In China werden „Rinder aufgeblasen“

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In China werden "Rinder aufgeblasen".Foto: China Photos/Getty Images
Von 21. April 2013

 

In China bedeutet das Sprichwort „Chui Niu“ (das Rind aufblasen) je nach Region in etwa eine Mischung aus sinnlosem Geschwätz, Angeben und Lügen. Eine Erklärung für die Herkunft des Sprichwortes ist, dass man früher in China aus Häuten von Rindern Boote gebaut hat. Nachdem die Rinderhäute zusammengenäht waren, mussten kräftige Männer mit starken Lungen diese aufblasen. Niemand kann diese Aufgabe alleine schaffen. Deshalb bedeutet „Chui Niu“ so etwas wie, jemand hat gelogen und mit unrealistischem Geschwätz angegeben. In manchen Regionen in China hat das Sprichwort noch eine weitere Bedeutung, nämlich dass jemand „verbale Diarrhoe“ hat.

Vielleicht ist das Wort gar nicht so ungeeignet, um gewisse Aspekte der „Parteikultur“ der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zu beschreiben. Die KPCh lebt das Chui Niu. Schließlich hat selbst der gegenwärtige Parteichef Xi Jinping das Problem angesprochen, dass die Beamten lügen, angeben und lange Reden ohne Inhalt von sich geben. Was Xi Jinping aber nicht gesagt und vielleicht auch nicht verstanden hat, ist, dass gerade die KPCh für das Entstehen einer solchen Kultur verantwortlich ist.

Rind mit großem Kompressor aufgeblasen

Vor kurzem habe ich einen verzweifelten Beamten aus China getroffen. Er, nennen wir ihn einfach Herrn Li, hat sich bei mir beschwert, dass das „Amts-Chinesisch“ ihn fertig macht. Er und seine Kollegen müssen sich für einige Berichte bis zu einem halben Jahr im Voraus schinden und manchmal bis vier Uhr morgens schreiben. Aber der Vorgesetzte war stets unzufrieden, weil die „Beschreibungen“ immer noch nicht seinen Erwartungen entsprochen haben.

Ich habe ihn gefragt: „Aber ein halbes Jahr im Voraus weiß man doch noch gar nichts über die Zahlen, wie könnt ihr dann schon beginnen?“ Er lachte und meinte: „Niemand interessiert sich für Zahlen. Es geht um die sprachliche Beschreibung, darum Adjektive zu sammeln und das ist das Wichtigste, um einen guten Eindruck zu erwecken“. Als er merkte, dass ich ihn nicht verstanden habe, hat er mir einen „kurzen“ Regierungsbericht im Internet gezeigt. Der Titel war in etwa „Die sorgfältige Diskussion der Kongressabgeordneten über Berichte der Regierung“. Zu diesem Thema wurden ungefähr eintausend Wörter geschrieben.

Ich halte mein Chinesisch für nicht schlecht, dennoch hatte ich nach dem Lesen des Berichtes keine Ahnung, was das sollte. Ich hätte nur einen Satz dazu geschrieben „Die Abgeordneten haben über Regierungsberichte geredet“ und berichtenswert ist dieses Thema sicher nicht. Herr Li musste mir die „wichtigen Details“ zeigen. Beispielsweise wurde in einem Satz gesagt, wie (!) die Abgeordneten über die Regierungsberichte diskutiert haben. „Die Abgeordneten und Komitee-Mitglieder haben begeistert diskutiert, vielstimmig ihre Meinung geäußert und jeder hat die anderen an seinen Geistesblitzen teilhaben lassen […]“. Zugegeben, ins Deutsche übersetzt klingt der Satz komisch. Auf Chinesisch war dieser Teil der Beschreibung insgesamt zwölf Zeichen lang. Ich war erstaunt, wie Menschen geschult werden können, wie sie ein banales Thema durch endlos aneinandergereihte leere Worthülsen derart aufblasen können. Für mich ist das „Rind aufblasen“ und zwar mit einem großen Kompressor. Ich verstand plötzlich die Abgeordneten, die auf Sitzungen des Parteitags geschlafen haben.

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Verschwendete Kreativität

Hier stellt sich die Frage, ob es sich bei dieser Groteske um einen Spracheunterschied, einen Kulturunterschied oder etwas anderes handelt. Traditionell ist eine solche Schreibweise in China sicherlich nicht. Beispielsweise können einige Gedichte aus der Tang-Dynastie mit nur 20 Zeichen Handlungen, Gefühle, die Landschaft und sogar Geräusche, Düfte und weiteres beschreiben. Wirft der Leser einen zweiten Blick darauf, offenbaren sich ihm je nach Stimmung und Erfahrung ein Teil der Gedanken des Dichters. Das heißt, Chinesisch besitzt eigentlich eine hohe Informationsdichte.

