Nervosität der Parteiführung kurz vor Olympischen Spielen

Titelbild
Rauch steigt auf, nachdem das örtliche Büro für Sicherheit un Weng'an in Brand gesteckt wurde. (Foto: DJY)
Von 5. Juli 2008

Peking wünscht besonders harmonische und erfolgreiche Olympische Spiele. Kurz vor den Spielen ist die Parteiführung nervös bei jeder Unruhe im Land. Deshalb sollen die Kommunen Bürgerproteste auf Anweisung der Partei auf jeden Fall unterbinden. Ein unerwarteter Aufstand von etwa 100.000 Menschen in der kleinen Kreisstadt Weng’an hat seit dem 28. Juni die Führung in Peking äußerst unruhig gemacht. Nicht nur, weil fast ein Viertel der 460.000 Einwohner das Kreises sich beteiligt haben, sondern auch wegen der dadurch ausgelösten Massenempörung gegen die Partei in den chinesischen Internetforen.

Tod einer 15-jährigen Schülerin

Der Auslöser des Aufstands war der Tod des 15-jährigen Mädchens Li Shufen, einer Schülerin in der Gemeinde Yuhua. Sie starb am 21. Juni und ihre Leiche wurde vor einer Brücke in dem Fluss Ximen gefunden. Sie soll vergewaltigt und ermordet worden sein. Die drei als Mörder Verdächtigten kamen einige Stunden nach der Festnahme wieder frei. Es heißt, sie seien mit führenden Personen in der Partei und in der Behörde für öffentliche Sicherheit verwandt. „Es war Selbstmord“, entschied der Amtsarzt.

Tote und Verletzte nach Polizeieinsatz

Die amtliche Feststellung eines Selbstmordes der Schülerin konnte die Bevölkerung der kleinen Stadt nicht befriedigen. Sie versammelten sich am 28. Juni vor dem Gebäude der Behörde für öffentliche Sicherheit und forderten eine plausible Erklärung. Die Ablehnung seitens der Behörde empörte die aufgebrachten Menschen, sie setzten Polizeifahrzeuge und die Gebäude der Behörde in Brand.

„Rund 3.000 Polizisten und paramilitärische bewaffnete Polizisten schlugen die Demonstration nieder. Tränengasbomben und Elektrostöcke wurden eingesetzt. Mindesten drei Demonstranten kamen ums Leben, mehr als 150 wurden verletzt und rund 300 festgenommen“, so berichtete ein Demonstrationsteilnehmer namens Wang im telefonischen Interview der Epoch Times.

„Sie lügen wie gedruckt“

Kurz nach dem Geschehnis in Weng’an kommentierte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua den Vorfall als „Ereignis von Prügeln, Zerstörung, Raub und Brandstiftung“. Die lokale Regierung verkündete sofort, das sei eine schwerwiegende Straftat, die Täter sollten sich selbst bei der Polizei zu ihren Straftaten bekennen und die Bevölkerung sollte die Anstifter der Unruhen anzeigen. Dem Bericht der Guizhou-Tageszeitung vom 30. Juni zufolge haben der Vorsitzende des Ausschusses für Politik und Recht der KP, Zhou Yongkan, und der Minister für öffentliche Sicherheit unmittelbare Anweisungen gegeben.

„Um die Wahrheit zu erfahren, muss man die Weng’aner Einwohner fragen“, sagt die Einwohnerin Zhou der Epoch Times. „Was die Behörden verbreiten, ist nur wirres Zeug. Die Bevölkerung ist vollkommen enttäuscht von der Regierung. … Alle Kommentare im Internet, die die Wahrheit wiedergeben, werden sofort gelöscht. Üblich geblieben ist nur Müll von Leuten, die wie gedruckt lügen. Das ist eben das, was die Regierung braucht.“

Aufstandsteilnehmer Wang weist darauf hin, dass offizielle Flugblätter über eine angebliche Geschichte des Selbstmordes der Schülerin Li in Weng’an verteilt werden. Die Einwohner sollten diese unterschreiben. Außerdem sollten die Einwohner auch unterschreiben, dass die Familienangehörigen der Schülerin keine Unruhe anstiften sollen. Der Onkel der Schülerin wurde im Laufe der Auseinandersetzungen von der Polizei und Unbekannten geschlagen und starb im Krankenhaus.

Dem Hongkonger Informationszentrums für Demokratie und Menschenrechte zufolge hat die Behörde gleich nach dem Ereignis angefangen, sehr viele Demonstrationsteilnehmer zu verhaften. Sie versuchten nach Videoaufnahmen die Leute zu identifizieren. Ein Teil der Festgenommenen sei schon zu den Untersuchungsgefängnissen in Dujun und Fuquan gebracht worden. „Wir machen uns große Sorgen, dass einige der Inhaftierten die Todesstrafe bekommen könnten, so wie nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989“, sagt der Vorsitzende des Informationszentrums in Hongkong. In der Tat sei das ein bürgerlicher Aufstand gegen Unrecht durch die Behörde.

Empörung in chinesischen Internetforen

„Erst heute habe ich richtig kapiert, dass statt Schwarz Weiß gemalt werden kann. … Als ich die behördliche Rede las, wollte ich ihnen einen richtigen Fausthieb verpassen, hier geht es um zwei Menschenleben!“

„Ihr Gerede besteht aus offensichtlichen Lügen. Nur Bekloppte werden diese Lügen glauben. Warum sollte diese Schülerin Selbstmord begehen? Warum durften die Familienangehörigen nicht in der (offiziellen) Pressekonferenz sprechen? Warum konnte der Sprecher nicht einmal einen richtigen Satz sprechen, als er in der Pressekonferenz die angebliche Geschichte erzählte?“

Das patriotische Gefühl der Bevölkerung, das in den letzten Monaten durch den Olympischen Fackellauf und das Erdbeben stark geschürt wurde, wird durch den 28. Juni-Vorfall ebenso stark verletzt: „Die Berichte über das Erdbeben in dem letzten Monat haben mich richtig emotional getroffen. Ich habe naiv daran geglaubt, dass die Regierung sich tatsächlich verbessert hat, die Menschen wach geworden sind und die Gesellschaft nun Hoffnung hat. Aber jetzt das 28.Juni-Ereignis hat mir wieder deutlich gezeigt, wie die Regierung, die Bevölkerung und die Gesellschaft wirklich sind. Das ist traurig!“

Offene Erklärungen des Austritts aus der Partei kommen auch im Internet-Blog vor: „Seit dem 28. Juni habe ich gesehen, wie das chinesische Volk in dieser dunklen Gesellschaft am Ersticken ist. Sie wissen gar nichts von der Wahrheit. Dieser „Diener des Volks“ (so nennt sich die KPCh selbst) kontrolliert seine Herren bereits vom Kindergarten über die Grundschule, Mittelschule, Universität, Arbeitsstelle bis zum Ende des Lebens. Bei den Jungendpionieren muss man schon schwören, für die Partei das Leben zu opfern, weiter geht es damit im Jugendverband. Ich glaube nun lieber an das, was die Unterdrückten gesagt haben und erkläre hiermit, aus den Jugendpionieren und dem Jugendverband auszutreten.“

Wandlung der Partei?

Zwar werden die kritischen Kommentare kurz nachdem sie in die Internetforen gestellt wurden, von dem Webverwalter gelöscht, doch werden die Stimmen immer lauter. Die Sache kann nicht ohne weiteres vertuscht werden, das ist eine schwierige Situation für die Zentralregierung.

Nachrichten von Xinhua zufolge sollte das Parteikomitee der Provinz Guizhou erklären, dass eine gründliche Ermittlung gegen die Verantwortlichen der lokalen Regierung, die bei diesem Vorfall ihre Pflicht versäumt und ihre Macht missbraucht haben, eingeleitet werde. Es werde vorgeschlagen, den Präsidenten der Behörde für öffentliche Sicherheit der Kreisstadt Weng’an zu entlassen. Die verantwortlichen Parteifunktionäre würden nach der Vorschrift der disziplinarischen Strafe der Partei bestraft. Der Parteisekretär der Provinz Guizhou gebe den dauerhaften Machtmissbrauch und Misshandlungen gegen die Bevölkerung durch die lokalen Kader und Polizisten als tatsächliche Auslöser dieses Ereignisses zu. „Eine drei Fuß dicke Eisschicht ist nicht das Ergebnis eines einzigen Frosttages“, sagt man dazu in China.

Bezeichnet diese Wandlung der Meinung der Partei zu der Sache eventuell den Sieg der mutigen Internetblogger? Dazu sagt der politischer Kommentator Shi Zhangshan zur Epoch Times: „Obwohl das Ministerium für öffentliche Sicherheit sofort den Befehl gegeben hat, alle Internetinformationen über diesen Vorfall zu blockieren, haben die noch schnelleren und standhaften Reaktionen der Internetbenutzer den Erfolgt erzielt, dass die Kritik gegen die Regierung blitzschnell das ganz Land erreicht hat. Soweit in China die Foren existieren, werden wir weiter dort schreiben, dazu sind viele Internetbenutzer entschlossen.“

Die unaufhörliche Kritik weiter Bevölkerungskreise erzeugt höchsten Druck auf die äußerst nervöse Pekinger Regierung kurz vor den Olympischen Spielen. Aber die Blogger lassen nicht locker: „Wir wollen die Wahrheit wissen“, schreiben sie.



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