Der Tod wird in Kauf genommen
„25 Tote bei Grubenunglück“, hieß es am 14. Februar in einer Kurzmeldung im chinesischen Fernsehen. In China sind derlei Nachrichten schon so alltäglich, dass sie, wie in diesem Fall, z.B. erst nach ausgedehnten Reportagen über einsetzende Schneefälle im Norden gebracht werden. Am Dienstag, den 15. Februar, meldete die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua bereits 203 Todesfälle bei dem Grubenunglück. Mittlerweilen ist die Rede von 213Toten und die Katastrophe im Sunjiawan Bergwerk der Stadt Fuxin, Provinz Liaoning, ist damit das grösste Grubenunglück seit 50 Jahren in China.
Über 1.000 Soldaten riegelten das Gelände ab und drängten lokale Journalisten zurück, die selber recherchieren wollten. Die Propaganda-Abteilung der Provinzregierung erteilte Anweisung, dass nur die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua als Informationsquelle genutzt werden dürfe.
Eine einfache Rechnung
Der 14. Feb., im Westen als Valentinstag kaum von Bedeutung, liegt in den einwöchigen Neujahrsferien in China, die mit dem traditionellen chinesischen Neujahr am 9. Feb. begannen. Als die Gasexplosion das Sunjiawan Bergwerk erschütterte und damit 213 Kumpels in den Tod riss, wurde im ganzen Land noch gefeiert. Im Unterschied zu anderen Arbeitnehmern stehen den Bergarbeitern in Sunjiawan nicht die einwöchigen Neujahrsferien, sondern nur der Silvestertag am 8. Feb. als Feiertag zu. So steht es in dem zwischen dortigen Kumpels und ihren Arbeitgebern abgeschlossenen Vertrag. Um in einer von hoher Arbeitslosigkeit belasteten Region den Arbeitsplatz zu sichern, akzeptieren die Kumpels in der Regel alle angebotenen Vertragsbedingungen, zu denen u.a. auch folgendes gehört: Um Arbeitsausfälle während der Neujahrsferien gering zu halten, werden umgerechnet ca. 40 EUR vom Arbeitgeber als Kaution zurückbehalten. Für jeden gefehlten Arbeitstag in der Ferienwoche werden ca. 10 EUR von diesem Betrag abgezogen. Auch sind Feiertagszuschüsse ausgeschlossen. Wenn ein Arbeitsunfall zu Teilarbeitsunfähigkeit führt, erhält der Betroffene umgerechnet ca. 400 EUR, führt er zu Vollarbeitsunfähigkeit, sind es ca. 600 EUR. Bei Tod durch Arbeitsunfall verpflichtet sich der Arbeitgeber zu einer einmaligen Abfindung von insgesamt umgerechnet ca. 2.000 EUR an die Hinterbliebenen. Da würden deutsche Arbeitnehmer nur staunen.
Von solchen Regelungen betroffen sind die Angehörigen von etwa 40 der 213 ums Leben gekommenen Kumpels. Diese waren leider nicht beim Sunjiawan Bergwerk, sondern bei Subunternehmen angestellt. Den Direktangestellten des Bergwerks steht eine Abfindung von etwa 20.000 EUR zu. Auch dies noch eine Summe, die es den Betreibern der Bergwerke leicht macht, über Mängel bei den Sicherheitsvorkehrungen hinwegzuschauen oder kaum in Sicherheitsmaßnahmen zu investieren.
Bergarbeiter sind doppelte Verlierer
Das Sunjiawan-Bergwerk, Schauplatz der verheerenden Katastrophe, gehört der Fuxin-Bergwerksgesellschaft, einer staatlichen Firma, die ein modernes Hochhaus im Zentrum einer Stadt mit etwa zwei Millionen Einwohnern besitzt. Für chinesische Verhältnisse ist das eine eher kleine Stadt. Der Wohlstand, auch wenn er für die Arbeiter nur gering wäre, erreicht die Bergarbeiter jedoch nicht. Die Kumpels leben mit ihren Familien in Häusern meist ohne sanitäre Einrichtungen und Heizung, in einer Region, in der im Winter hohe Minus-Temperaturen an der Tagesordnung sind. Das noch immer lückenhafte chinesische Sozialversicherungssystem sieht für viele Kumpels – und nicht nur für sie – weder Unfall- noch Krankenversicherung oder Altervorsorge vor.
Die Bergarbeiter sind die doppelten Verlierer des vermeintlichen „Wirtschaftswunders China“. Korrupte Funktionäre machen das Geld, die Bergarbeiter hingegen tragen bei geringem Verdienst das Risiko unter Tage. Wenn sie nicht in einen Unfall geraten, dann haben sie sicherlich die tödliche Staublunge, da die meisten sogar während der Mittagspause unter Tage bleiben um Zeit zu sparen.
Chinas Bergwerke gelten als die gefährlichsten der Welt
Kaum eine Woche ist vergangen und schon kommt die nächste Meldung von einem Grubenunglück mit 27 Toten, diesmal aus dem Südwesten Chinas. Letztes Jahr verloren nach offiziellen Angaben 6.027 Kumpels in China ihr Leben unter Tage. Das entspricht 80 Prozent aller tödlichen Unfälle in Kohleminen weltweit, obwohl China nur einen Anteil von 35 Prozent an der Welt-Kohleproduktion hat. Trauriges Rekordjahr war 2002 mit nach offiziellen Angaben beinahe 15.000 Toten. Amtlichen Statistiken zufolge sterben jedes Jahr durchschnittlich rund 7.000 Bergleute bei Unglücken in Chinas Kohlegruben. Nach Berechnungen von Arbeitsrechtlern dürfte die tatsächliche Zahl dagegen bei 20.000 Toten im Jahr liegen.
Die Zahlen können noch steigen, da die Minen durch abnehmende Kohlevorkommen immer tiefer getrieben werden mit gleichzeitig steigender Gefahr für die Sicherheit der einfahrenden Kumpels. Da die Energieversorgung in China mit dem rapide steigenden Energiebedarf nicht Schritt halten kann, wurden schon im letzten Sommer in einigen Zonen flächendeckend Netze abgeschaltet, und der Tag könnte nicht fern sein, an dem China wegen Energiemangel erhebliche Einbußen im industriellen Bereich hinnehmen muss. Dann würden auch die Bauernopfer der Grubenarbeiter nicht mehr reichen.
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