Schräge Klänge in Chinas „harmonischer Gesellschaft“

Einschüchterungsversuche gegen die demokratischen Kräfte
Titelbild
Hinter den spiegelnden Fenstern eines Autobusses kann manches Unglück unbeobachtet geschehen. (Peter Parks/AFP/Getty Images)
Von 4. Januar 2007

In China findet derzeit ein hartes Ringen zwischen demokratischen Kräften und dem KP-Regime statt, das immer deutlicher auch im Ausland wahrgenommen wird. Im August 2006 wurden die drei Verteidiger des blinden Bürgerrechtlers Chen Guangcheng am Tag vor dessen Gerichtstermin festgenommen und unter dem konstruierten Vorwurf des Diebstahls und der Komplizenschaft beim Diebstahl einem strengen Verhör unterzogen. Ende Dezember hatte einer von ihnen, Anwalt Li Fangpin, zusammen mit seinem Anwaltskollegen Li Jinsong eine neuerliche Attacke zu überstehen, die ihm eine große Kopfwunde und Behandlung im Krankenhaus eintrug.

Über den Hergang der Tat informierte der Verletzte den seit Monaten unter Hausarrest stehenden Hu Jia, einen Aidsaktivisten und Freund von Rechtsanwalt Gao Zhisheng. Gao ist wiederum ein bekannter Menschenrechtsanwalt in Peking, der gerade selbst wegen seiner Menschenrechtsaktivitäten vor Gericht stand. Aus dem an Hu Jia übermittelten Bericht von Anwalt Li Fangpin* ging der Tathergang folgendermaßen hervor:

Überfall im Nachtbus

Die beiden Rechtsanwälte waren am 26. Dezember in Peking in einen Nachtbus gestiegen, um ihren Klienten, den blinden Chen Guangcheng, im Untersuchungsgefängnis im 700 Kilometer entfernten Linyi, Provinz Shandong, zu besuchen. Zu Beginn der Busfahrt wurde ihnen von einer Frau, die eine Busangestellte zu sein schien, zwei Plätze direkt neben ihr angewiesen. Als der Nachtbus am frühen Morgen in Linyi einfuhr, wurde er von zwei Fahrzeugen gestoppt, die keine Kennzeichen trugen. Acht Männer sprangen heraus, drangen in den Bus ein und wendeten sich sofort an die „Busangestellte“. Diese zeigte augenblicklich auf Anwalt Li Jinsong und behauptete, er habe sie sexuell belästigt. Die Männer schlugen auf die beiden Anwälte mit Metallstangen ein, Li Fangpin erhielt eine große Wunde am Kopf.

Die Unbekannten fuhren zusammen mit der Frau in den Autos ohne Kennzeichen davon. Der Busfahrer sagte aus, die Frau habe sich seinen Mantel „geborgt“. Die überfallenen Anwälte erbaten telefonisch Hilfe von der Polizei zur Aufklärung des Falles. Aber die Polizei kam nicht. Der Verletzte musste dringend zur Behandlung ins Krankenhaus.

Vielleicht eine einfache Rechnung

Dafür haben sich aber Sicherheitskräfte ungerufen um Anwalt Gao gekümmert. Laut Aussage seiner Schwiegermutter in einem Interview mit Radio Free Asia wurde Gao kurz nach Weihnachten von Polizisten ohne Angabe von Gründen aus seiner Wohnung abgeführt. Am Abend des 1. Januar standen fünf fremde Fahrzeuge vor dem Wohnhaus der Familie Gao, eins davon ein Umzugswagen, und fuhren gegen 20 Uhr weg. Am nächsten Morgen standen vier Fahrzeuge vor dem Wohnhaus, der Umzugswagen fehlte. Gao wurde nicht mehr gesehen, wohl aber seine 13-jährige Tochter, die beim Einkaufen von drei Agenten begleitet wurde. Dies berichtete Radio Free Asia, das seine Informationen von dem Bürgerrechtler Hu Jia erhalten hatte.

Kenner der Materie vermuten, dass dies eine weitere Methode der KP ist, kritische Stimmen aus dem Verkehr zu ziehen. Der Anwalt hatte im letzten Jahr durch sein öffentliches Engagement für die Menschenrechte große Bekanntheit in China und im Ausland gewonnen. Mit Inkrafttreten der vorübergehenden neuen Regelungen für die Berichterstattung ausländischer Medien in China zum 1. Januar (die aber ab dem 17. Oktober 2008 wieder ihre Gültigkeit verlieren!) genießen ausländische Journalisten bei ihrer Arbeit größere Freiheit. Somit besteht in den Augen der chinesischen Behörden die „Gefahr“, dass Anwalt Gao, der vom 15. August bis zum 22. Dezember in Untersuchungshaft gehalten wurde, gegenüber ausländischen Journalisten plaudern könnte. Aber wessen Aufenthaltsort nicht bekannt ist, der kann auch nicht interviewt werden. So einfach könnte die Rechnung im KP-regierten China sein.

Schräge Klänge in der „harmonischen Gesellschaft“

Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights in China“ (HRIC) sieht den Überfall auf die Anwälte im Rahmen der im Zunehmen begriffenen Attacken auf regimekritische Juristen und Verteidiger. Durch die fortlaufend zu registrierenden Einschüchterungsversuche und Gewaltandrohungen sieht die Menschenrechtsorganisation die Ausübung des Rechtes in China schwerwiegend bedroht.

Die unterlassene Ermittlung und Festnahme der Täter ist zu konstatieren. Wie ist sie wohl zu vereinbaren mit dem im Jahre 2003 verabschiedeten 11. Fünfjahresplan, mit dem sich das Zentralkomitee der KP Chinas bis zum Jahre 2010 die Schaffung einer „harmonischen Gesellschaft“ ebenso wie „Fairness und Gerechtigkeit“ zum Ziel gesetzt hat?

* auf der Webseite http://www.peacehall.com/news/gb/china/2006/12/200612270843.shtml


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