Schneedrama in Chinas Provinzen

Soldaten unterstützen – ohne Räumfahrzeuge, ohne Schaufeln, ohne Streugut
Titelbild
Chinesische Wanderarbeiter sind am stärksten betroffen vor ihrer jährlichen Heimreise zum chinesischen Neujahrsfest. (AP Photo/EyePress)
Von 30. Januar 2008

GUANGZHOU. Hauptbahnhof – es schneit weiter, überall ist es eiskalt. Hunderttausende Menschen drängen sich so dicht aneinander, dass man sich kaum bewegen und atmen kann. Obwohl der Bahnhof den Verkauf der Bahntickets komplett eingestellt hat, gibt keiner unter den Wartenden so leicht die Hoffnung auf, irgendwann doch eine Möglichkeit zu bekommen, in die Heimat zum Frühlingsfest zurück fahren zu können. Über Nacht ist die Zahl der wartenden Reisenden um 120.000 angestiegen. „Zu Hause sehnen sich die Kleinen und die Älteren danach, dass ich mit ihnen zusammen das Neujahrsfest feiern kann. Egal wie mühsam und unangenehm es jetzt für mich ist, ich muss nach Hause fahren!“ Der vor einem Jahr nach Guangzhou gekommene Wanderarbeiter Liu aus der Provinz Hubei erklärt das der Stadtzeitung „Xinkuai Bo“. Mit zwei anderen Leuten vom Land hat Liu draußen unter der Brücke vier Nächte auf dem Boden verbracht. Sie haben gemeinsam nur eine Matte und eine dünne Decke. Ihre Tickets nach Hause sind für den 26. Januar. „Nach Hause zu fahren ist bedingungslos. Egal wie viele Tage ich hier noch warten muss, Frau und Kinder zu Hause zu treffen ist das Wichtigste!“

Bewusstlos durch Kälte und Hunger

„Es ist so eng, dass ich meine Beine gar nicht bewegen kann. Wir fühlen uns wie erstickt.“ Die 36-jährige Wanderarbeiterin Sun Yanhua aus Hubei mit ihrer 8-jährigen Tochter drängt sich durch die Menschenmassen. „Den ganzen Tag hat meine Tochter nur ein Brot gegessen und ich einen Apfel.“

Die vorübergehend eingerichteten Wartezelte um den Bahnhof waren dicht gedrängt voll wie mit Sardinen bestückt. Bei der unerträglichen Müdigkeit konnte man nur auf der Schulter eines Nebenstehenden ein kurzes Schläfchen halten. Ein Mann aus der Provinz Hunan erzählte, dass seine Frau in Ohnmacht gefallen sei. Seine Frau stützte sich auf ihn, ihr Gesicht war ganz blass. „Allein gestern sind mindesten 70 Menschen bewusstlos geworden. Heute gibt es bis jetzt schon 37 Fälle“, sagte die Mitarbeiterin der Notdienststelle des Bahnhofes Yan Yan gegen 14 Uhr. „Wir sind so beschäftigt, dass wir kaum Zeit haben, etwas zu essen. Die meisten sind aufgrund von Kälte und Hunger sehr schwach und einfach umgefallen.“ Nach der Behandlung sind die meisten wieder normal, bestätigte die Verantwortliche der Notdienststelle Luo Qionghua.

Täglich über 100 Tonnen Müll

120 Reinigungskräfte werden täglich von dem lokalen Umweltamt zusätzlich für den Bahnhof eingesetzt. Aufgrund der vielen Menschen waren die Aufräumungsarbeiten extrem schwer, weil die Müllwagen unmöglich in den Bahnhof hinein fahren können und der Müll nur von Menschen hinaus getragen werden kann. „Überall ist es so voll, viele Menschen lösen einfach auf dem eigenen Platz das Problem, weil sie keine Chance haben auszutreten“, wies eine Reinigungsmitarbeiterin auf die äußerst kritische Lage der Hygiene in den Warteräumen hin. „Es stinkt so stark. Es gibt alles Mögliche.“ Täglich werden über 100 Tonnen Müll abgeräumt.

Soldaten unterstützen – ohne Räumfahrzeuge, ohne Schaufeln, ohne Streugut

Der neuesten veröffentlichten Statistik der Abteilung für Nothilfe bei Katastrophen des Ministeriums für Zivil- und Sozialangelegenheiten zufolge sind bis zum 28. Januar rund 77.862 Millionen Menschen in 14 Provinzen einschließlich Anhui, Jiangxi, Henan und Hunan von dem schweren Schneefall seit dem 10. Januar betroffen. Mindesten 24 Menschen sind ums Leben gekommen. Der direkte Schaden erreicht 22,09 Milliarden Yuan (rund 2.209 Milliarden Euro). In den meisten Provinzen setzt sich der Schnellfall fort, die Anzahl der Betroffenen steigt stetig. Schnee und Eis haben den Zugverkehr zum Erliegen gebracht, Schnellstraßen und Flughäfen mussten geschlossen werden. Der Strom ist ausgefallen, die Wasser- und Lebensmittelversorgung bricht fast zusammen. Die Preise von Lebensmitteln, besonders von frischem Gemüse, erhöhten sich erheblich. Laut der Behörde verschlimmert sich die Situation in den betroffenen Provinzen immer weiter. Das staatliche Wetteramt erwartet in den kommenden Tagen neue Schneefälle im Osten und Süden des Landes.

Laut der staatlichen Nachrichten am Mittwoch sind fast eine halbe Million Soldaten von der chinesischen Regierung mobilisiert worden, um die Opfer des härtesten Winters seit 50 Jahren zu unterstützen. Doch werden die Probleme so schnell nicht verschwinden, da sich die Lage doch schon sehr weit entwickelt hat und es in den betroffenen Provinzen im Südchina gar kein passendes Werkzeug für Schneefall gibt. Keine Räumfahrzeuge, keine Schneeschaufeln, kein Streugut. Zwar hat der Premierminister Wen Jiabao auch am Mittwoch, den zweiten Tag in Folge, betroffene Regionen besucht, trotzdem stellte die chinesische Bevölkerung die Frage, warum alles erst so spät passiert. Der erste Schneefall war schon am 10. Januar.

Großtaten der Parteikader

Die größte Parteizeitung „People Daily“ und der größte staatliche Fernsehsender CCTV haben erst am 27. Januar Berichte über den Schnellfall gebracht, wobei hauptsächlich darüber berichtet wurde, wie die Parteikader die Kälteopfer unterstützten. Am 29. Januar stellt das Eisenbahnverkehrsministerium die Situation des Bahnverkehrs sehr optimistisch dar: die Ordnung des diesjährigen Bahnverkehrs zum chinesischen Neujahrsfest sei besser als in den vergangenen Jahren. Es gäbe keine Masse von Reisenden, die keine Chance auf Beförderung haben. Ist diese Darstellung des Ministeriums nicht eine offensichtliche Lüge?



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