Ein Wort – zwei Welten: Freiheit

Was ist gemeint, wenn von „Freiheit“ gesprochen wird? Freiheit von Arbeit? Freiheit von Geld? Sich einfach ein gutes Leben machen? Wird Freiheit eingeschränkt, sobald Zwang durch andere Menschen ins Spiel kommt?
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Vollversorgung oder volle Verantwortung?Foto: iStock
Von 22. Januar 2023

Debatten über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden zunehmend verbitterter geführt. Eine gewisse Sprachverwirrung hat daran einen großen Anteil. Je größer diese Sprachverwirrung wird, umso kleiner wird die Chance auf eine Verständigung.

Nutzen zwei Gesprächspartner dasselbe Wort, verstehen darunter aber etwas anderes, kann eine Diskussion sich ewig im Kreis drehen oder zügig eskalieren, ohne dass damit etwas gewonnen wäre. Wird den Gesprächspartnern die unterschiedliche Wortinterpretation bewusst, kann ein erhellender Dialog entstehen.

Eine vergleichende Gegenüberstellung, die ein Wort aus der Perspektive beider Welten beschreibt, könnte daher die Chancen für das Verständnis unterschiedlicher Weltanschauungen verbessern und Hass vermeiden helfen.

„Ein Wort – zwei Welten“ beleuchtet in nicht-alphabetischer und nicht priorisierender Reihenfolge ein einzelnes Wort, das in hitzigen Diskussionen verwendet wird, meist ohne die jeweilige Wortbedeutung zu hinterfragen. Im heutigen ersten Teil geht es um das Wort Freiheit.

Der Blick auf die Welt

Doch zuvor muss in diesem ersten Teil kurz erläutert werden, um welche „Welten“ beziehungsweise Weltanschauungen es geht. Hier kurz einige konkurrierende Positionen im Überblick:

  • kollektivistisch versus individualistisch
  • planwirtschaftlich versus marktwirtschaftlich
  • sozialistisch-kommunistisch versus klassisch liberal

Die politische Diskussion zeigt, dass es unzutreffend wäre, diese Positionen einzelnen politischen Parteien zuzuordnen. Die Einschränkung von staatlichen Sozialtransfers unter einem SPD-Kanzler oder deren Ausbau unter einer Regierung mit FDP-Beteiligung bestätigen dies.

In der kollektivistisch, planwirtschaftlich, sozialistisch-kommunistischen Welt steht eine Idee im Vordergrund und einzelne Menschen müssen dieser gegenüber zurücktreten. In der individualistisch, marktwirtschaftlich, klassisch liberalen Welt steht der einzelne Mensch im Vordergrund und die jeweiligen Weltanschauungen treten zurück.

In einer Welt wird Kooperation zentral organisiert, in der anderen entsteht diese aus dem freiwilligen Zusammenwirken beziehungsweise den Taten der einzelnen Akteure. Die Bezeichnungen „ideologische Welt“ und (in Anlehnung an Ludwig Mises) „praxeologische Welt“ dienen hier als begriffliche Klammer für die oben genannten Gegensätze.

Der unterschiedliche Blick auf den Menschen bildet den Hintergrund der unterschiedlichen Weltanschauungen und findet sich auch in den unterschiedlichen Wortinterpretationen wieder – wie auch das heutige Beispiel Freiheit zeigen wird.

Sowohl in der ideologischen als auch in der praxeologischen Welt bedeutet Freiheit nicht, dass ich ohne Rücksicht auf andere Menschen tun kann, was ich will. Aber damit sind die Gemeinsamkeiten auch schon erschöpft, die Unterschiede überwiegen.

Freiheit in der ideologischen Welt

Aus ideologischer Perspektive ist der Mensch nicht frei, solange er zu Lohnarbeit gezwungen ist. Auch die Grundbedürfnisse müssen erfüllt und soziale Teilhabe gegeben sein, bevor aus dieser Sicht von Freiheit gesprochen werden kann.

Damit die so definierte Freiheit auch für Menschen mit geringem oder keinem Einkommen erreicht werden kann, ist die Kollektivierung individueller Risiken und weitreichende Umverteilung nötig.

Arbeiten zu müssen oder eigene Lebensentwürfe nicht umsetzen zu können, ist nach dieser Weltanschauung eine Einschränkung der Freiheit.

