Filmtipp: „Bach ist stärker als Mao“ – Pianistin kehrt nach 35 Jahren nach China zurück

Zhu Xiao-Mei lebt seit 35 Jahren außerhalb Chinas. Durch die Kulturrevolution traumatisiert, findet sie in Paris vor allem durch die klassische Musik zu sich selbst und ihren traditionellen Wurzeln. Die "Goldberg-Variationen" von Bach werden für sie ein lebenslanger Begleiter. "Bach ist stärker als Mao" - Ein Film, der in seiner Botschaft nicht aktueller sein kann.
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Wu Rongpu hält ein Urlaubsfoto von seiner Frau Zhu Xiao-Mei in die Kamera.Foto: JOHANNES EISELE/AFP/Getty Images
Von 5. April 2017

„Ich glaube, dass die höchsten, die feinsten Künste der Welt ineinander fließen, sie haben keine nationalen Grenzen, sie sind der geistige Reichtum der gesamten Menschheit.“ So versteht die Chinesin Zhu Xiao-Mei ihre Kunst als Pianistin.

Zhu Xiao-Mei kehrt nach 35 Jahren im Ausland das erste Mal in ihre chinesische Heimat zurück, um den Menschen dort die „Goldberg-Variationen“ von Bach zu präsentieren. Viele Jahre hatte sie gezweifelt, dass das chinesische Publikum bereit sei für ihre Konzerte. Als sie die Herausforderung jedoch annahm, erlebte sie viele Überraschungen. Womit sie überhaupt nicht gerechnet hatte, waren die vielen jungen Menschen in China, die die Konzertsäle bis auf den letzten Platz füllten.

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Es war die Musik, insbesondere die Musik Bachs, die es Zhu Xiao-Mei ermöglichte, die schlimmsten Herausforderungen ihrer Existenz zu bewältigen. Die Pianistin hat alle Auswüchse des Mao-Systems miterlebt. Jahrelange Indoktrination, fünf Jahre Umerziehung, weitere fünf Jahre Arbeitslager – eine zerschlagene Familie, Entbehrungen und Schikanen. 1980 immigrierte sie und fand schließlich in Paris ihre neue Heimat.

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Die Wunden der Kulturrevolution, mit der Mao vor 50 Jahren das Land verwüstete, sitzen tief. Ihre Familie gilt als bourgeois und kontrarevolutionär. Xiao-Mei wurde Opfer öffentlicher Denunziationsveranstaltungen, erlebte mit, wie Noten verbrannt worden, wie ihre Lehrer gedemütigt und in den Selbstmord getrieben werden. Abgesehen von einigen wenigen Modellopern sind Klavierspiel und klassische Musik verboten. „Als Kind hatte ich kaum Zugang zu Bildung“, erzählt die Pianistin. „Es gab keine Bücher zu lesen, keine Musik zu hören, keine Kunst, nichts. Es gab keine Schulen, keine Erzieher, Maler. Schriftsteller und Musiker hatten nicht die Freiheit, sich auszudrücken, ihre Talente zu entwickeln.“

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„1949 ruft Mao die Kommunistische Volksrepublik China aus, doch der Aufbau des Kommunismus läuft nicht gut“, beschreibt Essayist Michel Mollard die damalige Situation. „Mao beschließt daher, alle bestehenden Strukturen zu übergehen, die Jugend auf seine Seite zu ziehen, um so seine Machtposition zu stärken und die Revolution und den Kommunismus unwiderruflich umzusetzen.“

„Maos Kulturrevolution zerstörte all die Größe und den Reichtum der chinesischen Kultur“, so der Essayist.

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„Die Revolution zerstörte die ganze Kultur. Man kann sich das nicht vorstellen“, erzählt die Pianistin weiter. Künstler seien in Kuhställe getrieben worden, die Jugend brutal instrumentalisiert. Sie sei von der Politik in die Irre geführt und verdummt worden – ohne Zugang zu Literatur und Kunst. Auch Xiao-Mei schloss sich anfangs an und lebte nur noch für Klassenkampf und Revolution. Sie wollte ihr Leben Mao widmen und hatte sich sogar von ihren Eltern abgewandt.

Die chinesische Kultur und Gesellschaft sei so restlos zerstört worden, dass es sich über Generationen nicht wieder gut machen ließe, meint Xiao-Mei. Für sie selbst sei es eine persönliche Tragödie.

Der Film „Zhu Xiao-Mei – Bach ist stärker als Mao“ porträtiert nicht nur eine Ausnahmekünstlerin sondern auch das Schicksal einer Suchenden, die sich aus Zwängen und Unterdrückung befreite, um ihren ganz persönlichen Weg zu gehen und ihrer innersten Verbindung zur Kunst treu zu bleiben. Nach 35 Jahren kehrt sie an den Ort ihrer traumatischen Erinnerungen zurück und stellt sich der Vergangenheit.

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Laotse sagte einst: „Die Wiederkehr ist der Weg des Tao“. Xiao-Mei ist zurückgekehrt – mit einer Botschaft im Gepäck:

Die Gesellschaft darf nie vergessen, wie wichtig Bildung, Kultur und Musik sind. Es sind die wichtigsten Voraussetzungen für eine intakte und harmonische Gesellschaft.“

Im heutigen China werde die Vergangenheit leider nicht aufgearbeitet, mahnt die Künstlerin. Man habe nicht den Mut, sich mit dieser Tragödie auseinanderzusetzen. Es klaffe wie eine Lücke in der chinesischen Geschichtsschreibung.

Ein ruhiger, tiefgehender Film unter der Regie von Paul Smaczny – unterlegt mit den Klavierklängen der Künstlerin. Absolut empfehlenswert! Bis zum 1. Juni 2017 ist er noch in der Arte-Mediathek zu sehen.

Zhu Xiao-Mei – Bach ist stärker als Mao

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