Kehrtwende in China: KP hat vor Omikron kapituliert – Ohne es so zu nennen

Das chinesische Regime bastelt sich sein Narrativ zur 180-Grad-Wende in der Corona-Politik. Ein Eingeständnis des Scheiterns der Null-COVID-Politik an Omikron bleibt aus.
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Arzt mit einer positiven Blutprobe für die neue Variante des Coronavirus-Stammes Omikron. Symbolbild.Foto: iStock
Von 15. Januar 2023


Nach der abrupten Abkehr von der Null-COVID-Politik hat sich Chinas Regime lange mit eindeutigen Erklärungen über die Gründe der Kehrtwende zurückgehalten. Die Neujahrsansprache von Machthaber Xi Jinping deutet an, dass die Führung ein Narrativ gefunden hat, um ihr Gesicht zu wahren. Während die zutage tretenden Fakten zeigen, dass die kommunistische Führung schlicht vor Omikron kapitulieren musste, inszeniert sie selbst sich erneut als „Kümmerer“.

Bereits in den ersten Jahren der Pandemie hatte Peking seine Willkürmaßnahmen und die lähmenden Lockdowns auf diese Weise gerechtfertigt. Der chinesische Weg des Sozialismus zeige seine Fürsorge für die Bevölkerung und deren Gesundheit – anders als der „gleichgültige“ kapitalistische Westen. Nun stellt Xi auch das Ende der Maßnahmen als Ausdruck der Aufmerksamkeit und Weitsicht der KP-Führung dar.

Xi malt China als lernfähige, pluralistische Gesellschaft

In der Ansprache äußerte er, Ende November des Vorjahres hätten „einige Mitglieder der Öffentlichkeit auf Probleme aufmerksam gemacht“. Sie hätten sich auf „Abriegelungsmaßnahmen einiger Regionen sowie auf übermäßige Bürokratie und andere Taktiken zur Pandemiebekämpfung“ bezogen. Dies habe „Besorgnis auf höchster Ebene“ ausgelöst – und das Regime umgehend zum Handeln veranlasst.

Die Proteste spielte er herunter. Es handele sich beim KP-regierten China um eine pluralistische Gesellschaft, erklärte Xi:

In einem Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern werden unterschiedliche Menschen unterschiedliche Forderungen haben. Sie werden auch unterschiedliche Ansichten zu ein und demselben Thema haben.“

Omikron brachte täglich neue Infektionsrekorde

Im „Spectator“ hat China-Expertin Cindy Yu analysiert, was tatsächlich den Ausschlag gegeben habe für das plötzliche Aus für Null-COVID. Sie kommt dabei zu der Einschätzung, die Entscheidung selbst sei rasch und unerwartet gefallen. Die immer größeren Probleme mit der Lockdownpolitik und die Machtlosigkeit des Regimes gegen das Virus zeichneten sich jedoch schon im Frühjahr ab.

Mittlerweile räumt auch die staatliche Nachrichtenagentur „Xinhua“ ein, dass die Null-COVID-Politik gescheitert sei. Die Agentur zeichnete am vergangenen Sonntag, 8. Januar, auf ihre Weise den Weg zur Kehrtwende nach. Seit dem Lockdown in Shanghai habe jeder Tag eine neue Rekordzahl an Infizierten mit der Omikron-Variante gebracht. Dies waren zu Beginn noch überschaubar anmutende Zahlen, deren Authentizität freilich – was „Xinhua“ nicht erwähnt – stets infrage stand.

Anfang November befanden sich jedoch demnach bereits mehr als 800.000 Menschen in zentralen Quarantäne-Einrichtungen. Darüber hinaus seien Millionen weiterer Personen in irgendeiner Form eingeschlossen gewesen.

„Soziale Kosten der Pandemiebekämpfung steigen“

Im Oktober hätten sich die Anzeichen für eine rasche Übertragung gehäuft. Bis Anfang November habe sich die Reproduktionsrate auf 21 gesteigert. Entsprechend breitete sich Zahl der Infektionen aus. „Xinhua“ dazu:

Diese betrafen 31 Provinzen, Regionen und Städte, wobei in einigen Regionen etwa drei Monate lang neue Infektionen auftraten und die sozialen Kosten der Pandemiebekämpfung stiegen.“

Es wäre nicht das KP-Regime in China, würde die Staatspropaganda nicht dieses selbst als Architekten des Wandels darstellen. „Xinhua“ zufolge habe sich die Führung bereits lange vor der Protestwelle auf ein Ende von Null-COVID eingestellt.

Demnach hat es bereits am 10. November 2022 ein außerordentliches Treffen der Parteiführung gegeben, bei dem diese „zwanzig Optimierungsmaßnahmen“ vorgeschlagen habe. Diese sollten dazu dienen, die Pandemiebekämpfung „proaktiv zu optimieren“.

Einen Tag später trat unter anderem eine Verkürzung der Quarantäne von zehn auf acht Tage in Kraft.

Entscheidung soll am 30. November gefallen sein

Allerdings habe die Führung mit ihren „Optimierungsmaßnahmen“ nicht zur Beruhigung, sondern zur Verwirrung beigetragen. Eltern meldeten in Städten, die sich öffneten, ihre Kinder aus Angst vor Omikron von der Schule ab. Kommunalverwaltungen änderten ihre Vorgehensweise oft nur nach wenigen Tagen, weil sie nicht auf den Öffnungswillen der KP vertrauten und befürchteten, zum Sündenbock gemacht zu werden.

Erst am 30. November sei nach Angaben von „Xinhua“ die endgültige Entscheidung gefallen. Politfunktionäre, Provinzverantwortliche und Experten trafen sich im Beisein von Sun Chunlan, Chinas wichtigstem „COVID-Beauftragten“. Sie seien laut „Xinhua“ zu der Erkenntnis gelangt, dass „Chinas Pandemiebekämpfung vor einer neuen Situation und einer neuen Aufgabe steht“. Eine Woche später war Null-COVID Geschichte.

Die KP hatte offenbar realisiert, dass sie nicht mehr in der Lage sein würde, die Corona-Welle aufzuhalten. Die Folgekosten der Bekämpfung der Pandemie begannen offenkundig die der Pandemie selbst zu übersteigen.

Omikron-Welle verhindert nach wie vor eine Normalisierung

Unterdessen wirken die Folgen der Null-COVID-Politik weiter nach. Chinas Exporte im Dezember 2022 gingen in US-Dollar gerechnet um 9,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurück, wie der Zoll am Freitag in Peking berichtete. Es war schon der dritte monatliche Rückgang in Folge. Auch die Einfuhren sackten um 7,5 Prozent ab. Insgesamt verzeichnete der Außenhandel im Dezember damit ein Minus von 8,9 Prozent.

Während auch die globale Nachfrage schwach bleibt, leiden sowohl der Außenhandel als auch die Binnenkonjunktur unter der nunmehr unkontrollierten Corona-Ausbreitung. Die massive Corona-Welle habe „vielerorts zu verringerten Produktionskapazitäten, verzögerten Lieferungen und einer weiteren Verschlechterung der Konsumlaune“ geführt. Dies äußerte Jens Hildebrandt, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer (AHK) in Peking, zu den neuen Außenhandelsdaten.

Immer noch gleichen viele Metropolen Geisterstädten, Menschen verlassen ihre Häuser nur in Notfällen. Berichte über überfüllte Krankenhäuser und Krematorien machen die Runde. Nach Schätzungen des in London ansässigen Datenverarbeiters Airfinity stecken sich in dem bevölkerungsreichsten Land der Welt gegenwärtig jeden Tag rund 3,6 Millionen Menschen neu an, während es täglich über 20.000 Tote gibt. Nach diesen Schätzungen soll es seit Anfang Dezember schon über 300.000 Tote gegeben haben. Bis Ende April könnte die Zahl der Corona-Toten den Hochrechnungen zufolge auf 1,7 Millionen anwachsen.

(Mit Material der dpa)



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