Wuhan: Corona-Whistleblower nach drei Jahren Haft freigelassen – nun ist er obdachlos

Der Bürgerjournalist Fang Bin wurde nach drei Jahren Haft in China freigelassen. Jahrelang war über seinen Verbleib nichts bekannt. Seine Berichte aus dem abgeriegelten Wuhan wurden ihm zum Verhängnis.
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Der Bürgerjournalist Fang Bin (r.) verschwand nach seinen Corona-Reportagen aus Wuhan.Foto: Getty1195923432-Istockphoto/gip311/Screenshot Internet
Von 19. Mai 2023

Kürzlich erst wurde der chinesische Bürgerjournalist und Falun-Gong-Praktizierende Fang Bin aus einer Haftanstalt der Kommunistischen Partei Chinas entlassen. Seit Februar 2020 galt er als vermisst.

Fang Bin wurde am 30. April nach einer dreijährigen Haftstrafe freigelassen. Derzeit soll der ehemalige Unternehmer aus Wuhan auf der Straße leben. Internen Informationen nach hatte man ihm vorgeworfen, „Streit zu schüren und Unruhe zu stiften“, ein vager Vorwurf, der häufig zur Unterdrückung der freien Meinungsäußerung verwendet wird.

Nach Angaben der taiwanischen Nachrichtenagentur „Liberty Times Net“ wurde Fang in einem geheimen Verfahren vor dem Bezirksgericht Jiang’an in Wuhan verurteilt. Offizielle Gerichtsdokumente sind nicht veröffentlicht worden, berichtet das Falun-Dafa-Informationszentrum über den Fall. Dem Bericht nach seien mindestens zehn weitere Falun-Gong-Praktizierende verhaftet worden, weil sie während der Pandemie als Bürgerjournalisten tätig waren.

Obdachlos nach der Haft

Anonyme Quellen hatten demnach gegenüber dem US-finanzierten Washingtoner Sender „Radio Free Asia“ erklärt, dass die Polizei in Wuhan Fang Bins Verwandte Mitte April über die geplante Freilassung informiert hatte. Man setzte die Familienangehörigen unter Druck, ihn nicht bei sich aufzunehmen. Den Informationen nach wird der Bürgerjournalist ständig überwacht und lebt auf der Straße. „Fang Bin wandert in seiner Heimat umher und appelliert an Xi Jinping, ihn in Frieden leben zu lassen“, sagte der Insider.

Berichten zufolge schickte die Polizei ihn nach seiner Freilassung von Wuhan nach Peking. Dort soll er am 30. April angekommen sein, berichtet die chinesischsprachige Epoch Times. Sein dort lebender Sohn gab ihm eine Mahlzeit, kaufte ihm ein Kleidungsstück und erklärte seinem Vater, dass er ihn nicht aufnehmen könne, der Behörden wegen. Die Pekinger Polizei wollte auch nicht, dass Fang Bin in der Hauptstadt bleibt. Sie kauften ein Ticket für einen Hochgeschwindigkeitszug nach Wuhan und setzen Fang Bin hinein.

In Wuhan angekommen, kam er kurzfristig im Haus seiner Schwester unter. Dort wurde er von der Polizei und dem Nachbarschaftskomitee streng überwacht. Als er am Nachmittag des 1. Mai in seinen früheren Laden für traditionelle Kleidung auf dem Hankou-Nord-Großmarkt ging, stellte er fest, dass seine Waren und Einrichtungsgegenstände verschwunden waren.

Der Insider sagte: „Fang Bins Schwester steht möglicherweise unter Druck und möchte nicht, dass Fang Bin in ihrem Haus lebt.“ Er erklärte, dass er am Abend nach einer neuen Unterkunft in Wuhan suchen werde. Doch die Polizei von Wuhan wolle auch nicht, dass er in der Stadt bleibe. Am Abend lief Fang Bin ohne Geld durch die Straßen von Wuhan, hieß es, gefolgt von jemandem, der ihn auch da noch überwachte.

US-Kommission forderte Freilassung

Zuvor hatte im Februar 2023 die China-Kommission des US-Kongresses die Freilassung des Bürgerjournalisten gefordert. Zu diesem Zeitpunkt war Fan Bings Aufenthaltsort der Kommission unbekannt – und auch, ob der „Graswurzelreporter“ aus Wuhan überhaupt noch lebt.

Die Exekutivkommission für China des US-Kongresses (CECC) wurde im Oktober 2000 mit der Aufgabe gegründet, die Entwicklung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in China zu überwachen und dem Präsidenten und dem Kongress Jahresberichte vorzulegen. Der Ausschuss erklärte: „Fang Bin, ein Bürgerjournalist und Falun-Gong-Praktizierender, wurde heute vor drei Jahren festgenommen, weil er über den COVID-19-Ausbruch berichtet hatte.“ Der verschwundene Chinese wird in der „Political Prisoner Database“ des CECC als Dissident geführt.

Eine prodemokratische Aktivistin (M.) der HK Alliance protestiert am 19. Februar 2020 mit einem Foto des vermissten Bürgerjournalisten Fang Bin vor dem chinesischen Verbindungsbüro in Hongkong. Foto: Isaac Lawrence/AFP via Getty Images

Fang Bins gefährliche Recherchen

Am 25. Januar 2020, zwei Tage nach Beginn des militärischen Lockdowns in Wuhan, veröffentlichte Fang Bin sein erstes Video in Social Media und auf YouTube über die Zustände in jener chinesischen Provinzhauptstadt, in der die Corona-Pandemie ihren Ursprung hatte. Die in China verbotene Videoplattform kann dort nur über den Umweg über virtuelle private Netzwerke (VPN) besucht werden, die die staatliche Zensur und die Firewall „Golden Shield“ unterlaufen.

Ereigneten sich zuvor noch dramatische Ereignisse auf den Straßen und in den Einkaufspassagen, als Menschen plötzlich zusammenbrachen und liegenblieben, zeigten Fang Bins Videos kaum noch Autos oder Menschen. Gespenstische Stille und gähnende Leere in vielen Straßen der sonst so lebhaften Millionenmetropole.

In seinen Videos versuchte der Bürgerjournalist auch die Geschehnisse in den überfüllten Krankenhäusern Wuhans zu dokumentieren und berichtete von in Vans gestapelten Leichen in Säcken. In seinen Videos kritisierte er nicht nur die Regierung, sondern auch die großen Medien. Er fragte, wo sie denn seien, jene, „die ganz viel Geld haben, die großen Nachrichtensender wie Xinhua, People’s Daily, CCTV, Hubei TV, Wuhan TV […] ihr habt alle so viel Geld“. Er fragte: „Warum kommt ihr nicht an die Front, in die Krankenhäuser und berichtet von hier?“

Die Leute vom „Fieber messen“ kommen

Am Abend des 1. Februar wurde Fang Bin gegen 19 Uhr von mehreren Männern in Schutzanzügen zu Hause abgeholt. Die Männer gaben vor, seine Körpertemperatur messen zu wollen. Dann brachen sie die Tür auf und nahmen seinen Computer und seinen Laptop mit. Zuvor konnte der Bürgerjournalist noch ein Video seiner Diskussion mit den Beamten vor der Tür in den sozialen Medien hochladen. Das Video wurde unter anderem im Ausland auf Twitter veröffentlicht – aufgrund der Zeitmarke wahrscheinlich mit vier Stunden Zeitverschiebung zurück in den USA. Sein Fall wurde populär. Man ließ ihn spät in der Nacht wieder laufen.

Er postete noch in der Nacht ein Videostatement und berichtete über seine Verhaftung durch Agenten der Nationalen Sicherheit: „Meine Sicherheit hängt von euch ab. Es hat keinen Sinn, Angst zu haben. Es hat keinen Sinn, sie anzuflehen. Je mehr Angst du hast, umso schlimmer wird es.“ Er schlug vor, eine landesweite Selbsthilfebewegung zu gründen. „Es ist eine landesweite Bewegung der gegenseitigen Hilfe. Ich bin ein perfektes Beispiel. Ihr alle habt mich rausgeholt. Ich danke euch allen sehr.“

Verschleppt für die Wahrheit

Am 10. Februar 2020, nachmittags gegen 15:00 Uhr, wurde Fang Bin erneut abgeführt. Diesmal verschwand er für lange Zeit von der Bildfläche. Mehrere chinesische Benutzer hatten auf Twitter die Verhaftung des Bürgerjournalisten bestätigt. Laut Zeugenberichten drang die Polizei zusammen mit Feuerwehrleuten gewaltsam in Fang Bin’s Wohnung in Wuhan ein und verschleppten ihn.

In der bereits erwähnten „Political Prisoner Database“ der US-Kommission für China heißt es: „Fang erklärte, seine Motivation für den Bürgerjournalismus sei es gewesen, die ‚wahre Geschichte zu erzählen, die jeder wissen muss‘, die aber im staatlichen Fernsehen nicht zu sehen war.“ Bereits 2013 habe Fang Videoaufnahmen von „schwarzen Gefängnissen“ gedreht, in denen die Behörden Bürger willkürlich inhaftierten. In der Datenbank sind nur wenige Informationen zu seiner ersten Verhaftung zu finden, von der zweiten Verhaftung weiß man nur das Datum – sonst nichts.



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