„Versuchen Sie das Ein-Parteien-System in Europa“

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Helga Trüpel (l.): Erfahrungen mit den chinesischen Partnern aus Politik und Wirtschaft. (Heike Soleinsky/ETD)
Von 20. September 2008

„Sie können nicht diese chinesische Staatsfeindin ins Europaparlament einladen!“ Als Rebiya Kadeer, eine Menschenrechtsaktivistin, die sich für die Rechte der Uiguren am Festland China einsetzt, ins EU- Parlament eingeladen werden sollte, gingen Vertreter der chinesischen Botschaft in Brüssel an die Decke: „Das wollen wir nicht“, beschwerten sie sich, „und wir werden alles daran setzen, dass Sie es nicht tun!“

Helga Trüpel, Mitglied der Chinadelegation im Europäischen Parlament, berichtete am 11. September in der Diskussionsveranstaltung der GAL in Hamburg „China, Europa und die Menschenrechte: Wirtschaft statt Werte?“ über ihre Erfahrungen und Eindrücke mit den chinesischen Gesprächspartnern in der Politik. Solche Einmischungen wie in ihrem Beispiel mit Kadeer kommen nicht selten vor – mit einer Selbstverständlichkeit, die offenbar damit rechnet, dass sich ein Europäer davon beeinflussen lässt. Doch Rebiya Kadeer kam ins Europaparlament, und es gab auch eine Pressekonferenz.

Viel Propaganda im Dialog

Die Chinesen wollen den Kontakt nach Europa, weiß Trüpel, die bereits drei Mal als Europaabgeordnete nach China gereist ist. Im Dialog würden die Chinesen aber auch viel Propaganda ablassen. „Es ist ihr Interesse, uns möglichst ihre Sicht der Dinge nahe zu bringen: Warum die Ein-China-Politik das Allerwichtigste sei; warum sie den Tibetern nicht mehr Autonomie geben können – weil der Dalai Lama ein Separatist sei; warum sie keine Pressefreiheit gewähren können; warum sie die Todesstrafe brauchen. All das ‚erklären‘ sie uns.“ Dabei sitzen nicht etwa zwei Demokraten an einem Tisch, erzählt Trüpel, – sondern deren Sicht der Dinge wollen sie unausweichlich machen.

Wenn die Europäer beispielsweise deren Ein-Parteien-Herrschaft oder die mangelnde Pressefreiheit kritisieren, antworten die chinesischen Partner ungerührt: „Schauen Sie sich das doch mal an, mit Ihrem Mehr-Parteien-System: Nur Ärger und Stress. Wir finden, Sie sollten es mal mit dem Eine-Partei-System in Europa versuchen.“

Kein Visum wegen unbeliebter Fragen

Manuel Sarrazin, MdB, fiel in der Diskussionsrunde ein ehemaliger Abgeordneter des Hamburger Senats aus der CDU-Fraktion ein, der eine Anfrage zu den Menschenrechten in Shanghai stellte. Der Politiker bekam darauf vom chinesischen Konsulat einen Brief, er bräuchte im laufenden Jahr keinen Visumsantrag mehr zu stellen.

Helga Trüpel hat als Europaabgeordnete auch Drohungen bekommen: „Vor der Abstimmung im Europaparlament um die Durchführung des Boykotts der Olympia-Eröffnungsfeier hatte ich Besuch in meinem Büro in Straßburg von zwei Chinesen. Der eine war der stellvertretende Botschafter aus Brüssel, der andere war ein hochkarätiger Chinese, der seit geraumer Zeit in Straßburg ist.“ Sie drohten ihr zweifach: „Wenn das Europaparlament mit dieser kritischen Politik nicht aufhört, dann werden unsere Beziehungen dramatisch geschädigt und dann werden Sie sehen, was Sie davon haben.“ Die zweite Botschaft war für Trüpel als Grüne: „Sie haben da letztens deutliche kritische Worte geäußert. Das können wir so nicht akzeptieren. Wenn Sie das nicht ändern, wird das auch die freundlichen Beziehungen zwischen der Volksrepublik China und den Grünen in Europa dramatisch verändern.“ Trüpels Antwort war, dass es aber gerade den Dialog ausmache, dass wir deutlich sagen, was wir nicht in Ordnung finden. Als Abgeordnete sei es auch ihr Job, das zu tun.

Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 38/08



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