China vor dem Taiwan-Krieg? – General Li soll das Militär auf Vordermann bringen

Chinas Waffenforscher Nr. 1 und Spezialist für Cyber- und Weltraumkrieg wird zum neuen Verteidigungsminister ernannt. Welches Zeichen gibt China mit dem von den USA sanktionierten General an die Welt – und was steckt wirklich hinter Pekings Säbelrasseln?
Titelbild
General Li Shangfu, neuer Verteidigungsminister und Staatsrat von China während der Vereidigung vor dem Nationalen Volkskongress in der Großen Halle des Volkes in Peking am 12. März 2023.Foto: Noel Celis/AFP via Getty Images
Von 15. März 2023


Li Shangfu ist Chinas neuer Verteidigungsminister, ein eher repräsentatives und diplomatisches Amt. Denn die eigentliche militärische Befehlsgewalt geht von der Zentralen Militärkommission (ZMK) der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) aus. An deren Spitze steht Xi Jinping, gefolgt von zwei Vizevorsitzenden der ZMK, die auch Mitglieder im Politbüro des Zentralkomitees der (KPC) sind. Das siebenköpfige Militärgremium komplettieren vier weitere „einfache“ Mitglieder, darunter Li Shangfu, der Verteidigungsminister.

Jets, Raketen und Sanktionen

Allgemein bekannt ist, dass der 65-jährige Raumfahrtingenieur studiert hat. Noch bevor General Li 2017 Leiter für Chinas Waffenentwicklung wurde, arbeitete er als stellvertretender Kommandeur einer neuen Abteilung, die sich mit der Entwicklung von Weltraumwaffen und der Cyberkriegsführung beschäftigte, der „Strategic Support Force“. Diese beiden Positionen und Lis Erfolge darin könnten Hintergrund für seine jetzige Ernennung zum Verteidigungsminister sein.

„Ich denke, er wurde in diese Position befördert, weil er für Xi Jinping in Schlüsselbereichen der Modernisierung geliefert hat“, sagte der in Singapur lebende Sicherheitsanalyst Alexander Neill von Pacific Forum, einer auf Hawaii ansässigen Denkfabrik, gegenüber „Reuters“.

Doch Li Shangfu unterhält auch gute Beziehungen zum russischen Militär. Seit 2018 steht der General auf der Sanktionsliste der USA. Damals hatte Li als Chef der Abteilung Waffenentwicklung der Zentralen Militärkommission russische SU-35-Kampfjets und S-400 Boden-Luft-Raketensysteme in Russland für Chinas Luftwaffe eingekauft. Zu diesem Zeitpunkt stand die russische Militärindustrie jedoch bereits unter US-Sanktionen, unter anderem wegen der Krim-Annexion. Damit fielen Li Shangfu und seine Abteilung unter Donald Trumps Sanktionsprogramm CAATSA, das sich gegen Bedrohungen der Interessen der USA richtet.

Die Sanktionen gegen Li Shangfu umfassen neben dem Verbot finanzieller Transaktionen im US-Finanzsystem vor allem auch ein Visaverbot für Einreisen in die USA.

Xi Jinpings „Mauer aus Stahl“

Doch warum ernennt China einen General zum Verteidigungsminister, der auf einer US-Sanktionsliste steht? Könnte dies nicht Chinas internationale Kommunikation eher erschweren, insbesondere mit den USA?

Wang He, ein in den USA lebender Chinaexperte, sprach mit der chinesischsprachigen Epoch Times am 12. März über die Gründe für die Ernennung von General Li. Wang ist der Meinung, dass Xi Jinpings Plan darin bestehe, das Gewicht der Militärmacht in der nationalen Politik und Diplomatie kontinuierlich zu erhöhen. Gleichzeitig wolle er damit intern und auch dem Ausland gegenüber zeigen, dass er nicht zögern werde, zu kämpfen. Das sei aber eher eine taktische Überlegung als eine Entschlossenheit, Krieg zu führen. Laut Wang sei die KPC jetzt mit internen und externen Problemen konfrontiert. „Wenn Sie in den Krieg ziehen, wird Ihre Stärke sofort offenbart und Sie werden sofort entlarvt“, meinte der Chinaexperte. Xi Jinping werde diese Grenze nicht einfach so überschreiten.

Obwohl die Ernennung von Li Shangfu überraschend kam, war die Richtung jedoch vorhersehbar. James Char, Sicherheitswissenschaftler an der S. Rajaratnam School of International Studies in Singapur, hatte bereits darauf hingewiesen, dass der „operative und technologische Hintergrund“ des nächsten Verteidigungsministers von China besonders relevant sein werde. Denn Chinas Militär ziele darauf ab, bis 2049 ein Weltklassemilitär zu werden.

Auf seiner Abschlussrede auf dem Nationalen Volkskongress am 13. März machte Chinas Staatschef Xi Jinping deutlich, wo die Reise hingeht: „Sicherheit ist die Grundlage für Entwicklung und Stabilität ist eine Voraussetzung für Stärke.“

Aus westlicher Sicht muss man an dieser Stelle umdenken, denn das westliche Sicherheitsdenken ist nicht dasselbe, wie das in China. In China geht es in erster Linie um die Sicherheit und das Überleben der Kommunistischen Partei und ihrer Führer. Land und Leute spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Xi Jinping sprach in seiner Rede viel über nationale Sicherheit und die öffentliche Sicherheitsverwaltung sowie über ein neues Entwicklungsmodell, geschützt durch ein neues Sicherheitssystem. Xi sagte: „Wir müssen die Modernisierung der nationalen Verteidigung und des Militärs umfassend vorantreiben und die Volksarmee zu einer großen Mauer aus Stahl ausbauen, die die nationale Souveränität, die Sicherheit und die Entwicklungsinteressen wirksam schützt.“

Ist der Taiwan-Krieg unvermeidlich?

Dr. Ming Juzheng, Honorarprofessor der Abteilung für Politikwissenschaft an der National Taiwan University, sagte am 12. März im Interview mit der chinesischsprachigen Epoch Times, dass Xi Jinpings Diplomatie in den letzten Jahren so stark gewesen sei, weil er geglaubt habe, dass er stark genug sei. „Aber er hat sich von seiner eigenen Propaganda in einem beträchtlichen Teil seiner Wahrnehmung täuschen lassen.“

Xi glaube, dass der Krieg gegen Taiwan letztendlich unvermeidlich sei. Deshalb gehe Xi Schritte in Richtung Kriegsvorbereitung – im Militär und auch innenpolitisch. Darunter fielen auch der Wiederaufbau von Versorgungs- und Vermarktungsgenossenschaften, der Aufstieg des Staates und die Vernachlässigung des Volkswohlstands und so weiter, die im Wesentlichen der Kriegsvorbereitung dienten.

Der Chinaexperte erinnerte auch an die jüngsten institutionellen Reformen der Kommunistischen Partei. Die Einrichtung eines Finanzaufsichtsbüros und eines Datenbüros laufe seiner Meinung nach auf einen Finanz- und Datentotalitarismus hinaus. Das stelle auch eine Vorbereitung auf eine Kriegsmobilisierung dar.

Er bereite sich vor und warte ab. Alle Vorbereitungen von Xi zielten darauf ab, Kriegschancen zu ergreifen. Auch seine personellen Vorbereitungen gingen in diese Richtung, so der Experte.

Ming Juzheng meinte aber auch, dass Xi es nicht wagen würde, das Gleichgewicht der Situation in der Straße von Taiwan zu stören, wenn er es sich gut überlegt hätte: „Im Laufe des letzten Jahres haben westliche Länder die Kommunistische Partei Chinas gewarnt und kritisiert: Peking sollte nicht mitten im Russland-Ukraine-Krieg Taiwan angreifen.“

Wenn Xi Jinping also nicht so sehr von seiner eigenen Propaganda verblendet wäre, „dass er völlig von der Rolle ist und überhaupt nicht glaubt, was der Westen sagt, wird er nicht wirklich seine Hände aus dem Spiel lassen und Taiwan angreifen“.

Die Ein-Mann-Diktatur übernimmt den Staat

Su Ziyun, Direktor des Instituts für Strategie und Ressourcen der Forschungsinstitute für Nationale Verteidigung und Sicherheit Taiwan, erklärte gegenüber der chinesischsprachigen Epoch Times am 12. März, dass die KPC zwar ihre Entschlossenheit zeigen wolle, gewaltsam in Taiwan einzudringen, das sei aber nur eine Geste. Die Partei habe große Zweifel darüber, ob der Krieg gewonnen werden könnte. Die Anpassung der Organisation der KPC diene hauptsächlich der Lösung der innenpolitischen Krise: „Ich denke nicht, dass es ein Kriegsmechanismus ist, es ist ein Notfallmechanismus, das heißt, angesichts innerstaatlicher Probleme einschließlich wirtschaftlicher Probleme ist es notwendig, Xis Kern zu konsolidieren.“

Die allgemeine Richtung der institutionellen Reform der KPC bestehe darin, die Partei zu stärken und die Regierung zu schwächen. Es sei notwendig, das System des Staatsrates zu 100 Prozent von einer politischen Partei führen zu lassen, und diese politische Partei sei eine Ein-Mann-Diktatur. „Alles ist darauf ausgerichtet, Xi Jinping zu dienen.“

Su erwartet, dass, sollte die Kommunistische Partei Chinas ein Kriegsverbrechen gegen Taiwan begehen, sie erstens keine Chance habe, militärisch zu gewinnen und zweitens mit starken internationalen militärischen und wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen konfrontiert sein werde. Das alles sei für die Kommunistische Partei höchst riskant.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion