Auf den Spuren der Alten Meister

„Für die Kunst muss der Geist geformt werden“, sagt Maler Michael Fuchs.
Titelbild
Zwischen weltlicher und sakraler Malerei: Michael Fuchs schätzt sowohl die Schönheit und Spiritualität der Frau, als auch die Kirchenmalerei. Das Altarbild ist ein Auftragswerk für die Kirche.Foto: © Ani Asvazadurian
Von 5. Oktober 2022

Gut gelaunt singt er vor sich hin, während er ein Glas Wasser holt, den es zum Kaffee gibt. Letzteren nimmt er ohne Zucker, dafür aber mit Xylit ein. Der Mann achtet auf seine Gesundheit. Auf Formen, Farben und Details sowieso. „Ein sehr schönes Kleid tragen Sie da“, meint er aufmerksam und mit wohlwollendem Blick. Der Strohhut, den er trägt, verleiht ihm in Kombination mit seinem spitzbübischen Lächeln, das hin und wieder aufblitzt, einen besonderen Charme.

Michael Fuchs, seines Zeichens Maler, Bildhauer, Dichter und Sohn des bekannten österreichischen Allround-Künstlers Ernst Fuchs empfängt in seinen heiligen Hallen in Klosterneuburg, unweit von Wien: Sein Atelier ist fast bis zur Decke mit Gemälden, Skulpturen, Arbeitsutensilien und Büchern gefüllt. Sofort taucht man in eine Welt der Mythologie, Mystik und Spiritualität ein. Die Leuchtkraft der Farben und die Dreidimensionalität der Werke ziehen einen förmlich in den Bann. Magie liegt in der Luft. Bilder und Assoziationen aus längst vergangenen Zeiten drängen sich in den Sinn. Der Raum hat definitiv Aura.

Die Darstellung der Frau, ihre äußere und innere Schönheit und Reinheit ist nur einer von mehreren Themenschwerpunkten des Künstlers mit jüdischen Wurzeln. Allein die Faltenwürfe in diesen Gemälden üben eine Faszination aus, sie sind unglaublich realistisch und mit kaum wahrnehmbarem Pinselduktus abgebildet. „Trompe-l’oeile“ nennt man diese Art der illusionistischen Malerei. „Man muss eine einzige Lichtquelle setzen, es muss zudem ein sehr hartes Licht sein. Andernfalls gewinnen die Faltenwürfe nicht an Dreidimensionalität, von der ein Trompe-l’oeile lebt“, erklärt der 70-Jährige mit seinem leichten amerikanischen Akzent. Das Spiel der Falten zieht einen regelrecht ins Gemälde, man möchte am liebsten die feine Seide zwischen den Fingern spüren.

Trotz der bunten Anordnung von Gemälden und Objekten im Raum – man fühlt sich ein wenig in das Spätrenaissance-Gemälde „Allegorie des Sehens“ von Jan Brueghel des Älteren hineinkatapultiert ­– fehlt von einem künstlerischen Chaos jede Spur. Im Atelier von Michael Fuchs herrscht Ordnung, alles hat seinen Platz. „Im Chaos ist keine Schönheit“, sagt der hochgewachsene Mann später im Gespräch.

Michael Fuchs ist ein tief spiritueller Mensch, woraus er auch keinen Hehl macht. Ein kleiner Altar schmückt einen Bereich seines Ateliers. „Die Kunst ist ein wenig die ‚Hure der Welt‘ geworden. Die heutigen Künstler gelten als Rockstars, was fatal ist. Wenn man die Werke von Johann Sebastian Bach, von Dante oder von Petrarca hört und liest und die Werke von Michelangelo und Van Dyck betrachtet – sie alle waren tief religiöse Menschen“, sinniert er. Eine beinah andächtige Stimmung kommt auf.

Als Teenager habe ihn die Verzweiflung geplagt, da er keinen Sinn in seinem Leben fand, offenbart Fuchs. Er hatte viele Fragen und suchte stets nach einer Antwort. Mit sechzehn war er ein Fan von Bob Dylan und den Beatles. „Interessanterweise konnte ich mit meinen Fragen nicht zu diesen Leuten gehen, sie hatten keine Antworten. Jemand kann einen Friedensnobelpreis haben, einen Oscar besitzen oder einen Ritterstand, aber eine Antwort für einen jungen Menschen hat er nicht.“

Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass ein Mensch mit Tiefgang vor einem steht.

