Goldener Saal im Wiener Musikverein zum Karaoke-Club für China-Gastspiele verkommen?

Titelbild
Das Wiener Philharmonische Orchester beim Neujahrskonzert 2013 im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins – eine dem Saal angemessene künstlerische Qualität.Foto: DIETER NAGL/AFP/Getty Images

„Ist Wiens legendärer Musikverein mit einem der weltweit besten Konzertsäle, dem „Goldenen Saal“, einfach ein verklärter chinesischer Karaoke-Club geworden? Laut chinesischen Medien heißt die Antwort, leider, ja kann sein.“

So beginnt ein Artikel im Wall Street Journal am 10. Juli, mit dem das jüngst erlassene Verbot von Chinas Kultur-Ministerium beleuchtet wird: Künstlergruppen aus China ist es künftig verboten, in prominenten Sälen im Ausland aufzutreten, wenn es nur um das Renommee gegenüber dem heimatlichen Publikum geht. 

Die Anordnung schlägt auch in den chinesischen Medien hohe Wellen. Die staatlich gelenkte Xinhua-Agentur und die Volkszeitung, „People‘s Daily“ rückten am 10. Juli mit der Wahrheit heraus, die zu diesem Verbot des Ministeriums geführt hatte.

Wie alles begann

Alles begann im Jahr 2003 mit einem Auftritt der Pop-Sängerin Song Zuying im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins. Für 27.000 US-Dollar kann man diesen Saal pro Abend mieten. Im Hintergrund gab es genügend Leute, die diesen Betrag übernehmen wollten, handelte es sich bei der „Künstlerin“ doch um die allseits bekannte Geliebte von Jiang Zemin. Jian Zemin war bis März 2003 Staatspräsident von China und ist bis heute politischer Strippenzieher im Hintergrund. Der Trick funktionierte, das Ansehen von Song Zuying stieg.

In den letzten Jahren sind Hunderte von chinesischen Künstlern ins Ausland gegangen, um ihren Ruf im Heimatland aufzuwerten. Laut Xinhua.Net haben zwischen Januar und August 2013 an die 133 chinesische Gruppen allein im Wiener Musikverein Gastspiele durchgeführt. Sie mussten dafür an 27 Abenden den Goldenen Saal mieten. Das ist in acht Monaten jeder 10. Abend. Pro Abend traten bis zu fünf Gruppen auf. „Eine Art von Fanatismus“ entwickelte sich, berichteten chinesische Medien.   

Die Aufführungen entsprachen nicht dem, was man in einem der weltweit besten Konzertsäle, wie dem Goldenen Saal im Wiener Musikverein, erwarten kann und niemand kaufte dafür Karten.

Vergebliches Bombardement mit Freikarten

Um die Plätze zu füllen, bekam die chinesische Botschaft in Wien Karten, um sie an die örtliche chinesische  Gemeinschaft zu verteilen. Als das zu schwierig wurde, denn die Freikarten für solche Shows waren so zahlreich, dass die chinesischen Bewohner Wiens – und die lokale chinesische Botschaft – sich zunehmend von dieser Herausforderung überlastet fühlten, ging man dazu über, chinesische Studenten in China-Restaurants mit Freikarten zu bombardieren. Lokale Medien sprachen in Artikeln über den Goldenen Saal als einen „Karaoke-Raum“  für Chinesen.

Seit kurzem verteilen jedoch die China-Restaurants in Wien kaum noch Karten. Sie werden erleichtert aufatmen, dass  Chinas Kulturministerium sagte, es würde hart gegen die Verwendung von staatlichen Mittel für  Leistungen im Ausland vorgehen, die nur manchmal durch den Begriff „kultureller Austausch“ gerechtfertigt seien.

„Einige dieser Leistungen werden auch durch staatliche Gelder unterstützt", schrieb die offizielle Nachrichtenagentur Xinhua am Mittwoch. „Sie denken nicht über die Kosten nach, sie denken nicht über das Objekt oder dessen Ergebnis nach, und durch unehrliche oder  hochgespielte Berichte wollen sie nur Ruhm suchen. Das verschwendet nicht nur die Energie der Menschen und Ressourcen, es schädigt auch die künstlerische Ehre des Landes.“

Das Verbot gilt nicht für Künstler, deren Auftritte auch im Ausland normal zu verkaufen sind. Aber Rentner-Chöre aus der Provinz zählen eher nicht dazu, ebenso wenig wie Auftritte kleiner Schlagersternchen. 2010 gab es schon ein ähnliches Verbot, das aber keine Wirkung zeigte.

Politik, Kunst, Moral und Staatsgelder

Chinesische Medien fanden auch heraus, dass viele sogenannte Künstlerinnen nicht nur schlechte Kulturbotschafter waren, sondern in China schon früher als Maitressen hochrangiger Parteibonzen zu zweifelhaftem Ruhm gekommen waren. Eine von ihnen war die Volksliedsängerin Tang Can, öffentlich bekannt als Geliebte des obersten Militärs, General Xu Caihou.

„Unglücklicherweise“ trat Tang Can nicht nur im Goldenen Saal in Wien auf, sondern fungierte auch als Zwischenträgerin zu verschiedenen Politikern wie Bo Xilai, der an einem Komplott gegen Staatschef Xi Jinping beteiligt waren.  Bo Xilai sitzt inzwischen wegen Korruption lebenslänglich hinter Gittern und auch „ihr“ General Xu Caihou wurde kürzlich wegen Korruption der Justiz überstellt.         

Über Tang Can zitierte Xinhua.Net am 8. Juli einen Bericht, dass sie hingerichtet wurde. Nach drei Tagen wurde die Meldung wieder gelöscht.    

Song Zuying, die eingangs erwähnte „Lieblings-Sängerin“ von Jiang Zemin, hatte übrigens schon im März bei einer Gruppendiskussion von Parteimitgliedern im Volkskongress  zerknirscht zugegeben, dass ihr eigener nicht gerade hochwertiger Auftritt im Goldenen Saal im Wiener Musikverein im Jahr 2003 mit staatlichen Geldern finanziert worden war…



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