Von oben sieht man keine Landesgrenzen

Die Space-Schuttle-Crew ist ein Team, genauso wie eine Fußballmannschaft oder eine Regierung - Interview mit dem Kommandanten der „Discovery“ Mark Polansky
Titelbild
Mark Polansky, Kommandant der Raumfähre „Discovery“ beim International Science Festival in Göteborg im April. (Sofia Partanen/Epoch Times)

„Vom Weltraum aus kann man die Umweltverschmutzung sehen. Es drängt sich einem der Gedanke auf, wenn wir als Bewohner dieses Planeten nicht lernen, ihn besser zu schützen, werden wir aufhören zu existieren. Wir sind gerade dabei, uns selbst umzubringen“, sagt Polansky.

Epoch Times-Reporterin Sofia Partanen traf einige Mitglieder der Crew der Raumfähre „Discovery” beim 11. Internationalen Science Festival in Göteborg am 15. April. Im Folgenden ein Interview mit dem amerikanischen Astronauten Mark Polansky, der im Frühjahr 2005 die Leitung der Mission STS-116 übernahm. Es war die 117. Space-Shuttle-Mission und der 20. Flug einer US-Raumfähre zur Internationalen Raumstation (ISS). Der Start zu der zwölftägigen Mission erfolgte am 10. Dezember 2006 und war der erste Nachtstart seit November 2002 (STS-113). Es war der letzte planmäßige Shuttle-Start von Pad 39B, bevor die Startrampe deaktiviert und für Flugtests der neuen Ares-I-Rakete umgebaut wird.

Epoch Times: Herr Polansky, für uns gewöhnliche “Erdenbürger” ist solch eine Raumfahrt-Expedition etwas sehr spannendes. Schon die alltäglichsten Dinge wie Essen und Schlafen erfordern eine ganz schöne Umstellung. Was passiert zum Beispiel, wenn jemand von der Crew erkrankt oder sich verletzt? Haben Sie da Ersatzpersonen?

Mark Polansky: Jeder im Team ist für mehrere Aufgaben ausgebildet. Wir haben immer eine hauptverantwortliche Person und ein oder zwei Personen, die bei einem Ausfall einspringen. Aber es ist auch so, dass jeder genau weiß, auch wenn er sich einmal nicht so wohl fühlt, er muss da durch. Wir haben Medikamente an Bord und zwei Mitglieder haben eine medizinische Ausbildung. Dann haben wir noch Ärzte an der Bodenstation, die wir kontaktieren können. Hier geht es einfach um die Anforderungen als Team, die jeder zu erfüllen hat. Eine Fußballmannschaft wäre vielleicht eine gute Analogie. Verletzt sich dort jemand auf dem Platz, kann das Team nicht aufhören zu spielen, es muss einen Ausgleich schaffen und das Erforderliche tun. Das ist eigentlich ganz einfach.

ET: Wie war das Essen?

MP: Das Essen schmeckt inzwischen wirklich gut! Es ist nicht mehr so wie früher, obwohl das viele noch denken, dass wir nur kleine Zahnpastatuben hätten aus der wir eine Paste pressen. Heute haben wir eine breite Auswahl, Krabbencocktail, Meeresfrüchte oder italienisches Gemüse. Dank Christer [schwedischer Kollege] haben wir sogar Elch-Pastete. Wir haben auch Gefriergetrocknetes, dem wir Wasser hinzugeben und warten, bis es sich vollgesogen hat und wir essen das dann heiß oder kalt. Andere Lebensmittel sind schon fertig zubereitet und können gleich gegessen werden, wie Paste mit Tomatensoße, die schon gekocht ist und in einem Beutel. Sie muss nur noch aufgewärmt und der Beutel aufgeschnitten werden.

ET: Wie haben Sie sich mental auf die Anforderungen vorbereitet?

MP: Ich glaube nicht, dass eine zweiwöchige Mission so schwierig ist, dass man sich mental besonders darauf vorbereiten müsste. Ich dachte in etwa so: „Ich kann auch für zwei Wochen in meinem Kopf wohnen, wenn es sein muss“. Bei so einer kurzen Mission sind wir einfach sehr beschäftigt und jede Sekunde am Tag, in der wir wach sind ist mit Aktivitäten gefüllt. Es gibt so viel zu tun. Und so zielt die mentale Präparation hauptsächlich darauf ab, sicherzustellen, dass wir als Team unsere gestellten Aufgaben alle erledigen können und die Zeit so gut wie möglich ausnutzen.

„Die meisten Sorgen
machen wir uns vielleicht
um unsere Familien.
Für sie ist es oft schwerer.“

Weil wir einen Job zu erledigen haben, müssen wir auch sicherstellen, dass wir Pausen haben. Und ein wenig Spaß. Es soll ja auch angenehm sein. Die meisten Sorgen machen wir uns vielleicht um unsere Familien, dass es ihnen gut geht, denn für unsere Familien ist es oft schwerer. Zu Hause in unserem Office gibt es eine Menge Leute, deren Job es ist, sich um unsere Familien zu kümmern, so dass wir Crew-Mitglieder uns darüber nicht den Kopf zerbrechen müssen. Und wir wissen, während wir fliegen, wird sich um sie gekümmert. Für Leute, die sehr lange Missionen, sechsmonatige Missionen haben, sieht das ganz ganz anders aus. Sie haben mehr Aufgaben und da gibt es andere Möglichkeiten, sie mental für so eine lange Mission vorzubereiten.

ET: Als Sie da oben waren und auf die Erde geblickt haben, was haben Sie da gedacht?

MP: Ich dachte an viele große Sachen. Als ich die Erde zum ersten Mal so sah, war das für mich sehr berührend. Und ich dachte an meine Familie und meine Freunde und wie sich alle um mich gekümmert haben, als ich Kind war und dass ich mein ganzes Leben lang eigentlich genau das hier tun wollte. Und schließlich war ich da!

Wenn ich die Erde einfach vom Standpunkt ihrer Schönheit her betrachte, denke ich an zwei Dinge. Das eine ist, wie zerbrechlich die Erde ist. Wir umrunden sie mit über acht Kilometern pro Sekunde, sehr schnell. Man kann sich das so vorstellen: man sieht die ganze Erde. Man sieht eine sehr sehr dünne blaue Schicht, die den Planeten umgibt und das, was auch immer Atmosphäre bedeutet, schützt uns vor der Auslöschung.

Dann hast Du noch diese ganze Dunkelheit des Raumes überall um Dich, mit nur dieser dünnen Atmosphären-Schicht. Man kann sehen, wie die Schadstoffe nach oben in den Weltraum driften. In größerem Ausmaß, global, sieht man dann schrumpfende Seen und Wellen von Schmutzwasser. Man sieht die Emissionen von Bränden und der Industrie. Es drängt sich einem der Gedanke auf, wenn wir als Bewohner dieses Planeten nicht lernen, ihn besser zu schützen, werden wir aufhören zu existieren. Wir sind gerade dabei, uns selbst umzubringen. Und das allein wegen unserer Umweltverschmutzung. Also müssen wir unsere Umwelt besser sauber halten.

Auf der anderen Seite, wenn ich so um die Erde reise, sehe ich viele schöne Plätze, aber ich sehe keine wirklichen Grenzen zwischen den Ländern. Ich sehe Teile der Welt, von denen ich weiß, da gibt es Probleme, wie den Mittleren Osten oder Afrika – und vom All aus sehen sie so schön aus. Dennoch weiß ich, dass Menschen manchmal fürchterliche Dinge gegeneinander begehen. Dann wünsche ich mir, jeder könnte die Welt einmal so sehen, wie ich sie gesehen habe. Und vielleicht könnten sie dann über besser Wege nachdenken, die wir gehen könnten, statt des konstanten Kampfes, den wir ständig zu führen scheinen.

„Unsere Kinder sollen nicht
das auszubaden haben,
was wir jetzt nicht kapieren.“

Etwas, was das Ganze noch besonders macht, ist, dass wir jemanden wie Christer haben und dass es ein internationaler Flug zu einer internationalen Raumstation ist, der viele Länder angehören. Einige davon scheinen keine so guten Freunde zu sein, zumindest noch nicht so lange, und nun kooperieren wir irgendwie in sehr schwierigen Feldern. Es wäre eine Hoffnung für mich, wenn wir irgendwie so ein Modell sein könnten, das etwas für die Internationalität tut, wenn wir alle zusammenarbeiten. Auch dass es eine Art Hoffnung auf die Zukunft sein kann, damit nicht unsere Kinder und Kindeskinder das auszubaden haben, was wir jetzt nicht kapieren.

ET: Wie denken Sie können Sie und ihre Crew dazu beitragen, dass die Erde mehr geschützt wird?

MP: Was wir schon machen, ist darüber zu reden und die Videos und Bilder von der Erde zu zeigen; zu sagen: “Dies sind die Bilder, die wir machten.” Eines der Gebiete auf der Welt, denen es sehr schlecht geht, ist Afrika. Auf diesen Bildern, die wir vom Weltraum aus aufgenommen haben, ist ein See verzeichnet, der immer kleiner und kleiner wird. Er ist eigentlich schon fast ausgetrocknet, abgesehen von dem bisschen Wasser zu verschiedenen Jahreszeiten. Ich denke, wenn man einfach zu solchen Dingen die Beweise vorlegt, die Menschen normalerweise mit ihren eigenen Augen nicht sehen können, und darüber hoffnungsvoll redet, dann bringt das mehr Leute dazu, so zu denken und zu versuchen, etwas zu ändern.

