Die Komik des Absurden

Aus dem Tagebuch eines verfolgten, chinesischen Menschenrechtsanwalts
Titelbild
Anwalt Gao Zhisheng fordert von der chinesischen Führung die Respektierung der Menschenrechte und das Ende der Verfolgung Unschuldiger.
Von 21. Januar 2006

Der bekannte chinesische Anwalt und Menschenrechtsverfechter Gao Zhisheng schrieb Ende vorigen Jahres drei Offene Briefe an die chinesische Führung und forderte darin die Staatsführer Hu Jintao und Wen Jiabao eindringlich auf, von der Verfolgung Unschuldiger abzulassen und die Nation auf einen Weg des Rechtes zu führen, zum Wohl für das Volk und als letzte Chance der Umkehr für die beiden Staatsführer selbst.

Anwalt Gao Zhisheng fordert von der chinesischen Führung die Respektierung der Menschenrechte und das Ende der Verfolgung Unschuldiger. 
<div id="print_offer_in_article"></div>
Anwalt Gao Zhisheng fordert von der chinesischen Führung die Respektierung der Menschenrechte und das Ende der Verfolgung Unschuldiger.

Noch 2001 stellte das chinesische Justizministerium Gao in die Reihe der zehn besten Anwälte Chinas. Seit der Veröffentlichung der drei Briefe wurde er im November 2005 zur Schließung seiner Anwaltskanzlei gezwungen. Inzwischen wird er 24 Stunden täglich auf Schritt und Tritt von etwa 20 Zivilpolizisten bewacht und überall hin verfolgt. Seine täglichen Berichte über Episoden dieser Verfolgung zeigen die Geradlinigkeit, aber auch den unglaublichen Humor des Anwaltes in dieser kritischen Situation.

Anwalt Gao Zhisheng schreibt:

Am 14. Januar 2006, dem 79. Tag der Belagerung

Wer rettet die Agenten und ihre Chefs?

Das merkwürdige Verhalten der Agenten in der letzten Zeit hat gezeigt, dass diejenigen, die [als Verantwortliche] dahinter stehen, mit mir keine Geduld mehr haben, nach dem sie in den letzten rund 80 Tagen mit mir und meiner Familie auf niederträchtige Weise umgegangen sind und dies keine Wirkung gezeigt hat. Ich als derjenige, der sich in dieser Situation befindet, kann sehr deutlich spüren, dass die „Hintermänner“ auch immer weniger Vertrauen zu sich selbst haben.

Heute Nachmittag, als ich ein Interview mit dem deutschen Magazin DER SPIEGEL hatte, habe ich einen Freund gebeten, meine Frau und meine Tochter mit meinem Wagen zum Einkaufen zu fahren. Da es aber das Auto von Gao Zhisheng ist, waren die Nerven der Agenten ziemlich angespannt. Sieben Autos ohne Nummernschild fuhren hinter meinem Wagen her. Mein Freund erzählte mir, überall, wo er fuhr, waren die anderen Autos hinter ihm, vor ihm, um ihn herum.

Einer der Zivilpolizisten, die den Anwalt auf Schritt und Tritt verfolgen und in der Vergangenheit auch vor Kollisionen mit fahrenden Autos nicht zurückschreckten. 
Einer der Zivilpolizisten, die den Anwalt auf Schritt und Tritt verfolgen und in der Vergangenheit auch vor Kollisionen mit fahrenden Autos nicht zurückschreckten.

Während der zwei Stunden, die meine Frau und meine Tochter in dem Kaufhaus waren, standen all die Zivilpolizisten um mein leeres Auto herum.

Sehr interessant war, als ich heute früh aus dem Haus ging, da hatte ich mein Wohnviertel kaum verlassen und schon waren die 20 Männer hinter mir. Als ich an einem Markt vorbei kam, zwinkerten mir die Standbesitzer, die diese Szene jeden Tag beobachten, schon zu. Bei einer Kfz-Werkstatt kamen fast alle Angestellten, etwa zehn junge Männer, heraus, um dem Ganzen belustigt zuzuschauen. Die meisten kennen mich und einer fragte: „Hast Du denn keine Angst, wenn dir jeden Tag so viele Agenten folgen?“ Ich zeigte auf meine Videokamera: „Das ist eine Waffe, die wahre Wunder wirkt. Wenn ich sie auf die Leute richte, dann wird sie das total erschrecken.“

