Ein Betrug an Chinas großer Kultur

Technik anstelle von göttlicher Kraft - Masse anstelle von Individuum
Titelbild
Li Ning übernahm die Fackel als Letzter, "schwebte“ eiligen Schrittes an Seilen die virtuelle Wand des Stadions entlang. (Phil Walter/Getty Images)
Von 12. August 2008

Die lang erwartete Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele ist vorbei. Millionen von Zuschauern auf der ganzen Welt waren beeindruckt von der Fülle der mitwirkenden Menschenmassen, der Lichter, der Kraft. Etwa 40 Millionen US-Dollars hatte es mal eben gekostet, mehr als tausend Raketen wurden abgeschossen, um alle Wolken zu vertreiben, sodass die Zeremonie ihre großartigen Bilder ungestört darbieten konnte.

In den Augen vieler Kommentatoren weltweit war dies die spektakulärste Eröffnung, die es jemals gegeben hat, und viele sahen es als das Entfalten der chinesischen Kultur an. Es gab allerdings auch nachdenkliche Stimmen, wie die von Sandra Maischberger als Moderatorin der ARD. Sie empfand einen „Hauch der Kühle in der Perfektion“. Zum Entzünden der Fackel kam ihr Kommentar ebenso kühl: „Von Vielen auch Flame of Shame genannt.“

Gedrillte Akteure

Also die bisher spektakulärste Eröffnung Olympischer Spiele? Ja – zumindest wenn man den theatralischen Aspekt betrachtet. Aber chinesische Kultur? Leider – nein. Diese Antwort verwundert? Viele ließen sich gerne die chinesische Geschichte der Malerei, der Erfindung der Druckkunst, der Oper und der Tang-Trommeln vor Augen führen – und dabei durch die Kunst des Dirigierens von Tausenden von exakt gedrillten Akteuren verführen? Die meisten dieser Akteure übrigens im Militärdienst, was man nicht verkennen konnte. Geht dies tatsächlich auf die Wurzeln von Chinas großartiger 5.000 Jahre alter Kultur zurück?

Die Form, der Himmel und der Tao

Die Zeremonie hat sehr wohl manches aus der Formensprache chinesischer Kultur übernommen, wo blieb jedoch der Inhalt?

Form kann trügerisch sein. Nicht nur der Moderator von NBC denkt, dass die chinesische Kultur nicht das Individuum, sondern die große Gruppe im Auge hat, so wie es im Stadion zu sehen war. Welch Trugschluss! Traditionell steht in China die Beziehung der Menschen zueinander im Mittelpunkt des Denkens, ebenso wie deren Beziehung zu Himmel und Erde. In diesem Sinne steht chinesische Kultur für Gemeinschaft – ist darauf ausgerichtet, ist human und bescheiden. Strahlte die Eröffnungszeremonie Bescheidenheit aus? Denn darin liegt die wahre Größe chinesischer Kultur und Philosophie. Waren nicht stattdessen Gruppen-Bilder zu besichtigen, bei denen einem umgehend die zu Höchstleistungen gequälten Kinder und Jugendlichen aus Sendungen der vergangenen Wochen vor Augen standen?

Ein Instrument der Mächtigen

Wo aber war der Geist wahrer Gemeinschaft noch zu spüren? War er nicht ersetzt durch das, was „die großartige Inszenierung“ genannt wurde? Es war nicht das traditionelle chinesische Konzept von Gemeinschaft, das sich bot, sondern die kommunistische Idee von Massen, in denen das Individuum sich unterzuordnen hat, und zwar in Beziehung zur staatlichen Autorität, nicht in Beziehung zu anderen Individuen oder in Beziehung zu Himmel und Erde. In dieser Formation leicht ein Instrument der Macht in den Händen der Mächtigen, die nur am Ende ihren Auftritt hatten.

Die Kombination von Tausenden von Trommlern und ausgeklügeltem high-tech-System mag die Zuschauer begeistert haben. In Wirklichkeit hatte damit die Dramaturgie bereits die Herrschaft über die Zuschauer übernommen. Aber die Essenz chinesischer Kultur ist gerade nicht das Entfalten von Macht. Sondern sie basiert auf einem System moralischer Prinzipien, wie dem Trachten nach Wahrhaftigkeit, nach Barmherzigkeit und nach Toleranz, den goldenen Lehren aus Buddhismus und Taoismus.

Irrweg Perfektion

Faszination ging immer wieder von der Perfektion der von Menschenmassen dargestellten Bilder aus. Seien es die 897 jungen Männer als chinesische Zeichen im „Druckkasten“, sei es die flächendeckende Performance der angeblich 2.008 (!) Wu Shu-Kämpfer. Was mag die deutsche Fernseh-Moderatorin dazu bewegt haben, gerade vor dieser Sequenz die Hoffnung auszusprechen, „dass die Stimmung im Stadion ein bisschen stärker überschlägt“? Eine Antwort bot sie dezent selber an: „Die Einheit von Mensch und Natur ist in der chinesischen Gesellschaft in den letzten 30 Jahren etwas verloren gegangen.“ Dieser Verlust war zu spüren, vorausgesetzt, man war bereit, angesichts der monströsen Veranstaltung etwas spüren zu wollen!

Chinesische Blog-Schreiber beklagten ebenfalls einen Mangel an Moral, eine Schau, die die Herzen der Menschen nicht wirklich bewegte, so und ähnlich war nicht selten zu lesen. Wobei unter Moral nicht eine Liste von Verboten zu verstehen ist, sondern eher der Respekt vor dem anderen Menschen.

Die chinesische Tugend der Mäßigung begründet sich auf einer engen Verbundenheit des Menschen mit dem Himmel, mit dem Tao. Vom Himmel, vom Tao kommt die Kraft, die dem Menschen zur Verfügung gestellt wird. Trotz Mao und Kommunismus schöpfen nicht wenige Chinesen weiterhin ihre Ausdauer und Kraft aus dieser traditionellen Vorstellung.

Die Kühle des Schwebens

Wie kann dann Technik diese göttliche Kraft ersetzen? War die Tugend der Mäßigung noch in der nach Superlativen suchenden Inszenierung des künstlerischen Leiters Zhang Yimou zu spüren? Li Ning übernahm die Fackel als Letzter, „schwebte“ eiligen Schrittes an Seilen die virtuelle Wand des Stadions entlang, angestrengt, ohne Lächeln, wie es eben ein gut gedrillter Körper zu tun hat.

Das Entzünden der großen Fackel 64 Meter über der Erde gestaltete sich dann auch nicht mehr zu einem Akt der Freude, es schien nur noch Pflichterfüllung. War es solch ein Bild, auf das sich die Fernsehgemeinde gefreut hatte? Es war Kontrolle bis zum letzten Schritt, Kontrolle der Massen ganz im Sinne der alten Kader. Ohne Chinas wahre Wurzeln und mit der Perspektive auf ein Roboter-Zeitalter. Noch haben die Chinesen nicht die Wahl.



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