Chinas neueste TV-Beichte: Kritischer Reporter „gesteht“

Titelbild
Eine Wunde, die man an Reporter Chen Yongzhous Hals erkennen konnte, beunruhigte Chinas Internet-User am meisten.Foto: Weibo / Screenshot CCTV
Von 29. Oktober 2013

Es war eine selten mutige Geste: Am 23.Oktober hatte die chinesische Zeitung, der Neue Express, in fetten Lettern auf der Titelseite “Bitte lasst ihn frei” geschrieben. Gemeint war ein Reporter des Blattes, Chen Yongzhou, der verhaftet worden war, nachdem er in einer Artikelserie Korruption und dubiose Geschfäftspraktiken der chinesischen Baufirma Zoomlion unter die Lupe genommen hatte.

Ein paar Tage später hatte die Kommunistische Partei bereits Maßnahmen ergriffen: Die Zeitung war mundtot gemacht und der unangepasste Reporter zur TV-Beichte gezwungen worden: Im Staatsfernsehen CCTV erklärte er am 26. Oktober, er habe die Artikel gegen Geld veröffentlicht. Am nächsten Tag gab es wieder eine besondere Titelseite im Neuen Express – diesmal mit einer Entschuldigung: “Unsere Zeitung hat sich unangemessener Mittel bedient, welche die öffentliche Glaubwürdigkeit der Medien schwer beschädigt haben. Dies wird uns eine Lektion sein.”

TV-Beichte im Gefängnis

Der 27-jährige Chen Yongzhou wirkte bei der TV-Beichte auf CCTV zerknirscht. In Gefängniskleidung und mit geschorenem Schädel sagte er:“Keiner dieser Artikel wurde von mir geschrieben. Die Originale kamen von anderen Personen. Ich habe sie lediglich korrigiert und veröffentlicht.” Und später sagte er: “Ich bereue meine Taten zutiefst … und hoffe dass mein Beispiel der gesamten Medienbranche eine Lektion sein wird.” Und auch die Zeitung gelobte in ihrem Editorial Besserung: “Wir werden den Veröffentlichungsprozess in Zukunft strenger kontrollieren.”

Ungereimtheiten werfen Fragen auf

Chinesische Internet-User fragten unterdessen: Angenommen, Chen wäre wirklich schuldig, warum wurde dann der Amtsweg nicht korrekt befolgt? Wozu diese außerordentliche TV-Beichte? Auch beunruhigte die Online-Kommentatoren, dass sie eine blutige Wunde an Chens Hals entdeckten, die im Fernsehen deutlich zu sehen war. Das Schild mit der Aufschrift “Folter zum Erzwingen von Geständnissen ist verboten“, das es im gezeigten Zimmer gab, nahm sich da wie ein schlechter Scherz aus.

Analysten, die den Fall und seine Entwicklungen beobachteten, sehen darin einen Propaganda-Coup der Kommunistischen Partei. Schließlich ist Chens ungewollter Fernsehauftritt nur einer in einer Serie öffentlicher „Geständnisse“:

TV-Beichten gab es in letzter Zeit von Charles Xue, dem pro-demokatischen Geschäftsmann und Peter Humphrey, dem britischen Betreiber einer Finanzprüfungsfirma.

Rechtliche Vorschriften wurden außer Acht gelassen

Im Fall von Chen, dem kritischen Reporter, fand die Austrahlung seines Geständnisses sogar statt, bevor es irgendwelche juristischen Schritte wie Anklage und Verfahren gegeben hatte. Der chinesische Anwalt Si Weijiang sagte der South China Morning Post, dass Verhörprotokolle der Polizei vor der Gerichtverhandlung als Staatsgeheimnisse behandelt werden und nur Anwälte Zutritt zu den Tatverdächtigen haben. “Wer gab CCTV das Recht, diese Vorschriften außer Kraft zu setzten?” fragte er deshalb.

Möglicherweise steckt der Bau-Riese Zoomlion dahinter, gegen den die unangenehmen Veröffentlichungen gerichtet waren. Das Unternehmen hat einen Aktienwert von 42 Milliarden US-Dollar. Der Provinz-Regierung von Hunan gehörten im Jahr 2012 insgesamt 16 Prozent der Firmenanteile.



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