Agenten mit Gesichtsschleier — alle waren belustigt

Dieses Bild wurde am 5. Januar 2006 in Peking aufgenommen. Der unter Bewachung von Zivilpolizisten stehende Rechtsanwalt Gao Zhisheng hatte sich mit dem Dissidenten Hu Jia und weiteren zehn Personen in einem Restaurant getroffen. Nach dem Essen stand vor dem Restaurant ein PKW, von dem aus ein Mann auf dem Rücksitz mit einer Videokamera Aufnahmen machte. Hu Jia ging auf ihn zu, in Panik versuchte der Mann sich zu verstecken.
Dieses Bild wurde am 5. Januar 2006 in Peking aufgenommen. Der unter Bewachung von Zivilpolizisten stehende Rechtsanwalt Gao Zhisheng hatte sich mit dem Dissidenten Hu Jia und weiteren zehn Personen in einem Restaurant getroffen. Nach dem Essen stand vor dem Restaurant ein PKW, von dem aus ein Mann auf dem Rücksitz mit einer Videokamera Aufnahmen machte. Hu Jia ging auf ihn zu, in Panik versuchte der Mann sich zu verstecken.

Daraufhin richtete ich meine Videokamera auf die 20 Agenten; sie waren so erschrocken, dass sie in alle Richtungen flohen. Es war eine sehr lustige Szene (gestern haben sie ja auf niederträchtige Weise versucht, mich am Filmen zu hindern. Diesen Kampf haben sie schon verloren)! Auf einmal waren viele Passanten an der Szene interessiert, sie blieben stehen und schauten zu. Die Agenten waren offensichtlich fassungslos, wagten aber nicht, mich zu verlassen. Jedes mal, wenn ich mich umdrehte, wiederholte sich die gleiche Szene und sie hauten ab. An die hundert Zuschauer haben sich über die Agenten kaputtgelacht. Als ich mich zum vierten Mal umdrehte, gab es ein unerwartetes Bild: die 20 Agenten hatten einen Schleier vor dem Gesicht, nur die Augen waren zu sehen. Man sieht, eine Notmaßnahme ihres Vorgesetzten nach dem gestrigen Vorfall. Zu dieser Zeit waren es schon etwa 200 Zuschauer. Die Leute hatten viel Spaß an der lustigen Szene, die sich ihnen bot. Es wurde gepfiffen und geschrieen. Das war das erste Mal seit fast drei Monaten, dass die Agenten die Bewohner der Umgebung so zum Lachen brachten! Manche riefen laut: „Brüder Agenten, kommt morgen noch mal vorbei.“

Eine neuer Einfall – 20 Agentinnen

Kurz nach dem Mittagessen kam  ein befreundeter Journalist der [japanischen] Agentur Kyodo. Als  ich runter ging, fiel mir etwas Merkwürdiges auf. Die Agenten waren spurlos verschwunden. Ich war von Trauer ergriffen: Wir hatten 79 Tage lang Tag und Nacht „zusammengelebt“, sind sie den so gefühllos, dass sie uns so einfach verlassen? Gerade als ich in solche Trauer verfiel,  bemerkte ich, dass sich etwa 20 junge Frauen in meiner Umgebung tummelten. In diesen fast 80 Tagen und durch die Überwachung der

 Ein anderer Zivilpolizist stieg schnell in das Auto und sie fuhren weg. Ein anderer Zivilpolizist stieg schnell in das Auto und sie fuhren weg.

Agenten habe ich eine unglaubliche Fähigkeit erworben. Wo auch immer ich mich befinde und wie viele Menschen um mich herum sein mögen, mit einem Blick kann ich schon einen Agenten herausfinden, auch wenn er zum ersten Mal auftaucht.

Das ist das so genannte „durch Kampf wird man befähigt". Ich  richtete meine Videokamera auf die Agentinnen, ihr Verhalten  war noch toller als das ihrer männlichen Kollegen am Vormittag. Sie hielten sich alle die Hand vors Gesicht, wandten sich zur Wand und rührten sich nicht! Die Bedeutung war sehr klar: Außer dem Gesicht brauchen wir nichts (ein Fortschritt zu den männlichen Kollegen). Sie haben in meine Tage der Überwachung eine neue Farbe gebracht, sonst ist alles wie bisher.“



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion