Die neue schizophrene Führerschaft in China

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Xi Jinping hat über Reformen gesprochen, aber nicht über politische.Foto: Wang Zhao/Getty Images
Von 19. Januar 2013

Der neue Boss hat in China jetzt das Sagen und aus gutem Grund wollen die Menschen unter Xi Jinpings neuer Führerschaft nun auch Änderungen sehen. Anders als seine Vorgänger Hu Jintao und Jiang Zemin beginnt Xi seine Regierungszeit als Chinas unangefochtener höchster Führer. Er ist gleichzeitig der Oberste der Regierung, der Partei und des Militärs.

Xi Jinping hat hochfliegende Träume und will sich mit den wichtigsten Figuren der Chinesischen Kommunistischen Partei (KPCh) messen. Xis erste Änderung sind neue Regelungen für Rede und Betragen.

„Rede wie eine Person“

Nur im kommunistischen China ist es wichtig, einem Beamten beizubringen „wie eine Person zu reden“. So jedenfalls hat Xi seine Kader instruiert. Von nun an sind die Parteibeamten angehalten, keine langen Texte mehr vom Blatt zu lesen oder eingeübte Parteidoktrinen vorzutragen, die überquellen von langweiligem Parteijargon. Die Beamten sind dagegen aufgefordert, ein relativ einfaches Chinesisch zu verwenden, authentischer zu wirken und sich kürzer zu fassen. Für diese Änderung hat Xi viel Befall bekommen. Die Menschen wollen kein eintöniges Gerede der Kader, das unverständlich ist und keine Ende hat.

Xi hat weitere acht Gesetze für das Politbüro und seine 25 obersten Parteiführer festgesetzt, mit dem Ziel, diese hochfliegende Gruppe zur Erde zurückzubringen. Alle Politbüro-Mitglieder wurden aufgefordert, auf Forschungsreise zu gehen und die wahre Situation im Land kennenzulernen. Auf ihrer Reise soll ihnen kein roter Teppich ausgelegt werden, sie sollen keine Willkommens-Zeremonie erhalten und auch kein extravagantes Bankett.

Nationale Konferenzen und große Veranstaltungen werden strikter kontrolliert und es soll weniger davon geben. Ohne Genehmigung dürfen Politbüro-Mitglieder den Zeremonien, zu denen sie eingeladen werden, nicht beiwohnen. Auf solchen Veranstaltungen sollen die Treffen kürzer und ohne bedeutungslose Reden abgehalten werden. Schriftsätze und Berichte ohne Substanz sollen nicht produziert und propagiert werden.

Besuchen Politbüro-Mitglieder andere Länder, wird die Größe der Delegation streng kontrolliert. Die Mobilisierung von chinesischen Studenten, Schülern und Chinesen aus der Umgebung für Willkommens-Parties am Flughafen ist verboten. Die Sicherheitskräfte sollen weder den Verkehr unterbrechen, noch Straßen blockieren oder Geschäfte schließen. Nur wenn nötig, soll über Aktivitäten von Politbüro-Mitgliedern berichtet werden und die Sendezeit soll kurz sein. Parteimitglieder sollen öffentlich keine Bücher herausbringen, Reden abhalten oder Glückwunsch-Briefe, Zitate oder Autogramme weitergeben, wenn dies nicht von der Partei koordiniert ist. Mitglieder müssen die Gesetze bezüglich Wohnen, Transport und Lebensstandard strikt einhalten.

Kritiker glauben nicht, dass diese Gesetze einen großen Einfluss haben werden. Sie sind vage formuliert und sehr wenige Menschen oder Organisationen haben die Möglichkeit, die 25 mächtigsten Personen im Land zu überwachen. Unter Chinas gegenwärtigem politischen System haben sich Selbstprüfung und Disziplin als wirkungslos herausgestellt wenn es um Beschränkungen geht – ein Appell an die Moral kann nicht versichern, dass die neuen Gesetze befolgt werden. Die Lösung wäre ein neues System, nicht neue Gesetze. Hätte China eine freie Presse, freie Wahlen und eine unabhängige Gerichtsbarkeit, wären solche Gesetze gar nicht notwendig. Jedes Mal in der Vergangenheit, wenn Gesetze in der Art, wie sie Xi eben herausgab, in die offiziellen Dokumente und Reden Einzug hielten, war sie Situation in Wirklichkeit außer Kontrolle.

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Tagträumer

Xi möchte, dass jeder nach dem strebt, was er den chinesischen Traum nennt: die Wiedergeburt eines großartigen Chinas. Xis erster öffentlicher Auftritt nach dem Erhalt der Macht war, dass er alle Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros – die sieben Männer, die die KPCh anführen – zu einer Ausstellung mitnahm. Die Ausstellung trug den Titel: „Die große Straße der chinesischen Wiedergeburt“. Die Ausstellung dokumentiert wie frühere KPCh-Führer zur Wiedergeburt eines großartigen Chinas beigetragen haben. Während des Besuchs ging Xi besonders auf Mao Zedong ein und zitierte ein Gedicht von ihm. Dasselbe tat er später bei weiteren Anlässen, um zu demonstrieren, wie angetan er war von Maos Ideen und von seinem Geist. Natürlich wurden auf der Ausstellung die Katastrophen und Massaker nicht erwähnt, die Mao und Deng auf das chinesische Volk niedergehen ließen, um eigene Träume zu verwirklichen.