„Immer wenn ich mich
über China befand, lagen große Mengen von Smog
über dem Land“

Beide meiner Missionen waren während des Winters, diesmal im Dezember und die erste im Februar. Das ist eine Zeit, zu der in Gebieten wie China viele zusätzliche Dunstglocken hängen und Emissionen stattfinden. Das hängt mit der Art und Weise ihrer Energiegewinnung zusammen. Sie verbrennen große Massen an fossilen Brennstoffen. Immer wenn ich mich über China befand, lagen große Mengen von Smog über dem Land. Da realisiert man erst, wie vielen Herausforderungen ein Entwicklungsland gegenübersteht. Auch wenn in China vieles vorangeht, in manchen Bereichen, vor allem der Industrie muss es seinen Weg finden.

Dann geht man an Plätze wie Afrika oder anderer Entwicklungsländer, wo sie die Felder nach der Ernte einfach durch Brände leer räumen. Alle diese Partikel gehen in die Atmosphäre und das sieht man – Hundert und Hunderte von Meilen nur Smog von brennenden Gebieten. Und nachts kann man die brennenden Feuer sogar sehen, wenn sie groß sind.

ET: Was ist am wichtigsten, damit die Teamarbeit funktioniert?

MP: Wenn wir zu einer Crew werden, ist das erste was wir tun, uns zusammenzusetzen und ein wenig zu reden und uns klar zu machen, dass wir alle dasselbe Ziel haben. Das Ziel, erfolgreich und sicher unsere Mission zu erfüllen. Keiner sollte seine persönlichen Ziele vor die Gruppenziele setzen, das ist sehr wichtig. Wir wissen, wir alle haben ein Ego und alle Menschen haben Dinge die sie gerne tun möchten. Aber so weit nur irgend möglich, müssen wir als Team gut zusammenarbeiten – wie jedes Sportlerteam, eine Vereinigung oder sogar die Regierung.

Das nächste ist, wir müssen sicherstellen, dass wir uns gegenseitig respektieren und alle gut behandeln. Spaß zu haben ist o.k., weil wir es einfach lieben, Spaß zu haben! Aber es muss gewährleistet sein, dass wir uns gegenseitig respektieren und miteinander kommunizieren. Befindet man sich über längere Zeit in einer so nahen Umgebung und kann nicht mal einfach so weglaufen, dann muss man sich klar ausdrücken, was man fühlt und was man meint. Als menschliche Wesen tendieren wir manchmal dazu, dass wir Angst davor haben, zu zeigen, was wir wirklich fühlen und dann hoffen wir, jemand deutet die Zeichen. Auf einer Space-Schuttle-Mission geht das nicht. Einer hofft, dass ich etwas Bestimmtes tue. Und wenn nicht? Dann ist der oder diejenige eingeschnappt. So würde alles viel zu kompliziert werden. Ich würde sagen: “Du weißt, dass ich nicht weiß, dass Du das willst.“ „Gut, ich gab Dir einen Wink.“ „Gut, gib mir keinen Wink, wenn Du etwas willst – sag es mir einfach!“ So einfach ist das.

Das andere ist, dass wir erwarten, dass jeder genau diese Art von Person ist, die immer noch mehr machen möchte. Bist Du mit Deiner eigenen Aufgabe fertig und Du schaust nur herum, beobachtest die Erde und die anderen sechs sind draußen und arbeiten an ihren Projekten – auch wenn Du nicht eingeteilt bist etwas zu tun, solltest Du darüber nachdenken, ob Du jemandem helfen kannst. Frage, ob Du für jemanden etwas kochen sollst oder putze das Badezimmer oder mach eine andere Kleinigkeit. Es gibt immer etwas zu tun. Genau so hat sich die gesamte Crew verhalten. Ich hätte um keine bessere Mannschaft bitten können. Ich glaube, gerade die kleinen Dinge, wie diese, machen den Unterschied.

ET: Was ist ihre nächste Herausforderung?

MP: Ich werde nach Houston zurückkehren und dort andere Mannschaften unterstützen und andere Raumfährenstellungen. Wenn mein Boss, der der Kopf der Astronautenabteilung, entscheidet, dass er mich wieder fliegen lässt, dann wird er mich eines Tages in sein Büro rufen und mich bitten, eine Mission zu fliegen. Wenn das passiert, gehe ich hoch und mache das. Oder er bittet mich nie wieder, noch einmal zu fliegen. Das ist eines der Geheimnisse in meinem Leben, wie wir beordert werden und wann wir einen Einsatz bekommen. Ich weiß es wirklich nicht.



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