Aber in der heutigen Erziehung in China, die von der KPCh vorgegeben wird, sucht man diese Essenz der Sprache vergeblich. Bereits in der Grundschule lernen die Kinder, dass die Zusammenstellung mehrerer Adjektive eine elegante Schreibweise sei und dass sie dafür bessere Noten bekommen. Deshalb üben die Kinder beim Schreiben überwiegend die Wortwahl. Sich über ein Thema Gedanken zu machen und diese sachlich darzustellen spielt eine untergeordnete Rolle.

So werden in der Grundschule oft Aufsätze über ein Vorbild geschrieben. Dabei ist die gesamte Struktur festgelegt. Zuerst wird einer der „offiziellen Helden“ ausgewählt. Dann stellt man eine seiner Heldentaten möglichst detailliert und allgewaltig dar. Zum Schluss wird beschrieben, wie sehr man von solchen Heldentaten beeindruckt ist und dass man von ihm lernen will. Der Anteil von akkumulierten Adjektiven gilt als wichtiger Maßstab für die Punktvergabe. Anderseits können die Kinder nur bei diesen Beschreibungen ihre Kreativität einsetzen. Alles andere, zum Beispiel Kritik oder Zweifel an den „Heldentaten“, eine „falsche“ Wahl des Vorbilds, oder eine Abweichung von der vorgegebenen Struktur wird nicht akzeptiert.

Man kann sagen, dass die KPCh nicht nur die traditionellen chinesischen Schriftzeichen in das sogenannte „vereinfachte Chinesisch“ geändert, sondern auch eine inhaltsleere Art zu schreiben gefördert hat. Möglicherweise kann eine solche Art zu schreiben auch die Art zu denken in gewisser Weise beeinflussen. Und klar ist, für eine Diktatur ist ein Volk, das nicht kritisch denkt, bequemer zu regieren. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum die KPCh die traditionelle chinesische Kultur mit derart großem Einsatz zerstören will.

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Es gibt verschiedene Arten von „Rindern“

Auch wenn diese Art „Parteisprache“ in China inzwischen vorherrschend ist, gibt es Hoffnung, dass die traditionelle chinesische Kultur wiederbelebt wird. Die Darbietungen von Shen Yun haben die Essenz der 5000 Jahre alten chinesischen Kultur in die moderne Welt getragen. Künstler von Shen Yun sind in der Lage, durch einen nur zehn Minuten dauernden Tanz den Zuschauern eine Geschichte aus China zu erzählen und ihnen den Sinn dahinter zu vermitteln. Auch dann, wenn die Zuschauer zuvor noch nie mit der chinesischen Kultur in Berührung gekommen sind. Diese Art, Dinge informativ, detailliert und gleichzeitig spirituell tiefgreifend darzustellen, lässt mich an die Gedichte aus der Tang-Dynastie und die Liedtexte der Song-Dynastie denken.

Es gibt Berichte, dass die KPCh neidisch auf den Erfolg von Shen Yun ist und diese Show in China kopieren will. Meiner Ansicht nach können Menschen mit den Denkmethoden der KPCh eine solche Aufgabe nicht bewältigen. Ich vermute, die Künstler der KPCh werden vielleicht die Tanzbewegungen und das Bühnendesign nachahmen. Aber die Zuschauer werden vor lauter Sprüngen und Drehungen und dem häufigen Wechsel des Bühnenbildes vergessen, was die Künstler eigentlich darstellen wollen. Eine Repräsentation der traditionellen chinesischen Kultur ist eben viel mehr als Körperbeherrschung beim Tanzen und aufwendiges Bühnendesign.

Die Neigung der Partei zum Aufblasen des Rindes zeigt sich nicht nur in inhaltleerem Reden und Schreiben, oder in Akrobatik ohne Hintergrund, auch die übertriebene Verwendung der Farbe Rot soll nur kaschieren, dass hinter dem, wofür die Rote Armee kämpft und was sich hinter roten Vorhängen verbirgt, nur geistige Leere steht. Meister Li Hongzhi von Falun Gong, einer buddhistischen Kultivierungsschule, hat erklärt: „Egal ob man es von dem Blickwinkel der Kunst oder der gesellschaftlichen Umgebung her betrachtet, das leuchtende Rot kann nur als Verzierung benutzt werden, aber nicht als Grundfarbe.“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

 



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