Chinas Wirtschaft floriert auf Kosten der Arbeiter

Niedrige Löhne - Keine Schutzausrüstung, keine gesundheitliche Versorgung und keine Entschädigung für Arbeiter bei Berufskrankheiten - Keine Gewerkschaften
Titelbild
(Peter Parks/Getty Images)
Von 7. August 2009

In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich China zu einem mächtigen Produktionsbetrieb der Welt entwickelt, weil es über eine große Ressource verfügt, über billige Arbeitskraft. Der Fall des Arbeiters Zhang Haichao wirft ein Licht darauf, wie die Arbeitskosten in China niedrig gehalten werden.

Zhang, ein Bauer aus Xinmi in der Provinz Henan, arbeitete in der Fabrik Zhengzou Zhendong Ltd nahe der Stadt Zhenzhou, die langsam abbrennende Briketts herstellt. Er musste ohne Atemschutz in einem Raum arbeiten, der immer voller Staub war. Im August 2007 klagte Zhang zum ersten Mal über ständigen Husten, Kurzatmigkeit und Erschöpfung. Zu Anfang hielt er es noch für eine Grippe.

Er ließ sich in mehreren Krankenhäusern untersuchen, um feststellen zu lassen, welche Krankheit er hatte. Die Diagnosen der Krankenhäuser in Peking und Zhengzhou waren die gleichen: Staublunge.

Diese Krankheit hat mehrere Namen, doch am bekanntesten ist sie unter dem Namen schwarze Lungenkrankheit, die Krankheit der Bergleute. Staublunge ist eine Berufskrankheit und entsteht durch das Einatmen von Staub.

Nach Chinas Gesetzen und Bestimmungen kann eine durch die Arbeit verursachte Krankheit, auch Berufskrankheit genannt, nur von einem staatlichen Institut diagnostiziert werden. In Zhangs Fall war es das Zentrum für Prävention und Behandlung von Berufskrankheiten in Zhengzhou (ODPTC). Dieses Zentrum wies die Diagnose von Staublunge und Tuberkulose der anderen Krankenhäuser zurück und bestand auf einer eigenen Diagnose.

Nach der Diagnose durch das ODPTC hatte Zhang zwar die Symptome der Staublunge, aber seine Krankheit war noch nicht fortgeschritten genug, um ihn zu denen zu zählen, die eine kostenlose Behandlung und eine berufsbezogene Entschädigung erhalten. Nach Chinas Gesetzen steht dieses nur denjenigen zu, die eine voll entwickelte Staublunge haben.

Frustriert durch seinen zwei Jahre andauernden Kampf um eine korrekte Diagnose unterzog sich Zhang der schmerzhaften Prozedur der Thorakotomie, einem chirurgischen Eingriff, den die Familie kaum bezahlen konnte. Bei einer Thorakotomie durchtrennt der Chirurg die Rippenmuskeln und spreizt die Rippen auseinander, sodass man ein Stück der Lunge für eine Untersuchung entnehmen kann. Die Probe von Zhangs Lunge ergab, dass er tatsächlich die Staublunge hatte.

Ein Bergmann auf dem Weg durch dicken Kohlenstaub vor seiner Schicht in einer kleinen Mine in Xiaoyi in der Provinz Shanxi. (Peter Parks/Getty Images)
Ein Bergmann auf dem Weg durch dicken Kohlenstaub vor seiner Schicht in einer kleinen Mine in Xiaoyi in der Provinz Shanxi. (Peter Parks/Getty Images)

Aber das ODPTC gab so schnell nicht auf. Man erklärte Zhang, dass nur eine pathologische Untersuchung eines ganzen Lungenflügels oder der ganzen Lunge eines Leichnams die Diagnose bestätigen könne. Die Untersuchung eines kleinen Teils genüge nicht, um eine Diagnose zu erstellen. Das ODPTC wies auch darauf hin, dass kein anderes Krankenhaus autorisiert sei, Berufskrankheiten festzustellen.

Zhang hatte die letzten Ersparnisse seiner Familie ausgegeben und doch keine korrekte Diagnose vom ODPTC erhalten.

Aber seine dramatische Entscheidung, sich einer Operation am offenen Brustkorb zu unterziehen, um seinen Fall zu klären, brachte die Medien auf den Plan. Bald stand Zhangs Fall im Mittelpunkt des Interesses und zog auch die Aufmerksamkeit der örtlichen Behörden auf sich. Plötzlich ging alles sehr schnell.

Das Gesundheitsamt der Provinz Henan bildete eine Untersuchungskommission. Das Gesundheitsamt von Zhengzhou beauftragte das ODPTC, noch einmal zu diagnostizieren. Drei Beamte des Gesundheitsamtes wurden entlassen. Zu ihnen gehörte auch der Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Xinmi. Drei Personen, die eine falsche Diagnose gestellt hatten, wurde das Recht abgesprochen, weiterhin zu diagnostizieren. Das Gesundheitsministerium gab neue überarbeitete Kriterien für die Diagnose von Staublunge heraus und Zhang Haichao erhielt von den örtlichen Behörden eine Entschädigung von 10.000 Yuan, etwa 1.000 Euro.

Zhangs Fall ist die Ausnahme

Zhangs Fall schien ein gutes Ende genommen zu haben: Die Medien verbreiteten seine Geschichte, hohe Beamte hörten sich die öffentliche Meinung an, die Verantwortlichen wurden bestraft und Zhang Haichao braucht sich in Zukunft keine Sorgen mehr über medizinische Behandlungskosten zu machen.

Doch Zhangs Fall zu verallgemeinern, wäre ein Fehler, meint die Wissenschaftlerin He Qinglian. He, die Autorin von „China in der Modernisierungsfalle“ ist eine Wirtschaftswissenschaftlerin, die oft über versteckte Kosten in Chinas Wirtschaftswachstum schreibt.

Ähnliche Fälle wie der von Zhang, die auch an die Öffentlichkeit kamen, blieben ohne Entschädigung. Das stellte He fest. Vor einigen Monaten berichteten Medien in China über 50 Dorfbewohner aus der Provinz Yunnan, die in einer Sandfabrik in der Provinz Anhui arbeiteten. Sie alle erkrankten und zwölf von ihnen starben. Es wurde bestätigt, dass es sich um Staublunge handelte.

Vor fünf Jahren berichtete ein Herausgeber des „Hangzhou City Express“ über einen Patienten seiner Heimatstadt. Nachdem er in einer Fabrik gearbeitet hatte, wurde er krank und kurzatmig. Weil er die erforderlichen fünf Unterlagen, die für einen Antrag auf Berufskrankheit notwendig sind, nicht beibringen konnte, wurde bei ihm nie eine Diagnose gestellt. Der Herausgeber brachte ihn zu einem örtlichen ODPTC. Der Arzt teilte ihm mit, dass er eine Röntgenaufnahme machen könne, aber er würde ihm nicht mitteilen, ob es sich um Staublunge handele und wie weit die Krankheit fortgeschritten sei.

Obwohl diese beiden Fälle und viele ähnliche weithin durch die Medien bekannt wurden, haben die Betroffenen keinen Vorteil durch die Veröffentlichung gehabt.

Systematischer Missbrauch

Nach dem chinesischen Gesetzbuch müssen Arbeiter mit Schutzausrüstungen versorgt werden. He erklärt, dass dieses Gesetz nicht angewandt wird. „Weil das Arbeitsministerium ein Abkommen mit den Fabriken hat, bekommt es Zuwendungen. Darum geben die Inspektoren vor, nichts zu bemerken. Das ist systematisch“, sagt He.

Ein kleiner Junge wird gegen Kohlenstaub geschützt in Linfen in der Provinz Shanxi, der Stadt, die 2007 nach einer Untersuchung von der Weltbank als die Stadt mit der schlimmsten Luftverschmutzung bezeichnet wurde. (Peter Parks/Getty Images)Ein kleiner Junge wird gegen Kohlenstaub geschützt in Linfen in der Provinz Shanxi, der Stadt, die 2007 nach einer Untersuchung von der Weltbank als die Stadt mit der schlimmsten Luftverschmutzung bezeichnet wurde. (Peter Parks/Getty Images)

Die Arbeiter erhalten auch keine Informationen über die Gefahren, denen sie bei ihrer Arbeit ausgesetzt sind. „Falls die Arbeitgeber die Arbeiter darüber aufklärten, würde das bedeuten, dass sie in voller Kenntnis etwas Falsches tun. Wäre das nicht eine Katastrophe für sie?“

„Heutzutage sind die Fabrikleiter sehr gerissen“, erklärt He. „Sie stellen die Leute nur für zwei oder drei Jahre ein und feuern sie dann. Sie lassen sie nicht mehr in ihrer Fabrik arbeiten. Warum? Weil die Arbeiter nicht dann erkranken, während sie noch in der Fabrik arbeiten. So braucht der Fabrikleiter keine medizinischen Kosten zu übernehmen.“

Sollte ein Arbeiter wie Zhang medizinische Hilfe brauchen, so hat nach dem bestehenden System der Arbeitgeber den größten Einfluss. Nach Chinas „Gesetz für Prävention und Behandlung von Berufskrankheiten“ brauchen die Arbeiter eine schriftliche Erlaubnis ihres Arbeitgebers, um sich im staatlichen Institut untersuchen zu lassen. Die Hürden, die Zhang überwinden musste, als er zum örtlichen ODTPC ging, sind typisch.

Wenn einem Arbeiter die Behandlung verweigert wird, kann er nur eines tun: „Auf den Tod warten. Nachhause gehen und dort auf den Tod warten“, sagt He.

Statistiken aus dem Jahre 2006 belegen, dass in 16 Millionen Betrieben in China mit giftigen und gefährlichen Stoffen gearbeitet wurde. Zweihundert Millionen Menschen waren betroffen. Bei achtzig Prozent der Patienten, die eine Berufskrankheit hatten, wurde Staublunge festgestellt. Nach staatlichen Statistiken wurde über 580 000 Fälle von Staublunge seit 1950 berichtet. 140 000 davon sind inzwischen gestorben. Diese Zahlen stammen aus staatseigenen Betrieben, die einen besseren Arbeitsschutz bieten als die privaten kleinen Betriebe.

He berichtet, dass unabhängige Untersuchungen ergeben haben, dass jedes Jahr eine Million neuer Fälle von Lungenkrankheiten bei Arbeitern festgestellt werden und bei Menschen, die in der Nähe solcher Fabriken wohnen. Einige Orte werden „Staublungendörfer“ genannt.

In diesem Kontext ist die schnelle Reaktion im Falle Zhangs als eine Propagandaaktion anzusehen, durch die die örtlichen Behörden ihr Gesicht gewahrt haben. Es ist kein Ansatz zur Lösung der Probleme.

He erklärt, der Staat wolle im Falle Zhangs demonstrieren, dass „er sich sehr um die Angelegenheit kümmert. Wenn man sich aber die Statistiken anschaut, stellt man fest, dass die Regierung sich überhaupt nicht kümmert.“

In der Diskussion über Billigarbeit in China stehen die niedrigen Löhne im Vordergrund. Die Notlage der Arbeiter wie der Fall von  Zhang demonstriert, was noch alles damit zusammenhängt, um die Kosten niedrig zu halten.

Für Arbeiter, die in einer vergifteten Umgebung arbeiten, gibt es keine Schutzmaßnahmen, sie bekommen von ihrem Arbeitgeber keine Erlaubnis, sich medizinisch untersuchen zu lassen, sie erhalten keine Diagnose ihrer Krankheit vom staatlichen Institut und sie bekommen keine kostenlose medizinische Versorgung und keine Entschädigung, auf die sie Anspruch haben. Es gibt keine unabhängige Gewerkschaft, die ihnen helfen könnte und die Behörden stehen nicht auf ihrer Seite.

He betrachtet Zhangs Fall nachdenklich und erklärt: „Warum benutzt die ganze Welt China als ihre Fabrik? Weil die Behörden weder die Arbeiter noch die Umwelt schützen.“

Mit Material von Matthew Robertson

Originalartikel (englisch): http://www.theepochtimes.com/n2/content/view/20589/

(Peter Parks/Getty Images)
(Peter Parks/Getty Images)

 



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion