Die Gedanken des Volkes reinigen

Goldene Taube für den Frieden an den Kroaten Viktor Ivancic
Titelbild
Viktor Ivancic, Mitherausgeber und Chefredakteur der kroatischen Satirezeitung Feral Tribune (Foto: Feral Tribune)
Von 4. Mai 2007

„Na, was gibt es Neues?“ frage ich Darko, den Besitzer des netten Jazz-Cafés bei mir um die Ecke. Als Antwort hält er mir die aktuelle Ausgabe der kroatischen Wochenzeitung Feral Tribune entgegen. Mit einem großen Foto von deren Chefredakteur Viktor Ivancic, denn der ist in diesem Jahr Gewinner einer „Goldenen Taube für den Frieden“. Er wird den Preis erhalten für seinen unerschütterlichen Einsatz für die Pressefreiheit in der jungen Republik Kroatien.

„Und wer ist Viktor Ivancic?“ frage ich. Da geht Darkos hübsche Ehefrau schnell mit mir in das nächste Internetcafé und übersetzt mir eine Stelle aus seinem Buch „Vita activa“, das von dem Leben eines Agenten von UDBA, der jugoslawischen Stasi, erzählt: „Du kannst diesem Volk die Augen öffnen, sooft du willst. Aber dieses Volk öffnet Bierflaschen, sonntags in der Kirche läuft ihnen der Geifer im Mund zusammen und die Hand des Bischofs wird abgeschmatzt. Und an anderen Tagen vergöttert es seinen schiefmundigen Faschisten und dessen kriminelle Bande [Anm.d. eine Anspielung auf Franjo Tudjman, Kroatiens ersten Präsidenten]. Es vergöttert sie über alle Maßen, verstehst Du? Katholische Kirche und autoritäre Macht sind für dieses Volk die vollkommene Konzeption des Glücks.“ Gemeint ist das kroatische Volk nach dem Ende der KP-Herrschaft in Jugoslawien. Der Autor Viktor Ivancic lässt es seinen Protagonisten in dem Buch „Vita activa“ (erschienen 2005) schreiben, gedacht als Spiegel für viele seiner Landsleute.

In einer Reihe mit anderen Hoffnungsträgern

Viktor Ivancic wird seine „Goldene Taube für den Frieden“ bei der Preisverleihung am 6. Juni in Rom erhalten. Die „Goldenen Tauben für den Frieden“ (Premio Giornalistico Colombe d’Oro per la Pace) werden seit 1986 alljährlich von dem renommierten italienischen Institut Archivio Disarmo verliehen. Das Archivio Disarmo, eine wissenschaftliche Einrichtung für internationale Forschung und Recherche, setzt sich international für friedliche Lösungen in politischen Konflikten und für Völkerverständigung ein. Die „Goldenen Tauben für den Frieden“ werden in vier Kategorien an bekannte Persönlichkeiten, Journalisten, Schriftsteller und Medienmitarbeiter verliehen, die mit ihrer Arbeit auch diese friedlichen Ziele verfolgen. Als Preisträger in der internationalen Kategorie befanden sich gleich zu Beginn Olof Palme, Nelson Mandela und Michail Gorbatschow, später zum Beispiel auch Amnesty International, die Bruderschaft des Franz von Assissi und UNO-Waffeninspekteur für den Irak, Hans Blix.

Ein Mann und eine Zeitung

Die journalistische Karriere des 1960 geborenen Viktor Ivancic ist eng verbunden mit der Geschichte der satirischen, kroatischen Wochenzeitung Feral Tribune, die sogar in Deutschland an manchen Zeitungskiosken zu haben ist. Ivancic, studierter Elektroingenieur, brachte sie 1984 zusammen mit Velimir Marinkovic zunächst als Doppelseite in der Tageszeitung Slobodna Dalmacija (Freies Dalmatien) heraus. Die kritische Haltung von Slobodna Dalmacija gegenüber der damaligen Regierung führte unter anderem zu einem Überfall der regierenden Partei HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) auf die Büros der Zeitung. An der Spitze der Partei befand sich seinerzeit der demokratisch gewählte Staatspräsident Franjo Tudjman, der einst als Kampfgenosse Seite an Seite mit Josip Broz Tito gestanden hatte.

Dieser Überfall beschleunigte die Gründung von Feral Tribune als eigenständige Wochenzeitung im Juni 1993. Mitbegründer war wieder Viktor Ivancic. Das Erscheinen von Feral Tribune als Wochenzeitung bedeutete nach den harten Zeiten im ehemals kommunistischen Mehrvölkerstaat Jugoslawien und dem Beginn der Republik Kroatien im Jahr 1991 einen Durchbruch in der Pressefreiheit in diesem Land, das in Sachen Demokratie noch auf der Schulbank sitzt. Unter ihrem Chefredakteur Viktor Ivancic ist Feral Tribune bekannt für ihren vehementen Einsatz für die Pressefreiheit, einem Grundpfeiler jeder Demokratie. Ivancic brachten seine vielen regimekritischen Artikel in all den Jahren jede Menge Schikanen und Morddrohungen, öffentliche Verbrennung des Blattes und politisch motivierte Prozesse ein. Er hat sich nicht abbringen lassen von seinem erklärten Weg, „die Gedanken des kroatischen Volkes zu reinigen.“

Shit of the Week

Unter dieser Rubrik erscheinen in Feral Tribune, der „Laternen-Zeitung“, allwöchentlich Zitate und Geschichten, die nicht unbedingt zur Ehre der Dargestellten gereichen. In dieser Woche ist darin zu lesen: „Wir können nicht warten, bis unsere Kinder das 18. Lebensjahr vollendet haben, damit wir sie dazu bringen, Soldat zu werden, sondern wir müssen das in ihrer Schulzeit machen.“ Diese Meinung vertrat kürzlich der kroatische Verteidigungsminister Berislav Roncevic in der bekannten kroatischen Zeitung Vecernji List.

Ein Spion konvertiert

Kehren wir zurück zum Buchzitat am Anfang. Es gehört zu Ivancics faszinierender Geschichte eines Spions, der immer mehr in die Haut seines Opfers, eines Journalisten und Schriftstellers, schlüpft, der sich sogar das Hemd des von ihm auszuspionierenden „Objekts“ überzieht und dessen Abwesenheit nutzt, um in seinem Bett zu schlafen. Mit der Folge, dass er Akten über das vermeintliche Opfer seiner Spionagetätigkeit nicht an seine Auftraggeber weiterreicht und mit der Zeit seine Aufgabe als Agent des Staatssicherheitsdienstes gegenüber diesem Journalisten nicht mehr ausführen kann und will. Eine gelungene Demontage des Hässlichen, erzählt von dem zukünftigen Träger einer „Goldenen Taube für den Frieden“. Schon wegen dieser Geschichte hat sich der Besuch in Darkos Jazz-Café für mich gelohnt.



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