Gedicht über Ängste der KP wird Hit im chinesischen Internet

Titelbild
Auch das Riesen-Quietsche-Entchen, das 18 Meter hoch von September bis Oktober in Peking zu sehen war, hatte Bewacher ...Foto: Mark Ralston AFP / Getty Images
Von 12. November 2013

Ein Gedicht eines anonymen Autors macht dieser Tage im chinesischen Internet Furore. Es tauchte kurz vor dem „3. Plenum des Zentralkomitees“ der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) online auf.

Das Gedicht beschreibt detailliert, wovor Chinas Herrschende zur Zeit Angst haben – und kommt auf eine ganze Menge Punkte: Natürlich werden weder Institutionen noch Personen namentlich erwähnt, um die Zensur zu umgehen. Doch erschließt sich, was gemeint ist. Der Text wurde innerhalb kurzer Zeit populär. Zahlreiche Blogger und Weibo-Nutzer leiteten das Gedicht weiter. Hier eine Übersetzung, unten Anmerkungen zum besseren Verständnis.

Wovor sie Angst haben

Sie haben Angst vor Bomben, sie haben Angst vor Wahlzetteln

Sie haben Angst vor dem Erinnerungsvermögen älterer Menschen

Und Angst vor den Ideen und Visionen der Jugend

Sie haben Angst vor Beerdigungen und frischen Blumen auf den Gräbern

Sie haben Angst vor Arbeitern

Angst vor Bauern

Angst vor Wanderarbeitern

Angst vor allen Menschen außerhalb des Systems

Sie haben Angst vor Literatur

Sie haben Angst vor Kunst

Sie haben Angst vor Sprache als Kommunikationsmittel

Sie haben Angst vor dem Platz [des Himmlischen Friedens]

Angst vor Dokumentationsfilmen

Angst vor Gasflaschen und der Sprite-Flasche*

Sie haben Angst vor Gott

Angst vor Menschen mit Glauben

Sie haben Angst vor Malern

Angst vor Künstlern

Sie haben Angst vor Videokameras und Youtube

Sie haben Angst vor Technik

Angst vor freier Information und Kommunikation

Angst vor dem Internet

Angst vor SMS an Empfänger-Gruppen

Angst vor Surf-Tools

Angst vor Blogs und Twitter

Sie haben jedes Jahr Angst vor März und Juli**

Sie haben Angst vor dem 4. Juni

Sie haben Angst, dass Fremde reinkommen

Sie haben Angst, wenn das Volk rausgeht

Sie haben Angst vor Links

Sie haben Angst vor Rechts

Sie haben Angst, wenn die Soldaten ihre Waffen niederlegen

Sie haben Angst, wenn die Soldaten ihre Waffen heben

Sie haben Angst vor den eigenen Genossen

Sie haben Angst vor der eigenen Polizei

Sie haben Angst vor Bittgesuchen

Sie haben Angst, dass später Fragen auftauchen

Angst, dass die Lügen ans Licht kommen

Sie haben Angst vor Volksabstimmungen

Sie haben Angst vor freiem Geist

Sie haben Angst vor politischen Gefangenen

Sie haben Angst vor den Familien der Gefangenen

Sie haben Angst vor Menschen mit schlechtem Gewissen

Angst vor der Wissenschaft

Sie haben Angst vor der Vergangenheit

Sie haben Angst vor der Zukunft

Sie haben Angst vor morgen früh

Sie haben Angst vor morgen Abend

Sie haben Angst vor Intellektuellen

Sie haben Angst vor Rock´n Roll

Was ist los mit ihnen?

Sie haben Angst vor den Menschen auf der Straße

Und vor denen zu Hause, hinter verschlossener Tür

Sie haben Angst, wenn das Volk etwas schreibt

Sie haben Angst, wenn die Leute laut sprechen

Sie haben Angst, wenn sich Menschen versammeln

Angst vor Licht

Angst vor Liebe

Angst vor schweigendem Protest

Angst vor Gedenkfeiern

Angst vor Ehrlichkeit und Gerechtigkeit

Sie sind nun nervös

Sie haben Angst, dass das Volk von der Wahrheit erfährt

Sie haben Angst, dass das Volk regieren wird

Sie haben Angst, dass wir sie mit allem konfrontieren

Wenn das so ist, warum sollten wir Angst vor ihnen haben?

Anmerkungen:

* Die erwähnte „Sprite-Flasche“ bezieht sich auf das sogenannte „Selbstverbrennungsvideo“ aus dem Jahr 2001, das die KPCh drehte, um Hass gegen die Anhänger der Falun Gong-Bewegung zu schüren. Ein Mann hatte sich angeblich selbst mit Benzin aus einer Sprite-Flasche angezündet – die Flasche hätte in diesem Fall vor Hitze schmelzen müssen. Im Film ist die grüne, unversehrte Plastikflasche deutlich erkennbar.

** „Angst vor März und Juli“ hat die Partei, weil im März der jährliche Volkskongress stattfindent und am 1. Juli der Gründungstag der KPCh ist. Am 4. Juni 1989 war das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens. „Frische Blumen auf den Gräbern“ flößen dem Regime Furcht ein, weil sie zeigen, dass die Opfer nicht vergessen wurden.



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