Gao Zhisheng, Anwalt für Menschenrechte in China: „Ich ziehe den Hut vor Edward McMillan-Scott“

Interview von Gao Ling mit Gao Zhisheng über den Besuch des Vizepräsidenten des Europaparlaments in China
Titelbild
Seit einem halben Jahr wird der chinesische Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng wegen seiner offenen Haltung gegen das chinesische KP-Regime Tag und Nacht von einem Schwarm von Geheimagenten bewacht. Gao über McMillan: "Er hat nicht diese typische diplomatische Ausdrucksweise angewandt, um die Menschenrechtsverletzungen der KPC zu beschreiben. Deswegen habe ich besondere Achtung vor ihm." (Foto: Epoch Times)
Von 5. Juni 2006

Edward McMillan-Scott, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, besuchte vom 20. – 24. Mai China. Während seines Aufenthalts traf er sich mit Falun Gong-Praktizierenden und hatte geplant, Gao Zhisheng, den bekannten Menschenrechtsanwalt, zu treffen; wozu er jedoch keine Gelegenheit hatte.

Nach seiner Reise sprach der Vizepräsident auf einer Pressekonferenz in Hongkong über die Falun Gong-Praktizierenden, die seit dem Treffen mit ihm vermisst werden, ebenso über die Lage der Menschenrechte in China, über den zunehmenden Trend in der chinesischen Bevölkerung, sich von der Kommunistischen Partei China (KPC) loszusagen und über die gegenwärtige Lage der KPC.

Am 29. Mai 2006 nahm Gao Zhisheng in einem Interview mit Gao Ling von The Epoch Times zu diesen Themen Stellung.

The Epoch Times: Herr Gao, wie schätzen Sie die Situation ein, nachdem Edward McMillan-Scott, Vizepräsident des Europaparlaments, aus China abgereist ist?

Anwalt Gao: Zunächst möchte ich Edward McMillan-Scott meinen persönlichen Respekt aussprechen.

Nachdem der US-Kongress eine Resolution verabschiedet hat, in der sie meine Aktionen unterstützt, habe ich die amerikanische Regierung leicht kritisiert. Manche haben mich beschuldigt, ich sei arrogant und undankbar, aber sie haben mich einfach nicht verstanden.

Ich werde vor Herrn McMillan-Scott den Hut ziehen, wenn ich die Gelegenheit habe, ihn persönlich zu treffen, denn er sorgt sich nicht nur um mich, sondern um eine noch größere Gruppe von Opfern. Das ist es, worauf es wirklich ankommt. Ich werde den gleichen tief empfundenen Respekt gegenüber den westlichen Politikern und Regierungen zum Ausdruck bringen, die dieselbe Wahl treffen oder dieselbe Handlungsweise an den Tag legen. Wie ich bereits in einem meiner früheren Artikel gesagt habe, ist diese Verfolgung [von Falun Gong-Praktizierenden in China] nicht nur ein Unglück, das eine Bevölkerungsgruppe oder ein Volk betrifft, sondern eine Schande und ein Unglück für die ganze Menschheit.

Wenn man die Probleme löst, mit denen ich im Moment zu kämpfen habe, wird das nicht das Ende dieser Verfolgung sein. Die chinesische kommunistische Regierung hat nämlich keinesfalls die Verfolgung gegen Falun Gong reduziert, seitdem ich sie aufgefordert habe, diese Unterdrückung zu beenden. Stattdessen fährt das kommunistische Regime tagtäglich damit fort, eine Katastrophe nach der anderen zu verursachen.

The Epoch Times: In früheren Interviews haben sie mehrmals gesagt: „Ich mag Edward McMillan-Scott, diesen Europäer, sehr gerne.“ Ich kann Ihren tief empfundenen Respekt regelrecht spüren.

Anwalt Gao: Richtig. Die Furcht vor der brutalen faschistischen Schreckensherrschaft der Kommunistischen Partei Chinas findet sich nicht bloß bei dem chinesischen Volk. Verzeihen Sie mir meine Offenheit, aber die gleiche Furcht lässt sich bei vielen westlichen Politikern ausmachen. Herr McMillan-Scott jedoch ist anders. Offen gesagt, erlebe ich bei ihm echte Menschlichkeit.

Als Politiker und Vizepräsident des Europaparlaments hat sich Herr McMillan-Scott nicht der banalen politischen Phrasen bedient, um die Tyrannei der KPC oder die erbärmliche Menschenrechtslage in China zu umschreiben. Das ist es, was ich an ihm am meisten bewundere. Er hat nicht diese typische diplomatische Ausdrucksweise angewandt, um die Menschenrechtsverletzungen der KPC zu beschreiben. Deswegen habe ich besondere Achtung vor ihm.