Der junge Fuchs beschäftigte sich mit philosophischen Fragen, Fragen nach der Metaphysik schlechthin wie „Warum gibt es mich?“. In seiner Verzweiflung stellte der damals Siebzehnjährige diese Frage so wie die alten Griechen einem Gott, den er nicht kannte. Einige Wochen später erhielt er die Antwort in Form eines „inneren mystischen Erlebnisses“. Die christliche Bekehrung, wie er sagt, war ein Wendepunkt in seinem Leben, das ihn stark prägte und neu ausrichten ließ. „Danach habe ich erkannt, dass ich gewisse Dinge tun muss“, erzählt er nachdenklich und ist plötzlich ganz in sich gekehrt. Seine Arme verschränken sich vor der Brust. „Es hat mich gelehrt, dass es eine Aktivität fordert und eine passive Haltung nicht geht.“

Fuchs wuchs bei seiner Mutter, einer „begabten Grafikerin, die ihren Beruf allerdings nie ausgeübt hat“, abwechselnd in New York und Los Angeles auf. Seinen berühmten Vater Ernst lernte er erst mit vierzehn Jahren kennen, als dieser ihn in Kalifornien besuchte. „Der Anstoß, Künstler zu werden, kam durch meinen Vater“, erinnert er sich. Mit 18 Jahren zog er schließlich zu ihm nach Wien, um sein Leben ganz der Kunst zu widmen.

Ein Leben, das jedoch nicht ohne Höhen und Tiefen und ganz ohne Hürden auskommt.

„Die größte berufliche Hürde war es, mich selbst als Maler zu finden. Es war sehr schwierig, weil ich keinen Meister in dem Sinne hatte“, erklärt er. Dadurch gab es Momente des Zweifels in seinem Leben, die ihn fast von der Malerei abbrachten.

Im Unterschied zur Kunst und Technik seines Vaters zog es ihn nämlich zu den traditionellen Maltechniken aus Renaissance und Barock, die er sich hauptsächlich selber aneignen musste. „Mein Studium der Malerei auf der Akademie hat nichts gebracht. Mir wurde überhaupt kein System gelehrt“, sagt er enttäuscht. Er sei durch das Studium der Alten Meister, durch Schriftwerke und in einem intuitiven Prozess auf die barocke Ölmaltechnik „Fa Presto“ gekommen. „Deswegen ist es wichtig, einen Meister zu haben, der sein Handwerk beherrscht. Ansonsten irrt man Jahrzehnte lang umher und verschwendet kostbare Zeit“, empfiehlt und warnt er gleichzeitig.

Durch seine Zuwendung zur barocken Malweise entdeckte Fuchs wieder die Freude an der Malerei. Es entspräche mehr seinem Wesen. „Man kann schließlich nicht gegen sein Wesen arbeiten“, sagt er und nimmt einen kleinen Schluck Xylit-Kaffee.

Das Atelier des Künstlers ist ein Kaleidoskop aus Büsten, Gemälden, Skulpturen und Vorlagen aus der Kunstgeschichte. Foto: © Ani Asvazadurian

Ein flüchtiges Portrait einer Dame, mit Bleistift skizziert. Foto: © Ani Asvazadurian

 

Was möchten Sie mit Ihren Gemälden ausdrücken?

Mit meiner Kunst möchte ich das Gute, das Wahre und das Schöne vermitteln. Es ist wichtig, dass sich ein angehender Maler mit der Philosophie beschäftigt. Das In-sich-Gehen und die Reflexion über das eigene Leben und die Ausübung von dem, was die alten Griechen „Arate“ nannten – die Tugenden, ein tugendhaftes Leben führen. Die alten Griechen nannten den Zustand der Glückseligkeit, die man durch eine tugendhafte Lebensführung erreichen kann „Eudaimonia“. Sie sollte die Basis der Kunst und der Wissenschaft sein, auch der Staatsführung. An sich zu arbeiten, um ein guter Bürger zu sein, seinen Mitmenschen zu dienen und ein gutes Zusammenleben zu fördern. Einen Hauptteil dieser Zivilisationsbildung bietet die Kunst, Literatur, Musik und die Wissenschaft.

Warum finden Sie Tugenden und Selbstreflexion wichtig?

Ich kann ein Gleichnis mit den Pflanzen bringen. Es entspricht dem Wesen der Pflanze, ernährt zu werden, zu wachsen und sich fortzupflanzen. Die Pflanze ist in der Erde verankert und wird von oben begossen, ganz und gar extern. Wenn es nicht von oben regnet, sie keine Nährstoffe vom Boden erhält und die Zellteilung nicht mehr stattfindet, stirbt sie. Ähnlich ist es beim Menschen. Es entspricht dem Wesen des Menschen, ein tugendhaftes Leben zu führen, weil er nach dem Ebenbild Gottes geschaffen und für Gott geschaffen ist. Weil er für Gott geschaffen ist, kann er dieses tugendhafte Leben ohne Gott nicht verwirklichen. Ohne den Regen von oben gibt es kein Wachstum. Wenn man das nicht erkennt, kann es sein, dass man sich unendlich viel schwerer tut, weil der Meister fehlt. So wie in der Malerei.

Die Schönheit durch die Kunst zu erleben, erhebt den Menschen zu einem sittlichen Wesen. Die Sittlichkeit findet sich in der Schönheit der körperlichen und geistigen Welt.

Wenn ich etwas Schönes sehe, bin ich inspiriert, dann habe ich Lebensmut, Lebensfreude und Lebensordnung. Im Chaos ist keine Schönheit. Am meisten erleben wir das jetzt durch die Natur. Die Städte werden zusehends hässlich, die Architektur ebenso wie die Kunst.

In Ihrem Atelier fördern Sie auch junge Talente und bereiten sie auf ihre Künstlerlaufbahn vor. Was möchten Sie der jungen Generation weitergeben?

Der Geist des Menschen muss geformt sein für die Kunst. Neben den Maltechniken, die ich ihnen beibringe, empfehle ich den jungen Leuten bestimmte Lektüre, beispielsweise über Aristoteles, die Evangelien sowie große Werke der Kunstgeschichte. Das Werk von Dante, die Sonette von Shakespeare – also klassische Literatur. Es ist wichtig, dass sie diese Kunstgattung auch lesen, in die Geschichte der Kunst und in die Philosophie eintauchen. Erst so können sie verstehen, was sie überhaupt antreibt und wieso es sie antreibt. Dadurch lässt sich verhindern, dass sie in ein Loch fallen.

Gab es einen Lehrmeister, der Ihnen etwas für Sie Wichtiges mit auf den Weg gegeben hat?

Leonardo da Vinci blieb neben dem Einfluss meines Vaters immer mein eigentlicher Lehrmeister in vielerlei Hinsicht. Ich kannte zwar seine Gedanken nicht – ich habe ein wenig aus seinen Notizen gelesen –, aber es war die Betrachtung seines Werkes und dieser wissenschaftlich-philosophische Zugang in seinem Werk, den man überhaupt nur in der Renaissance findet. In der Renaissance wurden Philosophie, Religion und Wissenschaft nicht so getrennt, wie das heute der Fall ist.

Gibt es ein spezielles Kunstwerk, das sie besonders berührt?

„Das Jüngste Gericht“ von Michelangelo, die „Mona Lisa“ von Leonardo da Vinci. Von den griechischen Bildhauern ist es die „Laokoon-Gruppe“, eine Kopie in Marmor aus römischer Zeit. Die Musik von Bach möchte ich auch erwähnen. Diese Werke waren immer eine Quelle der Inspiration für mich. Bach habe ich zur gleichen Zeit kennengelernt, als ich angefangen habe Rock’n Roll zu hören. Durch meine Mutter hatte ich auch einen Zugang zu Jazz und zur Klassik.

Ich weiß nicht, ob Sie den Jazzgitarristen Pat Metheny aus den 80er-Jahren kennen. Er hat gesagt: „Verglichen mit Bach sind wir alle Versager“. Das sagt ein moderner Jazzmusiker.

Gibt es etwas, das Sie besonders an Ihrem Beruf schätzen?

Die Freiheit. Sie kommt allerdings mit einem Preis, nämlich mit der Unsicherheit. Ob man einen Auftrag bekommt oder ein Bild verkauft. Diese Unsicherheit, so hat es sich herausgestellt, ist aber überall im Berufsleben zu spüren, außer man ist Beamter oder dergleichen. Insofern habe ich die Freiheit und die Unsicherheit, ein anderer hat die Unsicherheit und ist aber auch nicht frei.

Ich habe nie etwas Pornografisches oder Blasphemisches gemalt. Aber Unsittlichkeit besteht auch in der Sorglosigkeit. Es ist bedauerlich, wenn man schon diese Begabung hat. Oder auch der Mangel an Fleiß. Aber nicht an der Menge der Stunden, die ich gearbeitet habe – in dem Aspekt war ich fleißig. Sich aber abzugeben mit Fehlern, diese „Ach was“-Mentalität ist nicht gut. Als Selbstständiger, ob als Chirurg, als Wirt oder Bauer und auch als Angestellter hat man eine gewisse Verantwortung, etwas Gutes zu schaffen, gut zu sein in der Arbeit. Das ist eine dauersittliche Entscheidung.



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