Augen in der Großstadt – von Kurt Tucholsky

Aus der Reihe Epoch Times Poesie - Gedichte und Poesie für Liebhaber
Titelbild
Was war das? Von der großen Menschheit ein Stück!Foto: iStock

Augen in der Großstadt

Wenn du zur Arbeit gehst

am frühen Morgen,

wenn du am Bahnhof stehst

mit deinen Sorgen:

da zeigt die Stadt

dir asphaltglatt

im Menschentrichter

Millionen Gesichter:

Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,

die Braue, Pupillen, die Lider –

Was war das? vielleicht dein Lebensglück…

vorbei, verweht, nie wieder.

Du gehst dein Leben lang

auf tausend Straßen;

du siehst auf deinem Gang, die

dich vergaßen.

Ein Auge winkt,

die Seele klingt;

du hast’s gefunden,

nur für Sekunden…

Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,

die Braue, Pupillen, die Lider –

Was war das? Kein Mensch dreht die Zeit zurück…

Vorbei, verweht, nie wieder.

Du musst auf deinem Gang

durch Städte wandern;

siehst einen Pulsschlag lang

den fremden Andern.

Es kann ein Feind sein,

es kann ein Freund sein,

es kann im Kampfe dein

Genosse sein.

Er sieht hinüber

und zieht vorüber …

Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,

die Braue, Pupillen, die Lider –

Was war das?

Von der großen Menschheit ein Stück!

Vorbei, verweht, nie wieder.

Kurt Tucholsky  (1890 – 1935)

 



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion