Preisverleihung für Zivilcourage

„Was ich erlebt habe, das trägt mich“
Titelbild
Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert (5.v.li.), übergibt Ehrenurkunden der "Aktion Gemeinsinn" Gruppenfoto mit den Preisträgern Hans de Boer, (re.), Uwe Schwabe, (2.v.re.), Altbischof Ignacy Jez, (3.v.re.), der Tochter in Vertretung ihres Vaters Bogdan Borusewicz, (4.v.re.), Waltraud Mehling, (3.v.li.), dem Ehrenvorsitzenden der Aktion Gemeinsinn Prof. Dr. Carl-Christoph Schweitzer, (3.v.li. hinten), Frau Parl. Staatssekretärin a.D. Cornelie Sonntag-Wolgast, (2.v.li.), Frau Parl. Staatssekretärin a.D. Christel Riemann-Hanewinckel, (li.). (Foto: Lichtblick/Achim Melde)
Von 15. März 2006

„Zivilcourage ist die praktische Anwendung von Gemeinsinn“, mit diesen Worten eröffnete Bundestagspräsident Lammert am Donnerstag, den 9. März eine ehrenvolle Preisverleihung des Vereins „Aktion Gemeinsinn, e.V.“ in Berlin.

Geehrt wurden neben drei Preisträgern aus Deutschland auch zwei aus Polen, die in der Vergangenheit und bis in die Gegenwart hinein Zivilcourage bewiesen haben. Mit der Preisverleihung sollte auch in dieser Weise die leidvolle Geschichte zwischen Polen und Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg zur Aussöhnung geführt werden.

Der polnische Altbischof Dr. Ignaz Jez, geboren 1914, nahm als Ältester die Ehrung entgegen für sein Verhalten als junger Priester, als er fünf Jahre lang im KZ Dachau in der Krankenstube vielen Menschen das Überleben der NS-Besatzung ermöglichte. In seinen Dankworten sprach er von Vergebung und von Versöhnung zwischen Polen und Deutschen.   

Ebenfalls in der Nazi-Zeit leistete der Deutsche Hans de Boer, geboren 1925, im verborgenen Widerstand und er trug nach dem zweiten Weltkrieg viel zur Aufklärung der Nazi-Verbrechen bei, engagierte sich in aller Welt für Arme und Benachteiligte und riskiert heute sein Leben, wenn er gegen Rechtsradikale in der Bundesrepublik zu Felde zieht. Aus diesen Kreisen wird er mit Drohanrufen und Morddrohungen überzogen.

Schon als Kind und später als Jugendliche half die Deutsche Waltraud Mehling, geboren 1929, ihren Eltern dabei, auf einem Friedhof versteckte Juden in Berlin mit Lebensmitteln zu versorgen, ohne Angst um das eigene Leben.

Einen Kampf für Demokratie und Menschenrechte bestritt der Pole Bogdan Borusewicz, geboren 1949, als er mit Lech Walesa 1980 die Streiks in der Danziger Werft organisierte und durchstand, ein erstes Signal für den Weg in die Selbstbestimmung im Ostblock. Heute ist Bogdan Borusewicz Präsident des Senats der 2. Kammer der Republik Polen. Er wurde durch seine Tochter vertreten, die in einer kurzen Rede erklärte, dass für sie der Vater zu Hause eben der Papa war, aber dass sie nun als erwachsene junge Frau durch die Kenntnis seines mutigen Lebens besonders stolz und dankbar sei, ihn zum Vater zu haben.

„Dass der Einzelne etwas bewirken kann“

Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert übergibt die Ehrenurkunde hier an Uwe Schwabe, (re.). Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, (2.v.li.), Waltraud Mehling, Preisträgerin, (2.v.re.). (Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert übergibt die Ehrenurkunde hier an Uwe Schwabe, (re.). Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, (2.v.li.), Waltraud Mehling, Preisträgerin, (2.v.re.). (Foto: Lichtblick/Achim Melde)

Der Deutsche Uwe Schwabe, geboren 1965, entwickelte seinen Widerstandsgeist unter der Herrschaft des kommunistischen Regimes in der ehemaligen DDR. Trotz Bespitzelung, Verfolgung und Haft, setzte er sich zunächst für den Umweltschutz ein und schloss sich dann  den evangelischen Kreisen in Leipzig an, die an den großen Montags-Demonstrationen beteiligt waren vor der Wende und vor dem Fall der Mauer.

Er betonte, wie sehr ihn diese Zeit unter dem „kommunistischen Ungeist“ aufgeweckt hätte, als er alt genug war, um die Verlogenheit zu durchschauen. Im Rückblick war noch seine Empörung spürbar, dass eine Partei und deren Regierung es gewagt hätten, ihm vorzuschreiben, was er zu denken, zu lesen, zu lernen hätte, wohin er reisen durfte und welchen Beruf er ergreifen sollte. „Es kam für mich dann irgendwann der Punkt, an dem ich mir sagte – das machst du nicht mehr mit.“ Auf die Frage, was ihn trägt in seinem auch heute noch andauernden Engagement bei der Aufarbeitung der Vergangenheit und den Visionen für eine umweltschonende Zukunft, sagte er: „Das, was ich erlebt habe, das trägt mich, dass der Einzelne etwas bewirken kann, wenn er die Zivilcourage hat.“ Sichtlich bewegt nahm er die Ehrenurkunde aus der Hand von Bundestagspräsident Lammert entgegen. Er bestätigte auch dessen Hinweise auf die Bedeutung des Bürgerengagements in einer Demokratie. Hinschauen, sich engagieren, an andere denken, das bleibe eine ständige Aufgabe. Zwar könnte er nun in einer freiheitlichen Grundordnung leben, in der Zivilcourage selten mit der Gefahr für das eigene Leben verbunden sei, aber unbequeme Fragen zu stellen erfordere auch Mut. Er wünsche sich für die Zukunft eine Wertedebatte, damit gemeinsames Leben in Europa auch auf gemeinsamen Werten basiere.

Die „Aktion Gemeinsinn, e.V.“ ist Deutschlands älteste Bürgerinitiative nach dem zweiten Weltkrieg. Sie besteht seit fast 50 Jahren. Sie wird getragen vom ehrenamtlichen Engagement ihrer Mitglieder ohne staatliche Zuschüsse. Die Preise waren nicht mit Geld dotiert, sondern mit einer Urkunde, einem Buchgeschenk und einer festlichen und heiteren Feierstunde.     

Man muss etwas machen, um selbst keine Schuld zu haben. Dazu brauchen wir einen harten Geist und ein weiches Herz. Wir haben alle unsere Maßstäbe in uns selbst, nur suchen wir sie zu wenig.

Sophie Scholl

Nichts erfordert mehr Mut und Charakter, als sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein!

Kurt Tucholsky

Das meiste Unrecht beginnt im Kleinen – und da lässt es sich mit Mut und Zivilcourage noch bekämpfen.

Roman Herzog



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