Britischer Geschäftsmann in China ermordet: Mutter verlangt Entschädigung – „Der KP-China kann man nicht trauen“

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Die Mutter des 2011 ermordeten britischen Geschäftsmannes Neil verlangt Entschädigung für die Familie des Opfers. Gu Kailai, die Ehefrau des ehemaligen Politstars Bo Xilai, hatte den Mord 2012 gestanden.Foto: Screenshot von NTDTV
Von 15. September 2014

Der Mord an dem britischen Staatsbürger Neil Heywood in China, der schon fast in Vergessenheit geraten ist, wird seit dem 11. September wieder sowohl in englischen Tageszeitungen erörtert, als auch in der South China Morning Post in Hongkong.

Ausgelöst durch eine Veröffentlichung im Wall Street Journal wendet sich der Blick nach China. Ann Heywood, die Mutter des damals 41-jährigen Geschäftsmannes Neil Heywood, hat mit einem Statement die chinesischen Behörden aufgefordert, endlich die versprochene Entschädigung für den Verlust des Sohnes zu zahlen.

Sie verlangt 30 Millionen Yuan, um den Lebensunterhalt der noch unmündigen beiden Kinder von Heywood zu sichern. Nach chinesischem Recht steht Hinterbliebenen in solchen Fällen eine finanzielle Entschädigung zu.

Neil Heywood wurde am 15.11.2011 in einem Hotelzimmer in Chongqing tot aufgefunden. Es hieß, er wäre an zu hohem Alkoholkonsum gestorben. Sein Leichnam war unmittelbar nach seinem Tod eingeäschert worden, was jede weitere Untersuchung zunächst unmöglich machte.

Ein Jahr später, im August 2012, hat Gu Kailai, die 53-jährige Ehefrau des inzwischen entmachteten Spitzenpolitikers Bo Xilai, den Mord vor Gericht gestanden. Das Urteil lautete auf Todesstrafe mit zweijähriger Gnadenfrist, die inzwischen abgelaufen ist. Auch Bo Xilai, der ehemalige Politstar in China wurde inzwischen wegen schwerer Korruption zu lebenslanger Haft verurteilt.

Ann Heywood stellt nun in ihrem Statement fest: „Ich habe verstanden, dass die Behörde keine Verantwortung tragen will und diesen Verlust als reine Privatsache betrachtet.“ Sie sagt weiter: „Es ist allgemein bekannt, dass China kein Rechtsstaat ist. So sind zum Beispiel alle von Zhou Yongkang [dem ehemaligen Sicherheitschef] gesteuert und abhängig, seine Familie, seine Freunde, seine Mitarbeiter. Sie sind bekannt für ihren Machtmissbrauch. Und alle sind abhängig von der Kommunistischen Partei. Da kann man nicht vertrauen.“ Sie fragt, „ob die Verschiebung der Entschädigung etwas zu tun hat mit den Kämpfen zwischen den Führungskadern in der KP?

Mit dieser Vermutung mag sie Recht haben.

Was bisher nie zur Sprache kam: Lukrativer Organhandel

Denn was bisher nie zur Sprache kam, und was fast alle Medien meiden, sowohl in China als auch im Ausland, ist der Hintergrund, der zu dem Mord führte.

Nach Berichten von Insidern hatte die Familie von Bo Xilai im Rahmen der Verfolgung von Falun Gong-Praktizierenden Unsummen im Organ- und Leichenhandel gescheffelt. Bo habe geplant, dieses Geld einzusetzen, um sich an die Macht zu putschen. Neil Heywood soll der Familie geholfen haben, mit einer Firma in Großbritannien Kunden im Ausland anzuwerben für Organtransplantationen in China, und das Geld für Bo und seine Frau ins Ausland zu transferieren.

Seit Jahren ist bekannt, dass in China eines der größten staatlich gedeckten Verbrechen verübt wird. Die in Arbeitslagern und Gefängnissen festgehaltenen Falun Gong-Praktizierenden werden „bei Bedarf“ ihrer lebenswichtigen Organe beraubt und dadurch getötet. Aufgedeckt wurde das Verbrechen schon 2006 in einer ersten Veröffentlichung von den kanadischen Anwälten David Kilgour und David Matas, die revidierte Fassung erschien 2007. 

Download: Untersuchungsbericht "Blutige Ernte" als PDF-Dokument

In dem Bericht kommen die Menschenrechtsanwälte zu dem Schluss, dass innerhalb von sechs Jahren rund 41.000 Personen wegen ihrer Organe ermordet wurden. Zu der ungeklärten Herkunft der Organe sagte David Kilgour in dem Untersuchungsbericht: „Die Anschuldigung des Organraubes an Falun Gong-Praktizierenden liefert uns eine Antwort." Falun Gong ist eine Meditationsart, die von der Kommunistischen Partei China aus Furcht vor Machtverlust seit 1999 in China verfolgt wird.

Die Nutznießer – die Spitze des Eisbergs

Das ungewöhnliche Vermögen von Bo Xilai und seiner Familie erregte bereits 2010 die Aufmerksamkeit der Parteiführung. Daraufhin sei Bo einer parteiinternen Untersuchung wegen Korruption unterzogen worden. Seine Ehefrau Gu Kailai soll wegen dieser Untersuchung sehr beunruhigt gewesen sein und paranoide Verdächtigungen gegen ihre Gewährsleute entwickelt haben. Sie habe Heywood aus Furcht vor Verrat vergiftet.

Auch der britische Geheimdienst soll seit 2010 die Geschäftsbeziehungen von Neil Heywood untersucht haben. Heywood bekam davon Kenntnis und versuchte, die Beziehungen zu Bo Xilai und Gu Kailai zu beenden.  Die Folge für ihn war tödlich.

Der Nebel um den Todesfall von Neil Heywood hat sich dann langsam aufgeklärt, nachdem der ehemalige Polizeichef Wang Lijun in Chongqing, rechte Hand von damaligen Regionschef Bo Xilai,  am 6. Februar 2012 im amerikanischen Konsulat in Chengdu Zuflucht gesucht hatte. Wang fürchtete sich vor der Rache seines Chefs Bo Xilai, nachdem es mit ihm zum Streit gekommen war.

Anhand der Hinweise, die Wang Lijun weitergegeben hat, konnte die chinesische Sicherheitsbehörde den Todesfall von Heywood noch einmal genau prüfen. Es gab Beweise dafür, dass Heywood ermordet wurde und Bos Ehefrau Gu Kailai hat den Mord dann 2012 vor Gericht gestanden.

Auch Wang Lijun, früher genannt der Superbulle,  wurde im Dezember 2012 zu 15 Jahren verurteilt. Wang stand wegen Fahnenflucht, Machtmissbrauch, Rechtsbeugung und Bestechlichkeit vor Gericht.
Unter anderem hat Wang gestanden, den Mord am britischen Geschäftsmann Neil Heywood gedeckt zu haben.

Chinas Tabu-Thema

Trotz gelegentlicher Lockerungen in Suchmaschinen bleibt Organraub und der lukrative Handel mit Organen in China bisher ein Tabu-Thema. Es geht letztlich um die Frage, wer dafür auch vor Gericht zur Verantwortung  gezogen werden könnte oder sollte. Alle Korruptionsfälle der letzten Monate hatten, zumal bei den Spitzenfunktionären der KP, auch zu tun mit der ungesetzlichen Verfolgung von Falun Gong und den Gewinnen, die daraus flossen. Aber in keinem der Fälle wurde dieses Thema jemals erwähnt.

Sollte es zu einer Umwandlung des Todesurteils gegen Gu Kailai in lebenslange Haft kommen, wird sicherlich wieder genauso verfahren. Alle wissen, um welche Gelder es sich handelte, die beim Mord an Neil Heywood und im Fall von Bo Xilai und Gu Kailai eine Rolle spielten, und alle schweigen.   

Eine Mutter fordert ihr Recht

Neil Heywoods Mutter geht mit ihrer Anklage gegen das Parteisystem in die Öffentlichkeit: „Die chinesischen Behörden haben, nebenbei bemerkt, mir gesagt, dass ich eine Zivilklage auf Schadensersatz vor die chinesischen Gerichte bringen könnte. Das ist absurd. Wie allgemein bekannt ist, genießt China keine Rechtsstaatlichkeit: Die chinesischen Gerichte und die gesamten Rechtsverfahren werden von der Kommunistischen Partei […] kontrolliert, und sie sind in keiner Weise unabhängig oder vertrauenswürdig.“



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