25. April: Gedenken an einen historischen Appell in China vor 21 Jahren

Für schätzungsweise 70 bis 100 Millionen Chinesen war der 25. April 1999 ein Tag, der alles veränderte – der Appell der Falun Gong-Praktizierenden im Regierungsviertel Pekings. Es war die größte Demonstration auf dem chinesischen Festland seit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989.
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25. April 1999: Falun Gong in den Straßen bei Zhongnanhai. (The Epoch Times)
Epoch Times25. April 2020

Vor 21 Jahren, am 25. April 1999, versammelten sich etwa 10.000 Anhänger der spirituellen Praxis Falun Gong vor dem Berufungsbüro in der Nähe von Zhongnanhai, dem Hauptquartier der Kommunistischen Partei in Peking. Die Bittsteller stellten sich in ordentlichen Reihen auf den Bürgersteigen auf. Ihr Anliegen war das freie Praktizieren ihres Glaubens. Sie schwenkten keine Transparente oder Plakate und riefen keine Parolen. Die meisten machten in aller Stille meditative Übungen.

Auslöser des Appells: Verleumdung in einem Zeitungsartikel

Zuvor hatte eine chinesische Zeitschrift einen Bericht in Tianjin veröffentlicht, in dem die Praxis verleumdet wurde. Das gab Dutzenden von Praktizierenden von Falun Gong Anlass in Tianjin zum Regierungsbüro zu gehen und um eine Korrektur des Berichtes zu bitten. Sie wurden am 23. April 1999 in Tianjin festgenommen und ins Gefängnis gebracht. Die Zentralregierung hatte daraufhin angekündigt, dass Falun-Gong-Bücher landesweit weder veröffentlicht noch in Umlauf gebracht werden dürfen.

Kong Weijing, damals eine 49-jährige Bankangestellte in Peking, hatte sich auf das Schlimmste gefasst gemacht, als sie am wolkigen Morgen um 7 Uhr am 25. April 1999 in Richtung Zhongnanhai ging, um sich dem Appell der Praktizierenden anzuschließen.

Es war die größte Demonstration auf dem chinesischen Festland seit dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz (Platz des Himmlischen Friedens) im Juni 1989.

Die Erinnerungen an die Panzer, die auf den Platz des Himmlischen Friedens rollten, und Truppen, die das Feuer auf pro-demokratische Demonstranten eröffneten und dabei Hunderte oder Tausende unbewaffnete Menschen töteten, waren in den Köpfen der meisten Chinesen noch frisch.

„Es könnte alles passieren, aber ich fühlte mich persönlich verpflichtet“, dem Appell beizutreten, sagte sie in einem Interview. „Wenn Dafa verleumdet wird, muss man als jemand, der von dieser Praxis profitiert hat, einfach etwas sagen“. In Erinnerung an die Niederschlagung der Studenten, die ein Jahrzehnt zuvor friedlich auf dem Platz des Himmlischen Friedens saßen, zog Kong ihre Banker-Uniform an und nahm ihre Identifikation mit.

Ich habe daran geglaubt, dass [die Behörden] das Richtige tun würden, nachdem ihnen die Fakten erklärt wurden“, sagte sie.

Falun Gong, oder Falun Dafa, ist eine traditionelle chinesische spirituelle Praxis mit langsamen, meditativen Übungen. Im Mittelpunkt ihrer moralischen Lehren stehen die Werte: Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht. Die Praktik wurde 1992 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt und war bis 1999 in China sehr weit verbreitet.

Kong konnte – wie viele andere Falun-Gong-Anhänger auch – nicht ahnen, dass das chinesische Regime im Juli 1999 eine ausgedehnte Verfolgungskampagne starten würde, bei der Hunderttausende zusammengetrieben und in Gefangenenlager, Zwangsarbeitslager und Zentren für Gehirnwäsche gesperrt und unterschiedlicher Foltermethoden ausgesetzt sein werden.

Ruhiger Appell wird instrumentalisiert: Die Verfolgung beginnt

Kong erinnerte sich daran, dass der Appell vom 25. April 1999 ruhig und gelassen war. Das chinesische Regime hat die Aktion später als eine „Belagerung“ der Zentralregierung bezeichnet, um eine landesweite Unterdrückung zu rechtfertigen.

Auf dem Bürgersteig der Fuyou-Straße, die zum Gelände führt, sah sie Studenten, Lehrer, Landwirte und Arbeiter kilometerweit aufgereiht. Eine Mutter trug ihre Tochter auf dem Arm. Ein Vater schob einen Kinderwagen. Sie bildeten lange Reihen entlang der Wände, lasen Bücher oder machten meditative Falun-Gong-Übungen. Freiwillig machten sie Runden, um den Müll der Menschen einzusammeln. Für Fahrräder blieb genügend Platz zum Durchfahren.

Zhu Rongji, der damalige chinesische Premierminister, kam heraus, um die Praktizierenden zu treffen. Kong war eine der wenigen, die Zhu zufällig auswählte, um ins Regierungsgebäude zu kommen und die Forderungen der Gruppe zu überbringen. Sie haben die Freilassung der Praktizierenden aus Tianjin und die Aufhebung des Publikationsverbots gefordert. Kong hat diese Bitten an Beamte des nationalen Petitionsbüros und des Zentralbüros der Partei weitergeleitet und überreichte ihnen das Hauptwerk von Falun Dafa, das „Zhuan Falun“.

In wenigen Stunden wurden die Praktizierenden von Tianjin freigelassen. Um 21.00 Uhr wurde den Praktizierenden draußen mitgeteilt, dass das Regime ihren Bitten zugestimmt hatte, und so packten Kong und alle anderen zusammen und gingen.

Aber weniger als drei Monate später, am 20. Juli 1999, begann die KP Chinas mit der blutigen Verfolgung der Praxis. Dazu gehörte eine massive Propagandaaktion, bei der der staatliche Fernsehsender CCTV monatelang ununterbrochen Anti-Falun-Gong-Programme für seine Hunderte von Millionen Zuschauern ausstrahlte.

Polizisten in Zivil beobachten, wie eine Falun-Gong-Praktizierende sich der Verhaftung widersetzt, während sie von der Polizei zu einem Polizeiwagen gezogen wird, am 11. Mai 2000 auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Foto: STEPHEN SHAVER/AFP via Getty Images

Nicht lange danach fror Kongs Arbeitsplatz ihre Rentenversicherung ein und sie wurde angewiesen, an Gehirnwäschesitzungen teilzunehmen, die Kong und andere zwangen, ihrem Glauben abzuschwören.

Kong floh und konnte fast ein Jahrzehnt lang nicht nach Hause zurückkehren. Sie bewirtete ihre Bekannten im Tausch gegen eine Unterkunft, wobei sie manchmal nur für einen Tag an einem Ort blieb.

Die Familie wird zerrissen

Im Juni 2000 ging Kong zum Platz des Himmlischen Friedens, um die Falun-Gong-Übungen zu machen. Sie wollte damit Zeitungsberichten entgegentreten die behaupteten, dass Falun Gong ausgemerzt worden sei. Sie wollte damit auch zeigen, dass die Praktizierenden von der Unterdrückung unerschüttert blieben. Die Polizei verhaftete Kong und nahm sie für mehr als 10 Tage in Gewahrsam. Sie weigerte sich, ihren Namen zu nennen, und trat in den Hungerstreik. Daraufhin schoben ihr die Wachen einen Schlauch in den Hals, um sie zu ernähren.

„Wir haben unsere Methoden, [deinen Namen] zu erfahren“, sagten ihr die Wachen. „Wir könnten dir ein Papier auf die Nase kleben und dich ersticken lassen“, sagten sie, erinnerte sich Kong.

Aus Furcht vor Auswirkungen auf ihren Sohn beantragte ihr Mann im Jahr 2000 die Scheidung. Die Schikanen, gegenüber ihrer Familie durch die KP Behörden, haben in den darauffolgenden Jahren aber trotzdem nicht aufgehört. Die Polizeibeamten haben weiterhin versucht, ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen.

„Er dachte, dass wir nach dem Ende der Verfolgung wieder heiraten könnten“, sagte Kong. „Als ich mich dafür entschuldigte, dass ich nicht in der Lage war, ihm ein Familienleben zu bieten, sagte er mir, ich solle mir keine Sorgen um ihn machen … und meine Praxis weitermachen.“

Kong lebt jetzt in den Vereinigten Staaten. Sie sagte, dass die Partei ihre trügerische Natur nicht geändert hat, wie ihr Umgang mit den pro-demokratischen Protesten in Hongkong im vergangenen Jahr und ihre jüngste Vertuschung des Ausbruchs der tödlichen Sars-CoV-2-Pandemie zeigen. „Meine Studienfreundin sagte mir, wenn [das Regime] etwas missbilligt, muss es etwas Gutes sein“, sagte sie.

Protestveranstaltung vor der chinesischen Botschaft in Washington, DC, am 22. Juli 1999. Foto: JOYCE NALTCHAYAN/AFP über Getty Images

Nach Jahren des Herumziehens kam Kong 2015 in die Vereinigten Staaten. Ihr Sohn arbeitet nun in New York, wo sie endlich Zuflucht fanden. „Erst dann hatte ich wirklich die Würde eines menschlichen Wesens“, sagte sie.

Der Originalartikel erschien in The Epoch Times USA (deutsche Bearbeitung von sza)
Originalfassung: Hope Unfulfilled: Remembering a Historic Appeal in China 21 Years Ago



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