In einem Interview legte er gegenüber den Medien sehr eingehend dar, dass die Tyrannei der chinesischen KP schon in wenigen Monaten beendet sein könnte. Das ist eine sehr erfrischende und andere Beurteilung und Sichtweise. Ich war immer der Ansicht, dass dies ein Zeitalter ist, in dem Gott und Mensch zugleich auf dieser menschlichen Ebene existieren. Als Politiker erwartet man in der Rede von McMillan viel Vorsicht. In meinen Augen muss seine Voraussage eine Botschaft des Himmels sein.

Als ich von der Rede erfuhr, die er auf einer Pressekonferenz hielt     http://www.dieneueepoche.com/articles/2006/05/28/25046.html, sagte ich zu meiner Frau Genghe, wenn die KPC in ein paar Monaten oder ein paar Jahren zusammenbricht, dann werde ich ihm als erstes zwei Flaschen besten chinesischen Wein bringen und mit ihm anstoßen!

Warum geht er an die Öffentlichkeit? Von all’ den westlichen Politikern ist McMillan-Scott der einzige, der ausdrücklich seine Meinung kundtat, dass die KPC zusammenbrechen wird, und er war nicht darum bemüht, seine Meinung zu verstecken. In Zukunft werden wir die Auswirkung seiner Reden in der Welt außerhalb Chinas sehen.

The Epoch Times: McMillan hat sich während seines Aufenthaltes in China mit zwei Falun Gong-Praktizierenden getroffen, um sich über ihre persönliche Erfahrung als Opfer der Verfolgung von Falun Gong durch die KPC zu informieren. Das ist das erste Mal, dass ein westlicher Würdenträger diesen Schritt macht.

Anwalt Gao: McMillan-Scott und ich haben dieselbe Voraussage über die KP in China gemacht. Wir haben noch etwas gemeinsam. Als Falun Gong in China zu einem Tabu-Thema wurde und ich erfuhr, dass Falun Gong zu einer Gruppe von Opfern des brutalen Völkermords durch die chinesische KP wurde, habe ich nicht gezögert, in der Öffentlichkeit die Wahrheit zu enthüllen. Falun Gong wurde in der Internationalen Gesellschaft zum Tabu-Thema und als alle Politiker in der Welt vermieden, über dieses Thema zu sprechen, setzte McMillan ein Exempel, indem er die Verfolgung von Falun Gong enthüllte. Das ist etwas, was uns beiden wirklich gemeinsam ist.

Er ist der erste namhafte westliche Politiker, der sich persönlich mit Falun Gong-Praktizierenden in China getroffen hat und deren Verfolgung in der Öffentlichkeit und in den Medien angesprochen hat. Er unternahm den langen Weg nach China, um eine Gruppe zu verstehen, die in China am schärfsten und brutalsten unterdrückt wird und um die schrecklichen Fakten der Verfolgung gegenüber Falun Gong-Praktizierenden zu erfahren.

Er fand auch ein Opfer wie Niu Jinping. (Die Verfolgung, der Niu Jinping unterworfen war, ist noch nicht die allerschlimmste. Ich kenne Niu Jinping. Ich habe mit ihm telefoniert. Seine Ehefrau war von sehr schlimmer Folter betroffen.)

Er enthüllte, was er über die Verfolgung gegenüber Niu Jinping erfuhr. Das ist wirklich zu bewundern. Er hat seine große Barmherzigkeit damit gezeigt.

Er hat damit Angriffe und Verleumdungen von anderen westlichen Politikern riskiert, die über Chinas Verfolgung von Falun Gong zugunsten des obszönen Umfangs von Vorteilen aus China geschwiegen haben. [Das hat er getan], um seine Betroffenheit über Falun Gong, die am brutalsten verfolgte Gruppe, zu artikulieren. In gewisser Weise unterliegt er noch einem höheren Druck als ich.

The Epoch Times: Wenn Sie Gelegenheit zu Kontakt mit McMillan-Scott erhielten, was würden Sie ihm gerne sagen?

Anwalt Gao: McMillan-Scott hat einiges von der Realität in China mitgekriegt und er hat die Wahrheit über die tyrannische Natur von Chinas KP vorgeführt, ebenso Chinas Verfolgung von Falun Gong. Ich hoffe, er wird weiterhin darüber sprechen. Er ist keine Privatperson wie ich. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Er hat sich zu Falun Gong geäußert, einer Gruppe von schwer verfolgten Opfern. Gottheiten und Menschheit werden ihn immer im Gedächtnis bewahren!