Die so verstandene Existenzsicherung muss vom Staat gewährleistet werden, ohne den einzelnen Menschen zur Arbeit zu zwingen oder in anderer Form zu drangsalieren. Zur Verdeutlichung kann hier die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen dienen.

Die Verstaatlichung von Produktionsmitteln, rechtliche Limitierung der Verwendung, extensive staatliche Umverteilung und zahlreiche weitere politische Interventionen sind daher notwendig, um die dafür nötige Grundlage zu schaffen.

Diese ideologische Freiheit ist ein paradiesischer Zustand, in dem Knappheit keine Rolle mehr spielt. Ist sie realisiert, können alle Wünsche – ohne arbeiten zu müssen – erfüllt werden.

Die Koordination der verschiedenen – sich teilweise widersprechenden – Wünsche erfolgt durch einen zentralen Plan bzw. politische Macht. Doch selbst dies wird der Vergangenheit angehören, wenn es gelungen ist, einen „neuen Menschen“ hervorzubringen, der den Wunsch, die eigene Situation zu verbessern, komplett abgelegt hat und sich selbstlos dem definierten Interesse der Allgemeinheit fügt.

Freiheit in der praxeologischen Welt

Aus praxeologischer Perspektive bedeutet Freiheit, nicht tun zu müssen, was ein anderer will. Das umfasst auch die Möglichkeit eines Individuums, von etablierten Denk- und Handlungsweisen abzuweichen. Dabei kann nicht zwischen wirtschaftlicher Freiheit und nicht wirtschaftlicher Sphäre unterschieden werden, Freiheit ist in diesem Sinne unteilbar.

Aus dieser praxeologischen Sicht wird zwischen Zwang und Notwendigkeit unterschieden. Es gibt Notwendigkeiten, die zum Menschsein gehören, beispielsweise muss der Mensch trinken, essen und sich kleiden. Arbeiten zu müssen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, ist eine Notwendigkeit in diesem Sinne – kein Zwang. Nur im Paradies fliegt dem Menschen die Nahrung ohne eigenes Zutun in den Mund.

Nicht nur der Mensch unterliegt diesen natürlichen Notwendigkeiten, auch andere Säugetiere sind davon betroffen. Beispielsweise muss der Hase über die Wiese hoppeln, um genügend Grünzeug mümmeln zu können. Auch Löwen können sich nicht nur im Schatten ausruhen. Sie müssen jagen, um den nötigen Fleisch- und Energienachschub sicherzustellen.

Die unvermeidlichen Notwendigkeiten des Lebens sind aus praxeologischer Perspektive keine Einschränkung der Freiheit. Zudem ist Arbeit auf vertraglicher Basis mit einer Gegenleistung, dem Lohn verbunden. Die Freiheit wird eingeschränkt, sobald Zwang durch andere Menschen ins Spiel kommt.

Ein Sklave, der gegen seinen Willen und ohne entlohnt zu werden, für einen anderen Menschen arbeiten muss, unterliegt Zwang. Auch wenn Teile des vereinbarten Arbeitslohns ohne freiwillige vertragliche Grundlage an andere Personen fließen, liegt Zwang vor.

Steuern, nicht freiwillig vertraglich vereinbarte Sozialversicherungsbeiträge und sonstige erzwungene Zahlungen wie beispielsweise Rundfunkgebühren sind daher aus praxeologischer Perspektive nicht mit Freiheit vereinbar.

Freiheit und „das Streben nach Glück“ geht mit Verantwortung und Haftung für die eigenen Handlungen einher. Anders als im Paradies gibt es die praxeologische Freiheit nicht umsonst.

Freiheit – ein Wort, zwei Welten

In der ideologischen Welt bin ich frei, wenn ich nicht in Armut lebe und für mein Leben gesorgt ist – womit klar wird, dass es – zumindest teilweise – die Aufgabe anderer Menschen ist, dies für mich zu gewährleisten. In der praxeologischen Welt bin ich frei, wenn mir Zwang erspart bleibt und ich nicht zu unfreiwilligen Handlungen gezwungen werde, die Verantwortung für mein eigenes Leben liegt in meinen eigenen Händen.

Das Wort Freiheit hat in der ideologischen und der praxeologischen Welt eine andere Bedeutung und ist mit einem anderen Menschenbild verbunden. Bevor ein Streit zum Thema Freiheit eskaliert, lohnt es sich, den Begriff zu hinterfragen und einen Blick auf den Menschen hinter dem Wort zu werfen.

 



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