Smog-Doku erschüttert Chinesen: Der neueste Coup der Xi-Regierung

Titelbild
Chai Jing, in China eine bekannte Fernseh-Moderatorin, erzählt in einer schonungslosen Doku über den Smog, dass ihr Baby krebskrank zur Welt kam.Foto: Screenshot iqiyi.com
Epoch Times4. März 2015

Aufregung pünktlich zum Volkskongress: Eine detaillierte Doku zu Chinas Smog-Problem macht im Internet Furore. Sie heißt "Unter der Glocke" und über 100 Millionen Menschen sahen den Film allein am Tag seiner Veröffentlichung (28. Februar). In einem 100-minütigen Vortrag mit Fakten und Interview-Sequenzen warnt die Ex-CCTV-Moderatorin Chai Jing vor den dramatischen Folgen der Luftverschmutzung. Zu Wort kommen dabei machtlose Umwelt-Beamte und Kinder, die nie den blauen Himmel gesehen haben …

Ihr Baby kam mit Krebs zur Welt

Besonders bewegend ist der Film, weil Chai eigene Erfahrungen berichtet: Ihre kleine Tochter entwickelte bereits im Mutterleib Lungenkrebs und musste sofort nach der Geburt einer gefährlichen Operation unterzogen werden. Das Baby überlebte – dank seiner privilegierten Mutter und US-amerikanischen Ärzten. Doch wie viele chinesische Kinder haben keine solche Chance? Nach Schätzungen renommierter chinesischer Wissenschaftler sterben jährlich 350.000 bis 500.000 Chinesen vorzeitig an Folgen des Smogs.

Auch prägt der Smog weiterhin das Leben der kleinen Pekingerin: Im Jahr 2014 nahm Chai ihr Baby an 175 Tagen nicht nach draußen. Ihren Job beim chinesischen Staatsfernsehen hängte die Moderatorin an den Nagel, um bei ihrem Kind zu sein und gegen Smog zu kämpfen.

Mundschutz tragen wegen des Smogs gehört in Peking zum Alltag.Mundschutz tragen wegen des Smogs gehört in Peking zum Alltag.Foto: Mark Raslston / AFP / Getty

Und Schuld sind die Öl-Konzerne …

Diese Geschichte wäre einfach nur ein emotionaler Apell, wenn … ja wenn hier nicht noch weitreichende politische Hintergründe angesprochen würden. Der Film ist eine versteckte Werbung für Chinas Umweltministerium und die Politik des amtierenden Staatschefs Xi Jinping. Denn als Schuldige am Elend werden die Energie-Riesen präsentiert, Chinas staatliche Ölkonzerne China National Petroleum (CNPC) und Sinopec. (Aus Gründen der Objektivität werden auch Kohle und Stahlindustrie gegeißelt, sowie Privatleute, die mit dem Auto um die Ecke zum  Einkaufen fahren …)

Wer aber den Film gesehen hat, wird die Ansicht teilen, dass gegen diese Öl-Schurken von CNPC dringend etwas gemacht werden muss! Und genau das hat Chinas Staatschef doch seit längerem vor! Bloß scheiterten Xi Jinpings Reformabsichten bisher an der Zähigkeit der korrupten Netzwerke von Jiang Zemin, Zhou Yongkang, Zeng Qinghong und Co.

Es dürfte also kein Zufall sein, dass die Smog-Doku ausgerechnet kurz vor dem Volkskongress die Massen emotionalisiert. Verbreitet wurde sie nämlich nicht von ungefähr, sondern durch die größten, staatskontrollierten Online-Kanäle, allen voran die Volkszeitung und Xinhua.

Bemerkenswert ist auch die illustre Reihe der Interview-Partner aus Konzernen und Behörden, die Chai vor die Kamera bekam, in China ist derlei ohne Unterstützung von oben undenkbar. Dass Chai den Film selbst finanziert haben soll, trägt zu ihrer Glaubwürdigkeit bei. Auch lobt sie in gewisser Weise die Regierung, die ja alles mögliche für den Umweltschutz tue – die Initiativen müssten nur umgesetzt und von jedem Einzelnen mitgetragen werden. Die Filmemacherin ruft deshalb ihre Mitbürger auf, Umweltsünden per Smartphone zu dokumentieren, umgehend zu melden und ins Internet zu stellen. Die Hotline des Umweltministeriums wird gegen Ende des Films mehrmals eingeblendet.

Was die Xi-Regierung davon hat

Beobachter, wie der US-ansässige China-Experte Wu Fan, folgerten, dass der Film mit dem Segen Xi Jinpings lanciert wurde. Auf dem anstehenden Volkskongress wird es einerseits um Budgets für den Umweltsektor gehen. Andererseits will es Xi Jinping endlich schaffen, auch die staatlichen Öl- und Kohle-Konzerne unter seine Kontrolle zu bringen, was ihm bisher nicht gelang. Unterstützung aus der Bevölkerung ist also nötig und willkommen, um den Weg für die angestrebten Reformen auf dem Energie-Sektor freizuboxen. Eine bestimmte Personengruppe blockierte dies bislang erfolgreich – die Riege von Xis Feinden um seinen Amtsvorgänger Jiang Zemin (88). Dessen Handlanger Zhou Yongkang (Chinas Ex-Stasichef und „Ölpate“,72) sitzt bereits im Gefängnis. Aber der Filz in der Industrie wirkt weiter.

(Siehe auch: „Korrupte Deals im Öl-Geschäft: Chinas Ex-Stasichef entlarvt“)

Vor dem Hintergrund des KP-Machtkampfes wird auch klar, warum die Doku erst auf Staatskanälen erschien und dann vom Propaganda-Ministerium bekämpft wurde: "Keinen Hype um Unter der Glocke machen", hieß eine geleakte Order, die von der Jiang Zemin-nahen Behörde in Umlauf gebracht wurde.

Der Inhalt des Films:

Peter Cai fasste die Doku im australischen Magazin Business Spectator wie folgt zusammen:

Sie verfolgt das Smog-Problem bis an die Wurzel, zu den großen Stahl- und Kohle produzierenden Provinzen wie Shanxi und Hebei, wo Umweltauflagen einfach auf dem Altar des BIP-Wachstums geopfert werden. Chai seziert außerdem Chinas große staatliche Ölgiganten, die sich anhaltend weigern, in die Herstellung höherwertiger und emissionsarmer Kraftstoffe zu investieren und damit zum immer dichter werdenden Smog beitragen. Es ist bezeichnend, dass man über Chinas petrochemische Industrie erfährt, sie setzte den Standard für die Kraftstoffproduktion und Vertreter des Umweltministeriums würden oft ignoriert oder überstimmt.

Der Film enthüllt die Macht der drei großen Ölgesellschaften, welche mit Abschaltung der Versorgung drohen, sobald Agenturen der Zentralregierung in ihrem Hoheitsgebiet mitmischen wollen. Sogar die sonst allmächtige Nationale Entwicklungs- und Reformkommission, Pekings Wirtschaftsplanungsbehörde und Preisregulator, sieht angesichts der großen Öl-Tyrannen schwach aus. Wer hätte das gedacht? (…)

Einer der denkwürdigsten Teile der Dokumentation zeigt Frustration, Idealismus und Ohnmachtsgefühl der chinesischen Umweltbeauftragten. Ein Beamter sagte vor der Kamera, er wage nicht, den Mund aufzumachen, weil die Welt sonst sehen würde, dass er keine Zähne habe. (…) Es gibt unzählige Szenen mit Beamten, die daran scheitern, Geldstrafen gegen Umweltsünder zu verhängen oder die Täter zu stoppen.

Hier kann man den Film anschauen:

http://www.iqiyi.com/v_19rro0o4kc.html?bdsj

(Mit vielen englischen Untertiteln)



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