Und bitte, übermitteln Sie McMillan-Scott meinen Wunsch. Ich lege ihm ans Herz, dass er meine drei Offenen Briefe über Falun Gong liest. Diese Briefe sind meine Untersuchungsberichte.

Außerdem möchte ich ihn noch um einen Gefallen bitten. Da er ein Mann in einer gewissen Position ist, hat er viele Gelegenheiten, Mogule der westlichen Politik zu treffen. Ich hoffe, er wird in Betracht ziehen, diese drei Briefe auf Englisch, Deutsch und Französisch an diese westlichen Politiker zu übermitteln, sodass sie sich moralisch nicht mehr heraushalten können und für ihr Schweigen keinerlei Entschuldigung mehr haben!

Ich hoffe, westliche Politiker werden ernsthaft darüber nachdenken, ob es mit den moralischen Werten der Menschheit in Einklang steht, China die Durchführung der Olympischen Spiele zu erlauben. Wenn China Falun Gong weiterhin verfolgt und das chinesische Volk durch Unterdrückung weiterhin am Kampf für seine Rechte hindert,
ist es dann nicht eine moralische Entscheidung, ob man China die Durchführung der Olympischen Spiele gestattet?

Wir können McMillan-Scott und durch ihn anderen westlichen Politikern sagen, dass das Jahr, in dem China die Olympischen Spiele zu Gast hat, das schlimmste Jahr in Bezug auf die Situation der Menschenrechte sein wird. Während aller wichtigen Ereignisse werden Millionen von Chinesen, so auch ich, ihrer persönlichen Rechte beraubt sein.

The Epoch Times: Wie es hieß, plante McMillan, Sie persönlich zu treffen. Nachdem zwei Falun Gong-Praktizierende verschwunden waren und ein westlicher Übersetzer ausgewiesen wurde, war er jedoch um Ihre Sicherheit besorgt. Natürlich gab es auch noch andere offensichtliche Gründe, die ihn an einem Treffen mit Ihnen hinderten. Wenn Sie gewusst hätten, dass McMillan sich mit Ihnen persönlich treffen wollte, hätten Sie sich um ein Treffen mit ihm bemüht?

Anwalt Gao: Ich würde versuchen, mich mit ihm zu treffen, ohne Rücksicht auf Gefahr. Zuletzt wollte der UN-Sonderberichterstatter über Folter (http://www.dieneueepoche.com/articles/2005/12/02/6807.html ) mit mir persönlich sprechen. Die Geheimagenten von Chinas KP versuchten, mich einzuschüchtern und ein Treffen zu vereiteln, indem sie einen Verkehrsunfall auf der Autobahn inszenierten, aber sie konnten mich nicht von meinem Ziel abbringen, den UN-Sonderbotschafter für Folter zu treffen.

Diesmal hatte ich nicht die Chance eines Treffens mit McMillan-Scott und die beiden Falun Gong-Praktizierenden, mit denen er zusammen kam, sind nun vermisst. Ich denke aber, er hat schon die wahre Lage der Menschenrechte in China erlebt, genau des Landes, das die EU wegen seiner „Fortschritte bei den Menschenrechten“ so lobte. Auch habe ich gehört, dass McMillan die Freilassung der zwei Falun Gong-Praktizierenden forderte, aber wir müssen uns einen Aspekt vor Augen halten. Darüber sind sich alle, auch McMillan-Scott, völlig im Klaren. Diese beiden vermissten Falun Gong-Praktizierenden sind nur die winzige Spitze des Eisbergs. In China ist keiner sicher, der Falun Gong praktiziert!

The Epoch Times: Sollte McMillan noch einmal die Möglichkeit eines China-Besuches haben, was sollte er dann Ihrer Meinung nach tun?

Anwalt Gao: Sofern er die Möglichkeit einer China-Reise erhält, hoffe ich, dass er die Erfahrung macht, welch ein Gefühl es ist, rund um die Uhr von Geheimagenten verfolgt zu werden. (Er kichert) Nowak hat erlebt, wie ich von einer ganzen Schar von Geheimagenten verfolgt wurde. Während ich jetzt mit Ihnen spreche, befindet sich eine Schar von Bier trinkenden männlichen und weiblichen Geheimagenten unten in meinem Haus.



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