Besuch in einem Dorf im Goldenen Yangtse-Delta

Ein Bericht voller Wehmut über Chinas „blühendes Wirtschaftszentrum“
Titelbild
Der Autor Li Hong. Bis zu seiner Festnahme schrieb er auch für ausländische Zeitungen über heikle chinesische Themen. (Foto: Li Hong/DJY)
Von 5. Februar 2007

Auf Einladung eines Freundes verbrachte ich im vorigen Jahr einige Tage in dem Dorf Yantou. Es liegt im Kreis Xikou und gehört zu der etwa 20 Kilometer entfernt liegenden Stadt Ningbo. Ningbo ist das Wirtschaftszentrum in der reichen Provinz Zhejiang. Während meines Besuches konnte ich die materielle und geistige Verarmung dieses Ortes mit eigenen Augen wahrnehmen. Yantou liegt im Gebiet des sogenannten Goldenen Yangtse-Deltas, das auch als das wirtschaftlich blühendste Gebiet Chinas angesehen wird. Es wurde unlängst zu einem der Dörfer „von historischer und kultureller Bedeutung“ ernannt. Als ich mich genauer umsah, erlebte ich eine zerstörte Natur, eine erbärmliche Kulturlandschaft, eine drastisch überalterte Bevölkerung und eine mafiaähnliche Dorfregierung.

Yantou liegt am Ende der Siming-Berge im Osten der Provinz Zhejiang. Früher war es von Bambuswäldern und einem kristallklaren Fluss umgeben, mit einer Fülle von Vögeln und Blumen und frühlingshaftem Wetter das ganze Jahr hindurch. Es hatte eine reiche Produktion von Bambussprossen, Taro [eine kartoffelähnliche Pflanze], Honigpfirsichen und Steinflussfischen.
Dieses kleine Dorf, versteckt in den Bergen, war berühmt als Heimat von Mao Fumei, der ersten Frau von Chiang Kai-shek[…].

Yantou bedeutet auf Chinesisch „Ende der Felsen“. Durch das Dorf schlängelt sich das Flüsschen Yan.
Ein freundlicher, älterer Mann führte mich durch den Ort, ich war überrascht, wie viele Gebäude aus der Qing-Dynastie [1644 – 1911] hier noch erhalten waren.[…]

Ein ungeklärter Waldbrand

Als wir uns im Auto dem Dorf näherten, hatte ich die schwarz-braune Farbe der Wälder um das Dorf herum bemerkt. Beim Fahren erzählte mir mein Freund den Grund: „Die Wälder sind im letzten Jahr abgebrannt. Viele Menschen wurden beim Kampf gegen den Waldbrand verletzt. Der Wald war so dicht, es war unmöglich, den Brand zu löschen, wir waren glücklich, dass niemand dabei ums Leben kam.“

„Wie viele Bäume sind verbrannt? Wie kam es dazu?“ fragte ich.
„Etwa 100 mu Wald [umgerechnet etwa 6,6 ha] waren betroffen. Es gab einen Grund für das Feuer, naja, schwer zu sagen…“ antwortete er. Mir war klar, es musste etwas dahinter stecken, aber ich fragte nicht weiter, da ich meinen Freund nicht von der Fahrt auf der gewundenen Bergstraße ablenken wollte.

Schockierende Umweltverschmutzung

Als ich im Dorf war, fühlte ich mich sehr schlecht, weil es dort so schmutzig war. Überall Fliegen und Insekten, draußen auf den Müllhaufen, in den Küchen, auf dem Bauernmarkt, auf den Hinterlassenschaften der Tiere auf der Straße, sogar in den Essschüsseln der Kinder. Die Fliegen schienen die wahren Herren des Dorfes zu sein.

Das einstmals berühmte Flüsschen des Yan ist ein kleines Rinnsal, das oft sogar völlig austrocknet. Das Flussbett ist voller Industrie-Abfälle und Unrat der Anwohner, weiße Plastiktüten, schwarzes Zeugs aus Industriebetrieben und anderer Abfall aus Privathaushalten. Entlang des Flüsschens sah ich verschiedene Betriebe, die bankrott gegangen und geschlossen waren. Ich sah Chemie-Produkte, aufgetürmt in Plastikfässern in Höfen, die von Unkraut überwuchert waren. Es handelte sich offenbar um ehemalige Chemiefabriken, und ich fragte meinen Freund: „Was ist mit diesen Fabriken geschehen?“
„Das waren dorfeigene Unternehmen, die später an Privatpersonen verkauft wurden. Sie mussten schließen, weil sie nicht mehr rentabel waren.“
Ich war froh: „Besser schließen, als das Flüsschen verschmutzen.“

Mein Freund seufzte: „Es gibt noch viele solche Chemiefabriken oberhalb des Flüsschens, sie verschmutzen den Wasserlauf Tag für Tag, niemand kann sie daran hindern.“
„Benutzen die Dorfbewohner das Wasser aus dem Fluss noch als Trinkwasser ?“
„Nein, es stinkt jetzt zu sehr, wir trinken Brunnenwasser.“ […]

„…große Krankheit, warten auf Tod“

Ich besuchte auch Nachbardörfer wie Zhangshu und Qiaotau. Außer Frauen und Kindern fand ich fast nur alte Menschen vor. Sie saßen in der Nähe der Brücke und schauten gelangweilt und lustlos drein. Am späten Abend traf ich am Eingang des Dorfes Guzhang wieder ältere Leute, wie bewegungslose Statuen saßen sie da. Ich ging zu ihnen, bot ihnen Zigaretten an und unterhielt mich mit ihnen. „Wo sind die jungen Leute?“ fragte ich. „Kann man nicht hier halten-die mit Geld haben Häuser in Ningbo oder Xikou gekauft. Die ohne Geld sind auf der Suche nach Arbeit und auch weggezogen.“, antworteten die Alten gleichgültig.

Ich fragte, „Erhält die Mehrheit der Alten eine Pension?“
„Nein, nichts. Dem Dorf-Komitee geht es auch schlecht. Wo sollte das Geld herkommen?“
„Und wenn ihr krank werdet?“
„Kleine Krankheit, warten auf Heilung; große Krankheit, warten auf Tod“ sagten sie, als ob sie über jemanden anderen sprächen.
Die untergehende Sonne beschien die Berge, die alte Steinbrücke lag schweigend im Schatten der alten Bäume. Ich sah eine Gruppe von alten Leuten, die herumsaßen und in einem Dorf, das jede Hoffnung aufgegeben hatte, auf den Tod warteten.

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Der Autor Li Hong

Der freie Autor und Journalist Zhang Jianhong (alias Li Hong), 48 Jahre alt, schrieb über seine Heimat, die Provinz Zhejiang ebenso wie über den regimekritischen Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng und dessen Verfolgung durch Chinas KP-Regime, und über das in China widerrechtlich verfolgte Falun Gong. Seine Artikel erschienen in ausländischen Zeitungen, auch in der Epoch Times.

Die Themen waren Chinas Führung ein Dorn im Auge und deshalb wurde auch dieser Autor wie viele andere auf bewährte Manier aus dem Verkehr gezogen. Auf der Basis von 63 seiner Artikel wurde der Vorwurf der „Anstiftung zum Widerstand gegen die Staatsgewalt“ konstruiert und am 6. September vorigen Jahres seine Wohnung geplündert, dabei Computer mitgenommen und der Autor festgenommen, so berichtet die Menschenrechtsorganisation Writers in Prison. Ein geheimes Gerichtsverfahren gegen Li Hong fand laut Informationen von BBC am 14. Januar statt. Das Urteil des Mittleren Volksgerichtshofs der Stadt Ningbo, Provinz Zhejiang, steht noch aus. Amnesty International und Writers in Prison fordern die unverzügliche Freilassung von Li Hong. Wegen seiner Teilnahme an den Studentenprotesten 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens war der Autor schon einmal zu zwei Jahren Arbeitslager verurteilt worden.

mw



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