Chinas Zentralbank-Kompromiss für Wirtschaftwachstum und Machterhalt

Schwächelnde Wirtschaft, sinkende Exporte, Krise im Immobilienmarkt, verschuldete Lokalregierungen. Chinas Situation ist schwierig in diesen Tagen. Nun geht Xi Jinping einen Kompromiss zwischen Parteigefolgschaft und fachlichen Fähigkeiten ein. Vorübergehend, wie Experten meinen.
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Yi Gang, Chef der chinesischen Zentralbank.Foto: Lintao Zhang/Getty Images
Von 15. März 2023

Chinas Nationaler Volkskongress hat am 12. März die von Xi Jinping gewünschte neue Regierung bestätigt. Loyalität schlägt Sachverstand, schien die Devise gewesen zu sein. Der resultierende Kurs Pekings machte vielen Sorgen. Doch im Bereich Wirtschaft und Finanzen gab es einen Kompromiss entgegen dem Trend.

Zentralbankchef Yi Gang und Finanzminister Liu Kun sollten eigentlich in den Ruhestand gehen. Nun sollen sie doch in ihrer Position bleiben. Besonders Yi Gangs Wiederernennung wurde international mit Aufmerksamkeit wahrgenommen. Yi Gang, ein in den USA promovierter Wirtschaftswissenschaftler, war seit 2018 Zentralbankchef und wurde nach dem Parteitag im vergangenen Oktober nicht mehr auf der Liste der Zentralkomitee-Mitglieder geführt. Sein Ruhestand galt daher als sicher.

„Bloomberg“ sieht viele Analysten überrascht. Viele hätten dem Blatt zufolge die Besetzung der beiden Positionen durch Männer mit engeren persönlichen Beziehungen zu Xi erwartet.

Chinas schwächelnde Wirtschaft soll in diesem Jahr wieder durchstarten, fünf Prozent Wachstum sind geplant. Im vergangenen Jahr erbrachte China offiziell nur drei Prozent, eine der schwächsten Leistungen seit Jahrzehnten.

Hinzu kommen die Immobilienkrise und sinkende Exporte. Nach drei Jahren Null-COVID-Politik mit Lockdowns, Quarantänelagern, enormen und teuren Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen stehen zudem die überschuldeten Lokalregierungen am Rande des Ruins.

All das sowie möglicherweise auch das Überleben der Kommunistischen Partei und ihres kostenintensiven Machtapparats könnte dazu beigetragen haben, dass Xi hier einen Kompromiss eingehen musste – zumindest zeitweise.

„Die Tatsache, dass die wichtigsten Technokraten bleiben, sollte den Markt beruhigen und das Risiko von Fehlern bei der Umsetzung der Politik verringern“, sagte Qian Wang, Chefökonom der Vanguard Group für den Asien-Pazifik-Raum.

Die chinesischsprachige Epoch Times kommt in ihre Analyse zu einem ähnlichen Ergebnis. Das Verbleiben von Yi Gang im Amt zeige, dass die KP Chinas mit zahlreichen Schwierigkeiten konfrontiert sei, deren Lösung erfahrene Technokraten erfordere. Zum anderen wolle China damit ein positives Signal an den Markt senden.

Erhöhung der Kontrolle über die Zentralbank

Vielleicht brauchen die Partei- und Staatsführer Yi Gang aber für ein weniger beachtetes, aber nicht minder bedeutsames Unterfangen.

Denn Peking bereitet sich darauf vor, die zentralen Instanzen der Wirtschafts- und Finanzsteuerung zu restrukturieren. In den westlichen Gesellschaften würde es um nichts weniger als die Umgestaltung der Zentralbanken gehen. Ein Ding der Unmöglichkeit, da diese unabhängig sind.

Doch das ist in China grundlegend anders. Zwar wird die Chinesische Volksbank (People’s Bank of China) auch als Zentralbank bezeichnet. Sie hat auch ein ähnliches Aufgabenspektrum wie die westlichen Zentralbanken, ist aber zu einem großen Teil weisungsgebunden. Ihre Weisungen erhielt sie bisher von der „China Banking and Insurance Regulatory Commission“.

Auf einigen Gebieten konnte sie aber auch relative freie Entscheidungen treffen. In Zukunft soll die „State Financial Regulatory Commission“ diese Aufsichtsfunktionen übernehmen. Dabei sollen die Kontrollfunktionen erweitert werden. Xi will so eine effektivere Kontrolle der Zentralbank durch die KPCh erreichen.

Christopher Beddor, stellvertretender Direktor für China-Research bei Gavekal Dragonomics, erklärte gegenüber der „Financial Times“, dass die institutionellen Reformen der KPC zeigten, „dass die People’s Bank of China eindeutig einer strengeren staatlichen Aufsicht unterliegen wird“. Dazu gebe es auf den Märkten einige Bedenken hinsichtlich dessen, was das bedeuten könnte. Indem man sich – „zumindest vorerst“ – für personelle Kontinuität entscheide, sei dies eine „gewisse vertrauensfördernde Maßnahme für die Märkte“, so der China-Analyst.

„Die Kabinettsminister können jederzeit umbesetzt werden“, erinnerte andererseits Chen Long, Mitbegründer des in Peking ansässigen Forschungsunternehmens Quanhui Research (Plenum) gegenüber der „Financial Times“.

Mit dieser Ansicht steht er nicht allein da. „Da Yi keine Führungsposition in der Kommunistischen Partei mehr innehat, ist es möglich, dass seine Wiederernennung eine ‚vorläufige Vereinbarung‘ für mehrere Monate oder ein Jahr sein könnte“, twitterte der hochrangige „Bloomberg“-Journalist und Beobachter der chinesischen Wirtschaft, Tom Hancock, am 12. März.

Umbildung noch nicht abgeschlossen

Die Parteisekretäre der Ministerien und Aufsichtsbehörden wurden am Sonntag noch nicht ernannt. Und diese haben im KP-System oft mehr Macht über wichtige Entscheidungen als die Regierungsbeamten.

Die chinesische Epoch Times erinnert daran, dass in der vergangenen Woche mehrere einflussreiche neue Behördenleiter vom Nationalen Volkskongress bestätigt worden seien. Jedoch hätten diese bisher noch keine Ernennungen bekannt gegeben, was darauf hindeute, dass weitere Umstrukturierungen in der Führungsspitze zu erwarten sind.

Yi Gangs Aufgabe scheint keine einfache zu werden. Chinas Zentralbank, so ein anonym bleibender politischer Insider gegenüber „Reuters“, werde in diesem Jahr „weiterhin moderat verlieren“. Zudem seien die Chancen auf größere Reformen gering.

Ob der Technokrat Yi – nun nicht mehr im Zentralkomitee – auch politisch stark genug ist, Änderungen herbeizuführen, bleibt abzuwarten. Wie „Bloomberg“ schreibt, musste sich der Zentralbankchef in den letzten Jahren die Verantwortung mit dem KPC-Parteisekretär bei der Zentralbank teilen. Der bisherige Posteninhaber Guo Shuqing wird wohl in den Ruhestand gehen. Wer nachfolgt, ist noch nicht bekannt.



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