Besorgnis über die Verurteilung von 376 Personen in Xinjiang

Wegen Kontakten zu ausländischen Medien oder kritischen Äußerungen über Chinas Regime im Zusammenhang mit den Unruhen 2009 wurden mehrere Webmaster und eine Studentin zu langjährigen Haftstrafen bzw. der Todesstrafe verurteilt. Die Gesellschaft für bedrohte Völker spricht von „Willkürjustiz“.
Titelbild
In der Türkei lebende Uiguren protestieren 2009 gegen die Vorgehensweise des Regimes in der westchinesischen Region Xinjiang.Foto: AP Photo / Ibrahim Usta
Epoch Times19. Januar 2011

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) forderte am 18. Januar 2011 die Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Navanethem Pillay, auf, sie solle das Schicksal der 376 Uiguren klären, die im Jahr 2010 verurteilt wurden. Zuvor hatte das offizielle Nachrichtenorgan der Kommunistischen Partei Chinas, „People’s Daily“, unter Berufung auf einen Richter am höchsten Gericht der Region Xinjiang, über die hohe Zahl von anhängigen „Staatsschutz“-Verfahren berichtet. Der Asienreferent der GfbV, Ulrich Delius dazu, „Menschenrechtler wussten bislang nur von einem Bruchteil dieser Verfahren, da die Prozesse geheim geführt werden. Meist werden nicht einmal die engsten Familienangehörigen über die Prozesse und die drakonischen Strafen informiert.“

So wurde erst am 31. Dezember 2010 bekannt, dass die 19-jährige Uigurin Pezilet Ekber im April 2010 zum Tode verurteilt worden war. Eine Kommilitonin hatte von dem Urteil erfahren und in einem Brief darüber informiert. Die Vollstreckung der Strafe gegen die Studentin wurde für zwei Jahre ausgesetzt. Heiligabend 2010 war bekannt geworden, dass der Journalist Memetjan Abdulla acht Monate zuvor zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Dem 33 Jahre alten Reporter des staatlichen Rundfunks wurde vorgeworfen, einen Protestaufruf übersetzt und über einen Internetdienst verbreitet zu haben.

Der Weltkongress der Uiguren (WUC) ist besorgt über die neuesten Statistiken über Gerichtsurteile des Jahres 2010 in Ostturkestan. Alle Angeklagten wurden wegen „Verbrechen gegen die Staatssicherheit“ für schuldig befunden. Der WUC geht davon aus, dass es sich bei den Verurteilten hauptsächlich um Uiguren handelt. „Verbrechen gegen die Staatssicherheit“, „Separatismus„, „Gefährdung der Staatssicherheit“, „Spaltung des Staates“ und „Verrat von Staatsgeheimnissen“ sind typische Anklagepunkte, unter denen Uiguren, die ihr Recht auf Meinungs- oder Pressefreiheit in Anspruch nehmen, zu langen Strafen verurteilt werden.

„Alles deutet darauf hin, dass diese Verfahren nicht rechtsstaatlichen Standards entsprechen“, kritisierte Asienreferent Delius. So werden regelmäßig chinesische Rechtsanwälte eingeschüchtert, um sie an der juristischen Vertretung von Uiguren zu hindern. Ignorieren die Anwälte die Drohungen, so wird ihnen oft die Einsicht in die Prozessakten verwehrt oder zu wenig Zeit eingeräumt, um sich auf das Gerichtsverfahren vorzubereiten.

Seit den Unruhen im Juli 2009 in Urumqi, bei denen mindestens 200 Han-Chinesen und Uiguren umkamen, arbeitet Chinas Justiz auf Hochtouren, um Uiguren zur Rechenschaft zu ziehen.

Seit Jahren führt das kommunistische Regime eine intensive Kampagne gegen jegliche Form von politischen, kulturellen und sozialen Aktivitäten der Uiguren in Ostturkestan, die seit den Unruhen und Protesten im Juli 2009 noch weiter verstärkt wurde.

Geheimprozesse und ungeklärte Schicksale

Im vergangenen Jahr wurden einige Fälle, die im direkten Zusammenhang mit den Unruhen im Juli 2009 standen, veröffentlicht, so z.B.:

Gheyret Niyaz (Webmaster und Verwalter der uigurischen Webseite Uyghur Online): 15 Jahre, verurteilt wegen: Gefährdung der Staatssicherheit

Pezilet Ekber (Studentin): Todesstrafe, verurteilt wegen: Teilnahme an den Unruhen im Juli 2009

Dilshat Perhat (Webmaster und Besitzer der uigurischen Internetseite Diyarim): 5 Jahre, verurteilt wegen: Gefährdung der Staatssicherheit

Nureli (Webmaster der uigurischen Webseite Salkin): 3 Jahre, verurteilt wegen: Gefährdung der Staatssicherheit

Nijat Azat (Webmaster der uigurischen Webseite Shabnam): 10 Jahre, verurteilt wegen: Gefährdung der Staatssicherheit

Gulmire Imin (Mitarbeiterin bei der uigurischen Webseite Salkin): lebenslang, verurteilt wegen: Anstiftung der Unruhen vom Juli 2009, Verrat von Staatsgeheimnissen und Organisation einer illegalen Demonstration

Memetjan Abullah (Manager der der uigurischen Webseite Salkin): lebenslang, verurteilt wegen: Mithilfe bei der Anstiftung der Unruhen vom Juli 2009

Tatsächlich hatten diese Personen ausländischen Medien Interviews über die Lage in Ostturkestan gegeben oder sich kritisch über das chinesische Regime geäußert.

„Mit solchen Urteilen versucht die chinesische Regierung, das uigurische Volk mundtot zu machen und einzuschüchtern und auf jegliche Form von Opposition abschreckend zu wirken“, sagte Rebiya Kadeer, Präsidentin des WUC und langjährige politische Gefangene. „Die internationale Gemeinschaft muss sich für eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse vom Juli 2009 einsetzen, was eine Überprüfung aller Gerichtsverfahren einschließt. Die systematische Unterdrückung und Verfolgung der Uiguren in Ostturkestan muss endlich ein Ende haben.“

Auch Kadeers Sohn ist in Haft. Laut Amnesty International Deutschland wurde Ablikim Abdiriyim im April 2007 wegen der „Anstiftung zu und Beteiligung an separatistischen Aktivitäten“ zu neun Jahren Haft verurteilt. Grund war die Verbreitung von Artikeln über das Internet. Seit dem 3. November werde er in Einzelhaft gehalten und gefoltert. Seinen Aussagen zufolge wurde er in die Einzelhaft überführt, nachdem er Zeuge eines Vorfalls wurde, den die Behörden geheim halten wollten.

Amnesty Internationals stellvertretende Direktorin für Asien-Pazifik, Catherine Baber, sagte: „Die chinesischen Behörden müssen zeigen, dass die 376 Personen, die 2010 im Zusammenhang mit den Unruhen in der uigurischen Autonomen Region Xinjiang vor Gericht gebracht wurden, faire Verfahren bekommen haben und nicht nur einfach für die Ausübung ihrer Redefreiheit bestraft werden.“

Ulrich Delius sagte: „Die meisten Angeklagten würden in Europa straflos bleiben, da die ihnen zur Last gelegten Taten in Rechtsstaaten keine Strafdelikte sind. Doch in Xinjiang genügt es, Informationen über eine Demonstration an Journalisten weiterzugeben, um für Jahre hinter Gittern zu verschwinden. Mit dem weltweiten Krieg gegen den Terror hat dies meist nichts zu tun. Das ist eine Willkürjustiz, mit der Kritiker im eigenen Land mundtot gemacht werden sollen.“ (red)

www.uyghurcongress.org/de

www.gfbv.de

www.amnesty.org.uk

 



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