Erhöhte Gehalte an Naturstoffen in Fisch potentiell krebserregend

Lebensmittelchemiker an der Universität Stuttgart-Hohenheim untersuchten Speisefische in Aquakulturen
Titelbild
Die Haltung von Speisefischen in kleinen eingezäunten Teichen in Küstennähe, die sogenannte Aquakultur, wird immer mehr zum Problem. Dass für die Schrimpszucht, wir hier auf dem Foto, der natürliche Mangrovenwald an den Küsten weichen muss, bedeutet einen massiven Eingriff in die Lebewelt der Meeresbewohner. Durch die hohe Fischdichte in den Teichen und vermehrtem Kontakt mit Algen und Schwämmen reichern die Tiere bestimmte polybromierte organische Substanzen in ihrem Gewebe an. Eine weitere Folge des gestörten Gleichgewichts im Welt-Ökosystem. (SEBASTIEN BLANC/AFP/GETTY IMAGES)
Von 11. Januar 2007

Lebensmittelchemiker an der Universität Stuttgart-Hohenheim fanden in Speisefischen erhöhte Werte an potentiell krebserregenden Stoffen. Dabei handelt es sich um so genannte polybromierte organische Substanzen, die bereits aus der Herstellung von Flammschutzmitteln für Armaturenbretter oder PC-Gehäuse als künstliche Stoffe bekannt und seit 2004 EU-weit verboten sind. Die jetzt entdeckten Stoffe sind jedoch natürlichen Ursprungs. Außerdem scheinen sie gerade erst das geschätzte Meer-Aroma bei Meeresfrüchten hervorzurufen. Dass sie oft in höheren Konzentrationen auftreten als die gerade verbotenen Schadstoffe, hängt vermutlich mit der Überfischung der Meere und daraus folgender stetiger Zunahme an Aquakulturbetrieben zusammen.

So fand das Forschungsteam vom Institut für Lebensmittelchemie an der Hohenheimer Uni unter Leitung von Professor Dr. Walter Vetter im Fett von Seefischen vereinzelt Gehalte von bis zu 1 mg/kg an halogenierten Naturstoffen, die den in Flammschutzmittel verwendeten Verbingunen oft massiv ähneln.

Auslöser der Untersuchung waren Kontrollen des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, die bei Proben von Speisefischen aus dem Mittelmeer auf rätselhaft hohe Werte organischer Substanzen gestoßen waren. Hilfe suchend wandte sich das Überwachungsamt an den Lebensmittelchemiker der Universität Hohenheim, der die gefundenen Stoffe nach mehreren komplexen Untersuchungen als polybromierte Substanzen natürlichen Ursprungs identifizieren konnte.

„Einige polybromierte Naturstoffe unterscheiden sich nur um wenige Atome von den Chemikalien, die von Menschenhand gemacht wurden“, sagt Vetter in der Pressemitteilung der Universität. Bislang hätte allerdings niemand damit gerechnet, dass sie sich in Meeresfischen anreichern und so auf dem Teller der Verbraucher landen könnten. Denn eigentlich werden diese Substanzen nur von niederen Organismen wie Algen, Schwämmen oder Würmern produziert, um Feinde abzuschrecken.

Dass sich diese Stoffe jetzt mitunter in beachtenswerten Mengen in Meeresfischen finden, „dazu trägt der Mensch mit der Fischzucht bei“, so der Professor. Erdgeschichtlich hätten sich diese Verbindungen evolutionär im fein abgestimmten Ökosystem Meer entwickelt und wurden von der Natur bislang im Gleichgewicht der Kräfte gehalten. Aufgrund der Überfischung der Meere gingen jedoch immer mehr Fischproduzenten dazu über, Fische in eingezäunten Aquakulturen in Küstennähe zu züchten – also genau im Lebensraum von Meeresalgen und Schwämmen, die polybromierte Substanzen erzeugen.

„Fische, die sich frei im Meer bewegen, weisen zumeist wesentlich geringere Gehalte an halogenierten Naturstoffen auf“, sagt Professor Dr. Vetter. Die Aquakultur kaserniert die Meeresfrüchte dagegen an Orten, wo sie polybromierten Substanzen konstant ausgesetzt sind.

Wie der Übertragungsweg von Algen, Würmern oder Schwämmen zum Fisch ist, sei noch nicht gänzlich erforscht. „Wir können aber sicher sein, dass die durch Überfischung der Meere immer intensiver betriebene Fischzucht einer der Gründe für das vermehrte Auftreten in Speisefisch ist.“

Erstaunt waren die Hohenheimer Wissenschaftler auch über Testergebnisse von Extrakten, wie etwa Haileberöl oder Algentabletten. Wegen ihrer hohen Konzentration an Eiweiß, Vitaminen und Omega3-Fettsäuren werden die Nahrungsergänzungsmittel gern als Wundermittel angepriesenen. Dabei wiesen vereinzelte Proben noch höhere Werte auf als die am höchsten belasteten Speisefische.
Was diese Entdeckungen für den Menschen bedeuten? „Klar ist, dass sich die bromierten Verbindungen im Fettgewebe anreichern“, erklärt Vetter. Dass eine akute Gefährdung für den Verbraucher bestehe, könne aber noch nicht gesagt werden: „Dazu müssen erst umfassende toxikologische Untersuchungen erfolgen. Wir werden das im Auge behalten“, bekräftigt der Hohenheimer Wissenschaftler.



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