der Status des Gesundheitscodes im Corona-Ausweis betroffener Bankkunden wird einfach manipuliert. Die Kunden können sich somit nicht mehr frei bewegen.
Der Gesundheitscode funktioniert als eine neue, kostengünstige und flächendeckende Variante von elektronischen Fußfesseln. Mithilfe von Big Data gewinnt die digitale Überwachung Chinas eine neue Qualität.
Jeder kann beliebig eingesperrt werden
Seit mehr als zwei Monaten versuchen Anleger an ihre Ersparnisse in vier regionalen Banken in der zentralchinesischen Provinz Henan zu kommen. Leider ohne Erfolg.
Am 18. April schalteten diese Banken ihren Online-Service ab. Um ihre Geschäfte abwickeln zu können und simple Überweisungen in Auftrag zu geben, reisten teilweise Kunden aus entfernten Städten in die Provinzhauptstadt Zhengzhou, um persönlich mit den Angestellten der Kommunalbanken zu sprechen. Es geht um die Gesamtsumme von Ersparnissen in Höhe von etwa 400 Millionen Yuan – knapp 56 Millionen Euro. Die Zukunft vieler Bankkunden steht auf der Kippe.
Doch was geschah? Drei Beispiele. Frau Ai ist eine von 400.000 Kunden, die nicht an ihr Geld kommen. Sie lebt in der Provinz Hunan, etwa 1.000 km südlich von Zhengzhou, der Hauptstadt der Provinz Henan.
Am 12. Juni stieg sie in den Zug nach Zhengzhou. Sie will die Aufsichtsbehörde für Banken- und Versicherungen in der Provinzhauptstadt besuchen und sich erklären lassen, was mit ihren Ersparnissen von 300.000 Yuan los ist.
Vor der Abreise hat sie – wie es von den Behörden vorgeschrieben ist – ihre Reise nach Zhengzhou online registriert. In Zhengzhou angekommen, checkte sie in ihr vorher gebuchtes Hotel ein. Kurze Zeit später klopfte es an ihrer Tür, es ist eine kleine Gruppe von Sanitätern und Polizisten. Sie prüften ihren Personalausweis, nahmen ihre persönlichen Daten auf und fragten sie nach dem Grund der Reise. „Ich komme, um mein Geld von der Bank abzuheben“, antwortete Frau Ai. Nachdem die Besucher weg sind, geht sie zum Essen ins Hotelrestaurant. Wie üblich muss sie ihren Gesundheitscode am Handy vorzeigen.
Der Gesundheitscode gilt in China als Corona-Ausweis, der mit der persönlichen Identität verknüpft ist. Jeder Bürger muss eine Corona-App auf seinem Smartphone installieren. Die Bewegungsprofile eines jeden Bürgers werden genau überwacht. Wer sich in den letzten 14 Tagen ausschließlich in Niedrig-Risiko-Gebieten aufgehalten, keinerlei Kontakte zu Infizierten und regelmäßige PCR-Tests absolviert hat, bekommt einen grünen Gesundheitscode zugewiesen. Ohne diesen „grünen“ Gesundheitscode kann niemand eine U-Bahn, einen Supermarkt oder ein Restaurant betreten. Mit „gelb“ soll sich die Person für sieben Tage in Quarantäne begeben. Und mit einem alarmierenden „roten“ Code wird diese Person direkt in Quarantäne abgeführt. Nicht einmal die eigene Wohnung darf sie betreten.
Als Frau Ai nun vor dem Eingang des Restaurants ihr Smartphone aus der Tasche holte, um ihren Gesundheitscode vorzuzeigen, konnte sie ihren Augen nicht trauen: Ihr Gesundheitscode war nicht mehr „grün“, sondern auf „rot“ gesprungen. Unmittelbar danach erschienen Sanitäter. Sie brachten Frau Ai zurück ins Zimmer, sie musste sofort wieder ihren Koffer packen. Anschließend wurde sie zu einem Quarantäne-Hotel gebracht.
Magischer Wechsel von „Grün“ auf „Rot“
Das Gleiche erlebte eine andere junge Frau, Xiaoqin, die am 13. Juni nach Zhengzhou gereist ist. Auch sie musste ihre geplante Reise nach Zhengzhou vorher online registrieren. Sie erhielt einen Anruf von der Polizei – als sie gerade auf einer Straße in Zhengzhou stand –, die wissen wollte, ob sie schon angekommen ist. Wie von magischer Hand sprang auch ihr Gesundheitscode kurz nach dem Anruf von „Grün“ auf „Rot“.
Ohne den „grünen“ Gesundheitscode konnte Xiaoqin nirgendwo hin. Sie konnte weder die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen noch ein Hotel betreten. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als zu Fuß zu einem nahe liegenden Krankenhaus zu laufen. Dort bat sie um einen neuen PCR-Test. Anstatt den Test zu machen, rief das Krankenhaus die Pandemieschutzbehörde an und berichtete von ihrem Fall. Xiaoqin wurde zwei Optionen angeboten: Entweder 14 Tage Quarantäne in Zhengzhou, wobei sie alles selbst bezahlen muss, oder am selben Tag per Zug nach Hause zurückfahren. Man würde dafür sorgen, dass ihr Gesundheitscode sofort auf „Grün“ umgestellt wird, damit sie in den Zug einsteigen könnte.
Binnen weniger Tage erlebten etwa 800 Menschen dasselbe. Sie wurden an Bahnhöfen, im Hotel oder auf den Straßen von Zhengzhou festgesetzt, weil der Gesundheitscode auf ihren Smartphones unerwartet von „Grün“ auf „Rot“ gesprungen ist. Ihnen wurde befohlen: „ab in Quarantäne“.
