Dalai Lama richtet sich an „alle chinesischen Brüder und Schwestern im Geiste“

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Epoch Times27. April 2008

Der Dalai Lama richtete am 24. April während seines Aufenthalts in Hamilton, N.Y., einen „Appell an alle chinesischen Brüder und Schwestern im Geiste“. Wir geben hier den Wortlaut in einer Übersetzung wieder.

„Heute möchte ich einen persönlichen Appell an alle meine chinesischen Brüder und Schwestern im Geiste richten, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Volksrepublik China, und vor allem an die Anhänger des Buddha. Ich tue dies als buddhistischer Mönch und Schüler unseres über alles geschätzten Lehrmeisters, des Buddha. Ich habe bereits einen Aufruf an die chinesische Gemeinschaft insgesamt gerichtet. Heute nun appelliere ich an Euch, meine Brüder und Schwestern im Geiste, in einer dringenden humanitären Angelegenheit.

Das chinesische und das tibetische Volk teilen im Mahayana Buddhismus ein gemeinsames spirituelles Erbe. Wir verehren den Buddha des Mitgefühls – Guan Yin in der chinesischen Tradition und Chenrezig in der tibetischen Tradition – und sehen Mitgefühl mit allen leidenden Wesen als eine der höchsten spirituellen Tugenden an. Darüber hinaus habe ich, da der Buddhismus in China erblühte, bevor er über Indien nach Tibet kam, für die chinesischen Buddhisten immer die Achtung empfunden, die älteren Brüdern und Schwestern im Geiste gebührt.

Wie die meisten von Euch sicherlich wissen, begann am 10. März dieses Jahres eine Reihe von Demonstrationen in Lhasa, die sich dann über weite tibetische Gebiete ausbreiteten. Die Ursache dafür ist die tief greifende Verbitterung der Tibeter über die Politik der chinesischen Regierung. Ich war zutiefst betroffen durch die Todesfälle, unter Chinesen wie unter Tibetern, und habe sofort sowohl an die chinesische Regierung als auch an die Tibeter appelliert, Zurückhaltung zu üben. Ich habe insbesondere an die Tibeter appelliert, keine Gewalt zu auszuüben.

Leider hat die chinesische Regierung trotz der Aufrufe zur Zurückhaltung, die von vielen führenden Politikern der Welt, von NGOs und weltweit anerkannten Persönlichkeiten, darunter auch von zahlreichen chinesischen Wissenschaftlern ergingen, zu brutalen Methoden gegriffen, um der Lage Herr zu werden. Im Verlauf der Ereignisse sind viele Menschen zu Tode gekommen, viele wurden verwundet und eine große Zahl von Tibetern wurde inhaftiert. Das brutale Vorgehen geht weiter und hat insbesondere die klösterlichen Institutionen zum Ziel, die immer schon eine Quelle alten buddhistischen Wissens und buddhistischer Tradition waren. Viele von ihnen wurden bereits vollständig abgeriegelt. Uns liegen Berichte vor, dass viele der Festgenommenen geschlagen und misshandelt wurden. Diese repressiven Maßnahmen scheinen Teil einer offiziell sanktionierten und systematischen politischen Linie zu sein.

Da weder internationale Beobachter, noch Journalisten und nicht einmal Touristen nach Tibet reisen dürfen, bin ich in tiefer Sorge um das Schicksal der Tibeter. Vielen von denen, die während der Niederschlagung verwundet wurden, vor allem in den entlegenen Regionen, begeben sich nicht in medizinische Behandlung, weil sie zu große Angst davor haben, verhaftet zu werden. Zuverlässigen Quellen zufolge fliehen die Menschen in die Berge, wo sie weder Nahrungsmittel noch ein Dach über dem Kopf haben. Die Zurückgebliebenen leben in beständiger Furcht, die nächsten zu sein, die verhaftet werden.

Dieses anhaltende Leid meiner Landsleute erfüllt mich mit tiefem Schmerz. Ich bin in großer Sorge, wohin all diese tragischen Entwicklungen letzten Endes führen können. Ich glaube nicht, dass repressive Maßnahmen eine langfristige Lösung bewirken können. Der beste Weg ist, die Probleme zwischen den Tibetern und der chinesischen Führung durch Dialog zu lösen, wofür ich schon seit langem plädiere. Ich habe der Führung der Volksrepublik China wiederholt versichert, dass ich nicht die Unabhängigkeit für Tibet anstrebe. Was ich anstrebe, ist eine substantielle Autonomie für das tibetische Volk, die das langfristige Überleben unserer buddhistischen Kultur, unserer Sprache und unserer eigenen Identität als Volk sicherstellt. Die reiche tibetische buddhistische Kultur ist Teil des umfassenderen kulturellen Erbes der Volksrepublik China und hat das Potential, auch unseren chinesischen Brüdern und Schwestern zum Nutzen zu gereichen.

Angesichts der gegenwärtigen Krise appelliere ich an Euch alle, Euch für ein sofortiges Ende der anhaltenden Gewaltmaßnahmen einzusetzen, für die Freilassung aller Inhaftierten und für die sofortige medizinische Versorgung der Verwundeten.“




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