Der erste Weltkongress für Transplantationsmedizin in Boston wirft weitere Fragen auf

Von 3. August 2006

Das Hynes Convention Center in Boston war für knapp eine Woche Treffpunkt für über 6.000 Transplantationsmediziner aus aller Welt. Ein dichter Terminkalender ermöglichte es, dass innerhalb von 5 Tagen weit über 2500 wissenschaftliche Abhandlungen über den aktuellen Stand der Transplantationsmedizin, sogenannte Abstracts, vorgetragen werden konnten. Wer spezielle Fragen hatte, hat Antworten dazu gefunden, wer sich einen Überblick verschaffen wollte, konnte aus dem vielseitigen Programm entsprechende Themen auswählen. Die Flut von Transplantationswissen war überwältigend, und bedingt durch zahlreiche simultan ablaufende Veranstaltungen nicht zu bewältigen. Die Vortragenden repräsentierten die Elite der Transplantationsmedizin aus der ganzen Welt. Die Veranstalter des Weltkongresses, drei Transplantationsgesellschaften, verliehen bei dieser Gelegenheit verschiedene Preise für außerordentliche Forschungsbeiträge oder für das Lebenswerk einiger weniger Transplantationsmediziner.

Chinas illegale Praktiken kein Geheimnis

Zwischen den Veranstaltungen hatten die Mediziner Zeit, weiter zu diskutieren. Dabei rückte der ethische Aspekt der Transplantationsmedizin verstärkt in den Mittelpunkt. Insbesondere die Herkunft von Spenderorganen hat Fragen an die Transplantationsmedizin aufgeworfen. Es war kein Geheimnis unter den Medizinern, dass in China Organe von hingerichteten Gefangenen entnommen und für die Transplantation verwendet werden. Dieses wird seit mehr als 15 Jahren in China praktiziert. Einer der drei Kongressveranstalter, The Transplantation Society, hatte sich bereits in der Vergangenheit von dieser Praxis distanziert. In der Satzung der Gesellschaft heißt es, dass Organspende nur mit freier Einwilligung erfolgen dürfe, und das diese freie Willenäußerung in der Gefangenschaft nicht gewährleistet sei.

Eine neue Dimension der illegalen Organspende wurde erst kürzlich aus China bekannt. In dieser Praxis werden Falun Gong-Praktizierenden in Arbeitslagern für die Organentnahme ausgewählt und ihnen die Organe, ohne jegliche Form von Einwilligung des „Spenders“, entnommen. Dieses wurde in der Vergangenheit auch aus anderen Ländern berichtet, doch waren es bisher nur vereinzelte Fälle. In China hat diese Methode seit 2001 eine landesweite Systematik erreicht, was auch erklärt, warum in einem Land, in dem mit traditionell konfuzianischer Zurückhaltung kaum Organe gespendet werden, in den letzten Jahren die Zahlen von Transplantationen förmlich explodierten.

Keine Toleranz für unethisches Handeln

Ein Transplantationsmediziner aus der chinesischen Großstadt Tianjin berichtete stolz von pro Jahr 2.000 Lebertransplantationen in seinem Krankenhaus. Vor dem Hintergrund der chinesischen Praktik wird man diese stolze Bemerkung mit anderen Augen betrachten müssen. Ein Vergleich dazu: in ganz Deutschland werden pro Jahr weniger als 1.000 Lebertransplantationen durchgeführt, in Argentinien sind es nur 200 pro Jahr. Da stellt sich die Frage, wo kommen all’ die Lebern her?

Fast alle Teilnehmer des Weltkongresses wurden durch Falun Gong-Praktizierende an den Eingängen zum Convention Center auf diese neuen illegalen Praktiken aus China hingewiesen. Unter den teilnehmenden Ärzten herrschte die klare Position, dass derartige Praktiken nicht zu tolerieren sind und den Ruf der Transplantationsmedizin schädigen. Es bestand auch Übereinstimmung, dass jegliche Forschungsergebnisse in der Transplantationsmedizin, die auf derartigen Praktiken beruhen, nicht von der wissenschaftlichen Welt akzeptiert werden dürfen. Das mag auch der Grund dafür sein, warum über 20 gedruckte Präsentationen von Forschungsergebnissen, sogenannte Poster, von chinesischen Medizinern zurückgezogen wurden.

Was ist erlaubt, wer trägt die Verantwortung?

Abgesehen von den ethischen Konflikten, die die jüngsten Methoden aus China mit sich bringen, wurden auch die Auswirkungen der illegalen Organentnahme auf die Medizin diskutiert. Wenn in China weiterhin systematisch Organe von Lebenden geraubt werden, könne das auch allgemein das Vertrauen der Patienten in die Transplantation schädigen und zu Phobien, sogenannten fixierten Ängsten, führen, und das auch bei Organempfängern, die ihr Organ nicht aus China erhalten haben. Nach wie vor hängt die Transplantationsmedizin von Organspenden ab und die jüngsten aus China gemeldeten Methoden werfen die Frage auf, was in der Transplantationsmedizin erlaubt ist und wo sie Verantwortung trägt, Leben mit ethischen Mitteln zu schützen und sich von illegalen Praktiken zu distanzieren.



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