Xis Traum lockte eine Antwort hervor. Chinas angesehenste Zeitung, Guangdong Province’s Southern Weekly, schrieb ein Editorial zum Neujahr. Darin wurde eine Regierung verlangt, die sich an ihre Verfassung hält. Das wurde als Traum für China bezeichnet. Die Macht der KPCh stünde über der Verfassung, hieß es weiter. Eine Regierung basierend auf Gesetzen wäre deshalb unmöglich.

Der Propaganda-Zar der Partei in Guangdong schrieb das Editorial um. Als die Zeitung diese offizielle Zensur auf ihrem Mikroblog kritisierte, wurde ihr die Kontrolle über den Blog entzogen. Dies wiederum führte zu weiteren Protesten, einem Streik bei der Belegschaft der Southern Weekly und Sympathiebekundungen von Zeitungen aus dem ganzen Land, wie berichtet. Der wachsende Tumult war ein Test für Xis Worte. Xis Traum, wie Maos und Dengs vor ihm, ist nicht unbedingt ein Traum, den die meisten Chinesen teilen.

Großspurige Reformer

Während Xi deutlich Mao als Führer von China verehrt, folgte er auf seiner ersten Reise der Route von Deng Xiaoping auf dessen berühmter südlicher Tour nach Shenzhen in der Provinz Guangdong. Diese Tour hatte Dengs Wirtschaftspolitik nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens gestärkt. Xi Jinping besuchte Dengs Denkmal und lobte Dengs Beitrag zu Chinas Wirtschaftsreformen auf das Höchste.

Auf seiner Reise hielt sich Xi an seine Gesetze. Er nahm seine Tochter mit und seine Frau, aber nur wenige Beamte. Auch die Medienberichterstattung war auf ein Minimum begrenzt. Interessant war, dass Xi während und nach seiner Reise erklärte, Dengs Ausspruch, „mit den Füßen nach Steinen tastend den Fluss zu überqueren“, wäre nach wie vor die Erfolgsformel für eine Reform in China. Was soviel heißt wie: es gibt keine Gesetze, denen man folgen müsste. Der Führer wählt immer das aus, was für sich und seine Partei von Vorteil ist.

Im Namen der Erschaffung einer kommunistischen Gesellschaft hat Mao über fast drei Jahrzehnte hinweg Wohlstand und Macht vom chinesischen Volk genommen und der Partei übergeben. Dengs Ära konnte die Macht der Partei erfolgreich halten und führte zu einer Vermögensumverteilung auf die Familien mit guten Beziehungen zur Partei und deren Freunden. Natürlich profitieren auch Menschen, die für jene arbeiten, die das Vermögen im Namen der Bildung einer kommunistischen Gesellschaft mit chinesischer Ausprägung kontrollieren.

Xi wurde der Name „Reformer“ gegeben, aber wenn Xi über Reformen spricht, dann spricht er darüber, die korrupten Beamten zu betrafen und über administrative Reformen. Über politische Reformen schweigt er. Ohne eine freie Presse und unabhängige Gerichte ist der Kampf gegen Korruption jedoch ein verlorener Kampf. Anstatt politischer Reformen sind die Chinesen mit einer stärkeren Kontrolle des Internets und Medienzensur konfrontiert.

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Verbindende Gegensätze

Mao und Deng stehen für zwei gegensätzliche Vorgehensweisen. Mao führte landwirtschaftliche Produktionsgemeinschaften ein; Deng löste sie auf und ließ die Menschen ihre eigenen Felder bewirtschaften. Mao befahl Stahlproduktion in Hinterhöfen, Deng öffnete China für ausländische Investoren und groß angelegte Wirtschaftsprojekte. Xi scheint einen Weg gefunden zu haben, die verschiedenen „Wiedergeburten“ in Einklang zu bringen, die Mao und Deng für die Partei brachten. Als er zu den 300 Obersten der chinesischen Regierung sprach, bezeichnete er Maos erste 30 Jahre und Dengs zweite 30 Jahre der kommunistischen Regierung als ständige Bemühung der Chinesen, einen Sozialismus mit chinesischer Ausprägung weiterzuentwickeln. Xi behauptete weiter, die ersten und zweiten 30 Jahre des Kommunismus stünden nicht im Gegensatz zueinander. Sicherlich würden weder Mao noch Deng damit einverstanden sein, wären sie noch am Leben.

Diese Einteilung des chinesischen Regimes in zwei Epochen lässt auf bequeme Weise die Begriffe seiner unmittelbaren Vorgänger Jiang Zemin und Hu Jintao verschwinden. Beide werden behandelt als Auswüchse der Deng-Ära. Xi taucht als Führer seiner eigenen Ära auf. Xis Autonomie in seiner eigenen Geschichte über die KPCh erlaubt ihm, seinen eigenen Standpunkt gegenüber den Giganten Mao und Deng zu behaupten. Xi kann Maos Gedanken und Dengs Theorien auf die Art verwenden, die am besten zu ihm passt. Offenbar hofft Xi, Mao für den Kampf gegen jeden benutzen zu können, der die Macht des kommunistischen Regimes in Frage stellt oder politische Reformen fordert. Deng kann er dazu benutzen, ökonomische und administrative Reformen durchzusetzen. Xi geht davon aus, dass er Mao und Deng braucht, um mit der Krise, in der sich sein Regime und auch er selber gegenwärtig befinden, fertig zu werden.

 

Michael Young, ein Chinesisch-Amerikanischer Schreiber, lebt in Washington, D.C., schreibt über China und Sino-US-Beziehungen.



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