Versandhändler mit 100-jähriger Tradition: Endgültiges Aus für die Klingel Gruppe

„Trotz intensiver Bemühungen“ konnte für die Klingel Gruppe als Ganzes kein Investor gefunden werden. Jetzt ist klar: Der Geschäftsbetrieb, der trotz Insolvenzantrag weiterlief, wird im kommenden Januar komplett eingestellt.
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Insolvenzwelle 2023.Foto: Martin Gerten/dpa/dpa
Von 30. August 2023

Die Klingel Gruppe steht vor dem Aus. Der in Pforzheim ansässige Versandhauskonzern werde den Geschäftsbetrieb Ende Januar 2024 einstellen, teilte die K–Mail Order GmbH & Co. KG, auch als Klingel Gruppe bekannt, am Montag mit. Trotz intensiver Bemühungen sei es nicht gelungen, Investoren für die Gruppe zu finden. Angesichts der schwierigen Branchen- und Unternehmenssituation seien Interessenten nicht bereit, in die Unternehmensgruppe als Ganzes zu investieren und diese auf Basis der ausgearbeiteten Sanierungskonzepte fortzuführen.

Konsumverdruss: Inflation, gestiegene Kosten, Ukraine-Krieg

Im 100. Jahr nach seiner Gründung hatte der vor allem für Mode bekannte Versandhändler im Mai 2023 für drei seiner Tochterunternehmen Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung angemeldet. Als Gründe für das Sanierungsverfahren wurden unter anderem die deutliche Konsumzurückhaltung seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine, Inflation, erheblich gestiegene Kosten für Katalogproduktion und -versand sowie eine notwendige Umstellung der IT-Systeme im zweiten Halbjahr 2022 genannt.

Das sind auch die Gründe, die angegeben wurden bei den sich in den letzten Wochen häufenden Insolvenznachrichten in der Modebranche. Betroffen sind große Namen wie Peek & Cloppenburg, Gerry Weber, Görtz oder die Ahlers AG. Aber nicht nur die Branchengrößen leiden: Das „Sterben“ betrifft vor allem auch immer mehr traditionsreiche kleine und mittelständische Geschäfte, die klassischen, häufig inhabergeführten Fachgeschäfte. Der sogenannte „nicht-filialisierte Fachhandel“ wie Herrenausstatter, Boutiquen oder Fachhändler hat sich in den letzten 20 Jahren halbiert. Die Ladenzeilen in den Innenstädten verwaisen. Unter denen, die aufgeben, sind auch immer mehr Schuhhändler. Nach Schätzungen des Handelsverbandes Textil Schuhe Lederwaren (BTE) hat sich die Zahl der Schuhgeschäfte seit Jahresbeginn erneut um rund 500 auf etwa 9.500 verringert.

Keine Rettung für die Klingel Gruppe

Bis Ende Januar können die Klingel-Kunden also noch bestellen – dann ist Schluss. In den vergangenen Wochen habe es sich herauskristallisiert, dass eine erhebliche Verbesserung der Unternehmenssituation kurzfristig nicht realisierbar ist, auch wenn das Geschäft sich zuletzt zu erholen schien: „Für den Erhalt der Gruppe als Ganzes hätten wir einen finanzstarken Investor gebraucht, aber leider gibt es keine Investorlösung, sodass die Einstellung des Betriebs beschlossen wurde“, erklärte die Geschäftsleitung. „Es gibt leider keine Alternative.”

Von der Einstellung des Geschäftsbetriebs nicht betroffen ist die Schneider GmbH & Co. KG. Die Tochter der Hauptgesellschaft K – Mail Order GmbH & Co. KG befindet sich ebenfalls in einem Eigenverwaltungsverfahren. Hier werden aktuell noch Gespräche mit Investoren geführt, um den Erhalt des Unternehmens zu ermöglichen.

1.300 Gehälter vorerst gesichert

Zu Verfahrensbeginn beschäftigte die K – Mail Order GmbH & Co. KG rund 1.600 Mitarbeiter, fast 300 haben das Unternehmen eigenen Angaben zufolge „auf eigenen Wunsch” verlassen. Die Gehälter der verbleibenden, über 1.300 Mitarbeiter seien für die kommenden Monate gesichert.

Auf der Unternehmensseite heißt es, das mittelständische Familienunternehmen sei „ein führender Multichannel-Distanzhändler für Best-Ager in Deutschland“. Die Klingel Gruppe umfasst 14 Versendermarken (Alba Moda, Mona, Impressionen etc.) und 23 Eigenmarken. Für die einzelnen Marken wie beispielsweise Klingel, Wenz, Mona, den Schmuckanbieter Diemer und die Männerbekleidungsmarke Babista sowie auch für die Onlineshops der Klingel Gruppe könne es nach Angaben der Geschäftsleitung eine Zukunft geben, da es Interessenten gebe, die einige Marken ab Anfang 2024 unter eigener Regie weiterbetreiben wollen.

Marktbereinigung? „Paradoxes Insolvenzgeschehen normalisiert sich“

In Deutschland steigt aktuell die Zahl der Firmenpleiten. Das Statistische Bundesamt hatte im Juli auf Basis vorläufiger Angaben fast ein Viertel (23,8 Prozent) mehr Anträge von Firmen auf Regelinsolvenzverfahren als im Vorjahresmonat registriert. Damit setz sich der Trend aus den Vormonaten fort.

Volkswirtschaftlich brächten sie eine wichtige Marktbereinigung, sagt etwa Steffen Müller, Leiter der Insolvenzforschung beim Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Auch der Leiter Wirtschaftsforschung von Creditreform, Patrik-Ludwig Hantzsch, hält es für volkswirtschaftlich „richtig und wichtig, dass sich das paradoxe Insolvenzgeschehen der vergangenen Jahre nun normalisiert“. Es seien „deutlich zu viele Unternehmen am Markt geblieben, die eigentlich nicht wettbewerbsfähig waren“ und die nur dank ausufernder Staatshilfen während der Corona-Pandemie überlebt hätten – etwa durch die Aussetzung von Insolvenzantragspflichten.

Die Zahl der Insolvenzen dürfte auch in den kommenden Monaten im Vergleich zum Vorjahr deutlich steigen. „Panik ist aber dennoch kein guter Ratgeber“, so Hantzsch. Zu Zeiten der Finanzkrise im Jahr 2009 seien in der Spitze mehr als 33.000 Unternehmen insolvent gewesen. „Von diesen Werten sind wir noch weit entfernt.“



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