Mit politischer Unterstützung: 130.000 Anzeigen gegen Chinas Ex-Staatschef Jiang Zemin

In China rollt eine Anzeigenwelle gegen das Ex-Staatsoberhaupt Jiang Zemin (88), die schon jetzt historisches Ausmaß erreicht hat. Offensichtlich wird sie von der amtierenden Regierung unterstützt.
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Chinas Ex-Staatschef Jiang Zemin (88) wurde seit Anfang Mai von Hunderten Chinesen angezeigt: "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und "Massenmord" lautet der Vorwurf.Foto: FREDERIC J. BROWN / AFP / Getty Images
Von und 17. August 2015

Beobachter sagen: Chinas Staatschef Xi Jinping ist dabei, in der Gesellschaft die richtige Stimmung für eine Verurteilung Jiangs zu schaffen. Jiang ist der „größte Tiger“, der in Xi Jinpings Korruptionsjagd beseitigt werden soll. Er hat noch Jahre seit seiner Amtszeit (1989-2004) Chinas Politik aus dem Hintergrund mitbestimmt. Zugunsten seiner Machtinteressen und auf Kosten des Volkes.

Seit Ende Mai bis heute gingen gegen ihn über 130.000 Anzeigen bei Chinas oberster Staatsanwaltschaft oder dem Obersten Gerichtshof ein. „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und „Massenmord“ werden Chinas Ex-Oberhaupt vorgeworfen, weil es im Jahr 1999 die Verfolgung von Falun Gong startete, in der es zu schwersten Menschenrechtsverletzungen, massenhafter Folter und sogar Organraub an Lebenden kam.

Von der Verfolgung der buddhistischen Bewegung sind in China geschätzte 100 Millionen Falun Gong Übende betroffen. Alle Anzeigen, die gegen Jiang gemacht wurden, kommen von Menschen, die direkt oder indirekt Opfer wurden, selbst gefoltert wurden oder Angehörige verloren haben. Die Verfolgung von Falun Gong dauert bis heute an. Siehe dazu: „Massenmörder!“ – Hunderte Chinesen klagen gegen Ex-Staatschef Jiang

Warum jetzt?

Auslöser für die Welle waren zwei Gesetzesänderungen: Zunächst wurde am 1. Mai das juristische Vorgehen bei Strafanzeigen neu geregelt: Chinas Höchster Gerichtshof bestimmte, dass Strafverfahren in Zukunft eröffnet werden, ohne vorher auf politische Brisanz geprüft zu werden und absolut jede Anzeige aktenkundig wird.

Am 27. Mai erklärte die Behörde außerdem, dass „Bürger deren Rechte verletzt wurden“ pro Tag ein Regelsatz von 219,72 Yuan Entschädigung zusteht. Dies betrifft Menschen, die widerrechtlich in Gefangenschaft waren oder auf andere Art von Behörden unrechtmäßig festgehalten wurden. Millionen Falun Gong-Anhänger haben somit Anspruch auf Schadensersatz.

Die Klagen gegen Jiang wurden ab dem 28. Mai eingereicht, bis zum 9. Juli waren es mindestens 60.165 Personen (hauptsächlich Falun Gong-Praktizierende und ihre Angehörigen) die insgesamt 48.261 Anzeigen erstatteten. Dokumentiert wurde dies durch die Falun Gong-Website Minghui.org, welche Kopien der Anzeigen erhielt. In den ersten drei Wochen waren es knapp 10.000, in den nächsten drei waren es 10.000 bis 20.000 Anzeigen pro Woche, Tendenz steigend. Die Anzeigensteller sind meistens aus China, 567 der Anzeigen kamen aus 21 Ländern weltweit.

Interessant ist, dass es bisher keine erkennbaren oder organisierten Racheakte gegen die Anzeigenden gab. In Einzelfällen wurden sie am Postamt behindert oder von der Polizei befragt. Im Gegenteil, die Aktion wird im Hintergrund gefördert.

Ratgeber: Wie verklage ich einen Beamten?

Am 7. Juli veröffentlichte die Disziplinar-Kontrollabteilung auf ihrer Website einen FAQ-Artikel, der Tipps gab, wie man als Bürger Korruption anzeigen kann. Solche Ratgeber-Artikel gab es schon öfter, allerdings beantwortete dieser die neuen Fragen „Nützt eine Anzeige überhaupt? Kann die Sicherheit des Anzeigenstellers gewährleistet werden?“ mit der aktuellen Antwort: „Selbst wenn eine große Zahl an Anzeigen und Petitionsunterlagen eingeht, erhält jeder Anzeigensteller eine Identifikationsnummer und eine Eingangsbestätigung. Persönliche Daten werden vertraulich behandelt.“

Auf Nachfragen haben Hotlines des Gerichtshofs oder der Korruptionsjäger außerdem erklärt, dass „jegliches Verhalten, das private Post behindert, illegal und unzulässig“ sei, so Minghui.

Unterstützung kam auch im Internet: Am 12. Juli fand man bei der Suchmaschine 360 unter dem Begriff „Anzeigewelle gegen Jiang Zemin“ entsprechende Artikel. Am 13. Juli folgten entsprechende Suchtreffer auf Baidu, sogar bei sonst zensierten Auslandswebsites wie NTDTV. Auch unter dem Suchwort „Jiang nächster großer Tiger“ wurde man fündig.

Staatstrauer um Jiang-Gegner

Interessant ist vor diesem Hintergrund auch, wie zwei prominente Todesfälle innerhalb der KP behandelt wurden: Am 15. Juli starb mit 99 Jahren Wan Li, langjähriges Mitglied des Politbüros und Weggefährte Maos. Vormittags hatte Staatschef Xi dem Bewusstlosen noch mit allen sechs ständigen Mitgliedern des Politbüros einen Besuch am Sterbebett abgestattet. Wem wurde schon jemals solche Ehre zuteil?

Wan Li war, wie der im Juni verstorbene Qiao Shi (91), ein Erzfeind Jiang Zemins gewesen. Gemeinsam mit anderen alten Kadern hatten sie dagegen protestiert, dass Jiang im Ruhestand weiterhin Chinas Politik dirigierte.

Wan Li hatte sich vor dem Tiananmen-Massaker gegen die Niederschlagung der Studentenbewegung ausgesprochen. Als die Entscheidung zum Blutvergießen fiel, war er gerade im Ausland. Wieder in Shanghai angekommen, wurde er vom dort regierenden Jiang tagelang im Hotel eingesperrt, damit er nicht nach Peking fliegen und intervenieren konnte. Erzfeindschaft war die Folge.

Als Qiao Shi letzten Monat mit 91 Jahren starb, gab es pompöse Nachrufe und Würdigungen. Er war einer der „acht Unsterblichen“ der Partei gewesen. Er habe nur zwei politische Wünsche für China, hatte er vor seinem Tod geäußert: „Die Verfolgung von Falun Gong muss aufhören und Jiang endlich vor Gericht.“



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