Doch auch denjenigen, die an ihr Geld wollten und überhaupt nicht nach Zhengzhou reisten, wurden mit einem roten Gesundheitscode gebrandmarkt.
Herr Deng ist einer von ihnen. Er lebt in einer Stadt, die 500 km nördlich von Zhengzhou liegt. Auch er versuchte zwei Monate lang verzweifelt an sein Bankguthaben zu kommen. Als er Informationen in einer Chat-Gruppe las, dass, wenn man den QR-Code vom Hauptbahnhof Zhengzhou scannt, der Gesundheitscode der Anleger „rot“ wird, konnte er es nicht glauben. Aus Neugier scannte er den QR-Code, der in der Chat-Gruppe angezeigt wurde. Tatsächlich wechselte sein Gesundheitscode sofort auf „Rot“, obwohl er seine Wohnung gar nicht verlassen hat.
Wer kann den Gesundheitscode manipulieren?
Die betroffenen Kommunalbanken haben weder Zugriff auf die Datenbank des gespeicherten Gesundheitscodes noch sind sie befugt, die Pandemieschutzbehörde anzuweisen, den Gesundheitscode von Bankkunden zu ändern. Die Anordnung kann nur von einer höheren Instanz kommen.
Experten warnten seit der Einführung der Corona-Apps in China davor, dass diese irgendwann als Überwachungsinstrument zur sozialen Kontrolle zweckentfremdet werden.
Am Beispiel der Bankkunden von Zhengzhou hat sich nun offen gezeigt, dass jeder Mensch jederzeit wie ein Krimineller in ein Gefängnis gesteckt werden kann. Ein Gefängnis namens Quarantäne.
Jeder in China fühlt sich bedroht, weil gesehen wird, dass der Gesundheitscode nichts mehr mit der Gesundheit zu tun hat.
Wer gab den Befehl dazu?
Immer mehr Menschen fragten, wer den Befehl zur Manipulation des Gesundheitscodes der Bankkunden gegeben hat. Als der öffentliche Druck immer größer wurde, sah sich die Stadt Zhengzhou gezwungen, Untersuchungen einzuleiten.
Am 22. Juni wurde das Untersuchungsergebnis bekannt gegeben: Es war keine technische Panne der Datenzentren.
Für die Änderung wurden zwei Personen verantwortlich gemacht: Der stellvertretende Leiter der Kommission für politische und rechtliche Angelegenheit der KP Chinas, der gleichzeitig die Abteilung „Soziale Kontrolle“ der Kommandozentrale für COVID-19-Kontrolle und -Prävention in Zhengzhou leitet, und seine Stellvertreterin. Beide haben demnach die Verwaltung angewiesen, die Gesundheitscodes der Bankkunden zu manipulieren.
Die Kommission für politische und rechtliche Angelegenheiten ist eine Organisation, die alle Strafverfolgungsbehörden einschließlich der Polizei beaufsichtigt. Das macht sie zu einer sehr mächtigen Institution der Kommunistischen Partei.
Laut der Stadt Zhengzhou wurden die beiden Verantwortlichen von ihren Ämtern entlassen und degradiert, ein Gerichtsverfahren ist nicht geplant.
Eskalation bei den Bankkunden
Nach der Entfernung der beiden Verantwortlichen von ihren Posten dachten viele Bankkunden, dass der Weg für Gespräche mit den betroffenen Kommunalbanken und der Banken- und Versicherungsaufsichtsbehörde nun endlich frei sei.
Das ist ein Irrtum. Auch noch fünf Tage nach der Bekanntmachung der Stadt Zhengzhou wechseln die Gesundheitscodes sofort von „Grün“ auf „Rot“, wenn der QR-Code des Hauptbahnhofs von Zhengzhou mit einem Smartphone gescannt wird.
Da sich nun einige Bankkunden nicht mehr von ihrem Gesundheitscode daran hindern ließen, persönlich bei der Banken- und Versicherungsaufsicht eine Beschwerde einzureichen, eskalierte die Lage. Der Staat schickte uniformierte Sondereinheiten nach Zhengzhou. Die protestierenden Bankkunden wurden von Polizisten eingekesselt, einige verprügelt und abgeführt.
Jeder, der sich beschwert …
In Wirklichkeit wird nicht nur die Bewegungsfreiheit von Bankkunden durch willkürliche Manipulation der Gesundheitscodes in der Provinz Henan eingeschränkt.
Laut Berichten chinesischer Medien wechselten neulich die Gesundheitscodes der meisten Eigentümer eines Wohnblocks in der Stadt Zhengzhou von „Grün“ auf „Rot“. Was haben sie getan?
Diese Eigentümer wollten Wohnungen in einem geplanten Bauprojekt von Rongchuang Zhongyuan kaufen, sie leisteten bereits einige Anzahlungen. Allerdings wurde an der Baustelle seit acht Monaten nicht mehr gearbeitet. Die Eigentümer befürchteten, dass die Baufirma kein Geld mehr hat, um das Projekt fertigzustellen und sie zudem ihr bereits eingezahltes Geld nicht mehr zurückbekommen.
Diejenigen, deren Gesundheitscode auf „Rot“ umgesprungen ist, haben eine Gemeinsamkeit: Sie hatten alle Beschwerde gegen das eingestellte Bauprojekt eingereicht.
Die Digitaldiktatur und das Zeitalter der totalen Überwachung sind nah. Ein Chinese schrieb im Internet: „Ich dachte eigentlich, dass der Tag, an dem die Menschheit von Computern und Algorithmen beherrscht wird, erst in 50 Jahren kommen würde. Doch die Corona-Pandemie hat diesen Entwicklungsprozess deutlich beschleunigt.“
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion