Shanghai: Warum Chinas wilde Casino-Börse plötzlich 13 Prozent verlor

Chinas Börsen hatten in der vergangenen Woche die schlechteste Woche seit fünf Jahren. Der Shanghaier Börsenindex SSE Composite fiel insgesamt um 13,32 Prozent, der Index der kleineren Shenzhener Börse um 13,11 Prozent. Donnerstag und Freitag waren die beiden Tage, an denen es zu dem Kurssturz kam. Freitag sank die Shanghaier Börse um 6,5 Prozent.
Titelbild
Das dürfte das Ende des Rekordanstiegs sein: Donnerstag und Freitag verlor die Shanghaier Börse überraschend 13 Prozent.Foto: STR/AFP/Getty Images
Von und 23. Juni 2015

Chinas Börsen hatten in der vergangenen Woche die schlechteste Woche seit fünf Jahren. Der Shanghaier Börsenindex SSE Composite fiel insgesamt um 13,32 Prozent, der Index der kleineren Shenzhener Börse um 13,11 Prozent. Donnerstag und Freitag waren die beiden Tage, an denen es zu dem Kurssturz kam. Freitag sank die Shanghaier Börse um 6,5 Prozent.

Der Einbruch kam unerwartet und beendete einen Höhenflug, der in den vergangenen zwölf Monaten alle Rekorde gebrochen hatte. Die Börse hatte um 152 Prozent zugelegt – mehr als 6 Billionen US-Dollar an Marktwert. Strategen von BlackRock Inc., Credit Suisse und der Bank of America hatten deshalb letzte Woche vor der Blase gewarnt. „Jetzt kommt die Korrekturphase“ konstatierte ein Bloomberg-Artikel dazu.

Chinas wilde Casino-Börse

Was nur wenige Westler wissen: Chinas Börse tickt anders als die Aktienmärkte im Rest der Welt. Sie ist wilder und spekulativer und hat für den Normalbürger nahezu Casino-Funktion. Einerseits wird sie von Großanlegern dominiert, die die Richtung vorgeben.

Andererseits kann der riesige Schwarm der kleinen Fische, die auch ein Stück vom Kuchen bekommen wollen, leicht in Panik geraten, was ihre Schwankungen vergrößert. Gerade im vergangenen Jahr, seitdem die Wirtschaft stagnierte, stiegen Hinz und Kunz in den Aktienmarkt ein, nicht zuletzt weil die Regierung es empfahl.

Bloomberg stellte im März fest, dass 60 Prozent von Chinas neuen Anlegern maximal Hauptschulabschluss haben und 6 Prozent von ihnen Analphabeten sind. Für sie sind Aktiengeschäfte wie Mahjong im Großformat.

Aktienmarkt soll das BIP ankurbeln

Der Business Insider nannte dies in einem aktuellen Artikel ein „gefährliches Spiel“. Das Regime versucht, das Volk zu Börsenaktivitäten zu animieren, um das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu boosten. Wenn es dumm kommt, geschieht bei einer Börsentalfahrt genau das Gegenteil und das BIP wird gedrückt. In Chinas Medien wurde bereits der Begriff der „neuen Normalität“ geprägt, damit die Bevölkerung nichts allzu Rosiges von der wirtschaftlichen Zukunft erwartet.

Business Insider listete auf: Seit anderthalb Jahren stagniert Chinas gesamtes Wirtschaftswachstum und die diesmalige Verlangsamung ist anders als die der Wirtschaftskrise von 2009, die von externen Faktoren verursacht wurde. Diesmal bedrücken China hausgemachte Probleme, wie die Immobilienpreisblase und die hohe Verschuldung privater und staatlicher Unternehmen. Die Beratungsfirma MTI stellte per Statistik fest, dass die Staatsverschuldung in China fast dreimal so hoch wie das BIP ist und damit bei 300 Prozent liegt.

Sollten nun viele Menschen durch einen Börsencrash alles verlieren, könnte dies soziale Unruhen zur Folge haben. Allerdings sind die Chinesen einiges gewöhnt und es müsste viel passieren, bis es dazu kommt. Fakt ist jedoch: Chinas Regierung animierte ihr Volk erst im Mai „ihre Ersparnisse dafür einzusetzen, um die Wirtschaft anzukurbeln“. Die Volkstageszeitung veröffentlichte ein Interview mit einem sogenannten „Insider“, der dem Normalbürger genau dies und zu Aktieninvestitionen riet.

Andere Experten raten zum Gegenteil: Der Finanzkolumnist Xiang Xiaotian zum Beispiel schrieb auf seinem Sina-Blog, man sollte möglichst schnell Aktien verkaufen und sein Geld retten: „Der Aufschwung der chinesischen Börse hat seinen Gipfel erreicht und es geht wieder nach unten.“

Am meisten hätten diejenigen Investoren verloren, die zwischen 1 und 5 Millionen Yuan investiert hatten. Solche Beträge würde er derzeit lieber in Immobilien investieren, weil sie momentan relativ günstig seien. (Dem chinesischen Immobilienmarkt gehe es zwar auch nicht gut, aber wenigstens würde dieser nicht 13 Prozent in nur einer Woche verlieren.)

Warum der plötzliche Absturz?

Reuters sah den Grund für den plötzlichen Absturz in der Geldpolitik der chinesischen Regierung, der in letzter Zeit eine klare Richtung gefehlt habe. Dies hätte die Investoren verunsichert, so Reuters. Für eine Weiterführung der QE-Politik, welche der Markt gewöhnt war, hatten drei Zeichen gefehlt.

Eine erwartete Zinssenkung im Juni war ausgeblieben, man hatte die Verlängerung von MLFs erwartet (Medium-term Lending Facility) und zur Kenntnis genommen, dass die Zentralbank mit einem Anstieg des Consumer Price Index CPI für das zweite Halbjahr 2015, und damit einer Verbesserung der Wirtschaftslage, rechnet. Weil die Investoren daraus schlossen, dass auf die Lockerungspolitik kein Verlass sei, hätten sie nicht mehr weiter investiert, sondern ihr Geld abgezogen, so Reuters.

„Die große Talfahrt kommt noch“

Ein Honkonger Wertpapierhändler von BOCOM International Holdings meinte, dass sich das Schicksal der chinesischen Börsenblase in den nächsten sechs Monaten entscheiden werde. Von Juli bis Jahresende sei das Zeitfenster, in dem sich zeigen werde, ob die Blase sanfter oder härter landet.

Chefstratege Hong Hao meinte dazu: „Die Blase ist offensichtlich. Der Markt wird wahrscheinlich eine sehr schwankende Phase erleben und danach eine große Talfahrt. Jetzt befinden wir uns noch in der Schwankungsphase.“



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion