Perfektion aus Leidenschaft

Ein Gespräch mit der Strick-Expertin Ursula Laudien
Titelbild
Schottenrock mit Pepp - und Tüll... (Laudien Berlin)
Von 26. September 2007

Ein großer weißer Raum in Berlin-Charlottenburg: Kleiderständer, in schützende Folien gehüllt; Schneiderpuppen zwischen Kartonstapeln – in dieser kreativen Atmosphäre trafen wir die Designerin Ursula Laudien bei den Vorbereitungen zur Eröffnung ihres neuen Showrooms.

Die charismatische Frau, die sich gerne im Hintergrund hält, entdeckte früh ihre Leidenschaft fürs Handarbeiten, gelangte aber auf Umwegen zum Mode-Design: „Es gab mal eine Zeit noch vor meinem Studium, da hab ich Pullover gestrickt wie´n Weltmeister – damals konnte ich mir nicht vorstellen, dass es Leute gibt, die teure Pullover kaufen würden…“

Gleich nach ihrem Studium wurde sie von „Marc Cain“ engagiert. Das damals noch kleine Team entwickelte die Marke gerade vom reinen Strick- zum individuellen FirstClass-Label. „Das war der ideale Rahmen, um Erfahrungen zu sammeln.“ Eine ganze Liste renommierter Namen, für die sie in den darauf folgenden Jahren arbeitete, ließe sich anfügen.

Ob sie vor hatte, in der internationalen Modeindustrie Karriere zu machen? Sie antwortet verschmitzt: „Vor hatte ich eigentlich das, was ich heute mache!“ Allerdings wurde ihr mit wachsender Professionalität immer klarer, wie schwierig es sein würde, etwas nachhaltiges, eigenes auf die Beine zu stellen, ohne dabei das große Geld im Rücken zu haben.

Schließlich kam der Punkt, an dem sie ihren Traum mit aller Authentizität leben konnte. Unter dem Namen „Laudien Berlin“ bietet sie heute maßgefertigtes Strick-Design aus edelsten Garnen an; Stammkunden hat sie auch im europäischen Ausland und den USA. Der Reiz beim Stricken liegt für sie darin, „dass man aus dem Nichts gestalten kann. Ohne Zuschneiden kann man direkt dreidimensionale Formen entstehen lassen, Strukturen und Farben kann man frei bestimmen.“

Ihre Spezialität ist die Verbindung von Strick und Stoff, die sie besonders spannend findet. So entstehen unzählige Kombinationsmöglichkeiten: harmonisch abgestimmte Farbthemen bilden die Basis, auf der Frau Laudien gemeinsam mit der Kundin den individuellen Stil herausarbeitet. Falls ein Teil mal nicht vorrätig ist, wird einfach nachgefertigt… Ihre Kollektion beinhaltet alles: von der alltagstauglichen Strickjacke über Pullis, Schals und Stulpen bis zum transparenten Abendkleid mit Metallfäden. Dazu passend gibt es Shirts und Unterkleider aus Seidenjerseys, Blusen und Tunikas, Cacheures und Corsagen
aus edlen Stoffen.

Oft hat ein Bekleidungsstück mehrere Gesichter und kann von der Trägerin durch Wickeln und Verknoten je nach Stimmung und Anlass umgestaltet werden. Durch Verarbeitung als Double-Face hat man gleich zwei Stücke in einem, zum Beispiel mit gemusterter oder schlichter Seite. Aber auch ganz klassische Kostüm-Kombinationen mit Rock und Blazer oder Hosen-Anzüge findet man bei Laudien Berlin.

Direkt an der Kundin werden Silhouetten und Proportionen erprobt. Nicht schwierig bei diesem Fundus.

Man merkt, sie hat eine kreative Antwort für jeden Anlass und jede Trägerin. Da ohnehin die wenigsten Frauen die berühmte Größe 36/38 haben, fängt die Herausforderung für die Designerin bei den „Schönheitsfehlern“ der Kundin an: Durch ihre reichhaltige Kollektion hat Frau Laudien einen wahren Fundus parat, mit dem sie direkt an der Kundin Silhoutten und Proportionen erproben kann. Dadurch kann sie gezielt die Stärken und Schönheiten der Figur zur Geltung bringen – egal ob eine Hüfte breit oder schmal, die Brust üppig oder klein ist. Zum Schluss entsteht immer eine Harmonie mit unnachahmlichem Charakter, und das Gut-Aussehen bringt einen Wohlfühl-Effekt mit sich: Oft kaufen sich ihre Kundinnen gleich mehrteilige Outfits und kommen immer wieder, um ihre Garderobe zu ergänzen.

Der spontane Ausruf einer älteren Dame wurde zur heiteren Anekdote: „Danke! Jetzt weiß ich, wie ich im Optimum aussehe!“ Es gibt noch viel zu tun in der Mode… Typisch für ihre Mode ist die flächige, schnörkellose Schnittgestaltung, bei der es immer darum geht, den Eigencharakter der verwendeten Stoffe und Garne in Szene zu setzen. Auf den zweiten Blick offenbaren ihre Kreationen extravagante Details wie ungewöhnliche Kantenverarbeitungen und Spezial-Zutaten, die sie eigens anfertigen lässt: Keramik- und Gummi-Knöpfe, eckige Perlmutt-Stäbchen und Titanverschlüsse veredeln die Kleidungsstücke. Garne und Stoffe bezieht sie meist aus Italien und Frankreich, und die Materialien sind vom Feinsten: Seide und Leinen gehören zu den Favoriten, aber auch Hightech-Gewebe mit Metallanteil können einem begegnen. Experimentierfreude ist ein Markenzeichen ihrer Arbeit: „Egal wie lange man diesen Beruf macht, man stößt immer wieder auf neue Überraschungen und Herausforderungen.“ Deshalb widmet sie einem entstehenden Teil viel Zeit und ändert auf der Schneiderpuppe immer wieder, bis sie mit dem Resultat zufrieden ist. Diese Aufmerksamkeit und Liebe zum Detail spürt man in jedem Stück ihrer Kollektion.

Direktes Eintreten gegen inflationären Konsum

Mit ihrer geradlinigen Design-Philosophie tritt Ursula Laudien dem inflationären Konsum direkt entgegen. Stil und Kultur in der Bekleidung zu pflegen; etwas Wertvolles, Verlässliches zu schaffen, ist ihr Herzensangelegenheit: „Es muss möglich sein, abgetragene Lieblingsteile wieder herzukriegen oder durch was Passendes zu ersetzen.“ Diesen Ruhepol des Vertrauten in einer reizüberfluteten Welt möchte sie als Designerin ihren Kundinnen bieten.

Wie sieht sie als Insiderin eigentlich die Beziehung von Mensch und Mode heute? Machen die Menschen noch die Mode oder der Modemarkt das Menschenbild? Ihre Antwort ist durchaus optimistisch: „Der Konsument hat sehr viel Macht, weil er aufgeklärter als früher ist. Zwar haben die Stars und Sternchen großen Einfluss, aber die Modeindustrie kann nicht wissen, was in den Köpfen der Leute passiert: Die Trends werden immer noch auf der Straße gemacht.“



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