Die kreative Arbeit von J.R.R. Tolkien

Mittelerde ist ohne Zweifel ein Land der Mythen und Legenden und doch hat es einen wahren Kern. Zwischen saftigen Wiesen, schroffen Bergen und allerlei finsteren Gestalten erinnert das Land der Hobbits an ein kleines beschauliches Städtchen in England: Sarehole, die Heimat von Tolkien.
Titelbild
"Hobbiton-across-the Water", J. R. R. Tolkien.Foto: Bodleian Libraries / The Tolkien Estate Limited 1937
Epoch Times18. April 2019

John Ronald Reuel Tolkiens fantastische Welt mag zwar eine Scheinwelt sein, aber für Tolkien besaß sie einen wahren Kern. „Mittelerde“ war ein Land, für das er einen reichen Teppich aus Mythen und Legenden für England knüpfen konnte. Speziell für ein England, von dem er glaubte, dass es durch die Eroberung der Normannen seines kulturellen Erbes beraubt worden war. Was war aus all diesen Schätzen geworden? Diese galt es wiederzufinden und ans Tageslicht zu bringen.

Tatsächlich ist diese Fantasiewelt „Mittelerde“ eine Welt mit einer eigenen Geografie, einer eigenen Zeit, verschiedener Sprachen und Geschichten. Alles hier wurde von Tolkien, dem Oxford-Don (ähnlich einem Professor) und gleichzeitig renommierten Gelehrten für Alt- und Mittelenglisch, und dem Autor von „The Hobbit“ und dem Epos von „Lord of the Rings“ erschaffen.

70 Jahre für die Erschaffung einer neuen Welt

„Ich erinnere mich nicht an eine Zeit und Phase meines Lebens, in der ich nicht an dieser Fantasiewelt bastelte“, sagte Tolkien zu seinen erfundenen Geschichten. In der Tat hat er fast 70 Jahre damit verbracht, diese antike Welt auf der Grundlage unserer eigenen zu erschaffen.

„Unterhaltung mit Smaug“ , J. R. R. Tolkien. Foto: Bodleian Libraries /The Tolkien Estate Limited 1937

„Die Welt, in der diese Geschichten spielen, ist so real, spiegelt dermaßen unser menschliches Versagen, Ängste, Liebe und Hoffnungen wider. Mittelerde ist immer ein Spiegelbild derjenigen Gesellschaft, die sich gerade mit den Geschichten auseinandersetzt. Sie haben das Gefühl, dass Sie nicht nur eine Geschichte lesen, sondern Sie sehen auch einen Teil dieser Welt“, sagte John Mac Quillen in einem Interview. Er ist der stellvertretende Direktor der Abteilung für gedruckte Bücher der „Morgan Library & Museum“ in New York.

McQuillen ist auch Kurator der Ausstellung „Tolkien: Macher von Mittelerde“, einer Ausstellung, die Tolkiens Ideen, Ideale und Lebenswerk erforscht. Die Ausstellung ist noch bis zum 12. Mai 2019 in „The Morgan Library & Museum“ zu sehen. Zu den Exponaten gehören Tolkiens Familienfotos und Erinnerungsstücke sowie Tolkiens ursprüngliche Illustrationen, Karten und Entwürfe für seine wichtigsten literarischen Werke: „Der Hobbit“, „Der Herr der Ringe“ und „Das Silmarillion.“

Tolkiens frühe Einflüsse

Was motivierte Tolkien, ein so kompliziertes Legendarium mit Hobbits, Zwergen, Elfen und Zauberern zu schaffen? Tolkien wurde 1892 in Bloemfontein, Südafrika, geboren, nachdem seine Eltern Arthur und Mabel aus Birmingham in England ausgewandert waren, mit der Hoffnung ihr Leben zu verbessern. Doch für die Familie Tolkien nahm das Leben leider eine tragische Wende.

Im April 1895 ging Tolkien mit seiner Mutter und seinem Bruder Hilary nach England zurück, um die Familie zu besuchen. Es war eine Reise, die Tolkiens Vater aufgrund seiner Arbeit nicht antreten konnte. Mit Hilfe seiner Nanny schrieb der damals vierjährige Tolkien an seinen Vater: „Ich bin so froh, dass ich Sie bald wieder sehen kann.“

Besucher können die Notiz in der Ausstellung sehen, aber Tolkiens Vater hat diese nie gelesen. Sie wurde nicht einmal verschickt. Genau an dem Tag, an dem die kleine Notiz verfasst wurde, kam per Telegramm die Nachricht, dass sein Vater unter einer schweren Krankheit litt. Wenige Tage später verstarb er.

Bucheinband für „The Hobbit“, J. R. R. Tolkien. Foto: Bodleian Libraries / The Tolkien Estate Limited 1937

Nachdem Tolkien seinen Vater verloren hatte, blieben er und seine Familie in England, in der Gegend von Birmingham. Sie lebten in der kleinen Stadt Sarehole, die Tolkien später als „eine Art verlorenes Paradies“ bezeichnete und an das Auenland von „The Hobbit“ erinnerte. „Die Idee für die Hobbits kam über die Erzählungen von Mythen und Legenden der Dorfbewohner und den Kindern“, sagte Tolkien.

Die Mutter Mabel bildete Tolkien und seinen Bruder eine Zeit lang zu Hause aus. Das war es, was Tolkiens Interesse an Poesie, Alphabeten, Handschrift, Etymologie und vergleichender Philologie (der Vergleich zweier Sprachen, um eine gemeinsame Hauptsprache zu finden) weckte. Tolkien besuchte dann die renommierte King-Edward-VI-Schule in Birmingham, wo festgestellt wurde, dass er ein besonderes Talent für Sprachen besaß.

Vom Schicksal gebeutelt: Tolkien, Bilbo und der christliche Glauben

Aber im Jahr 1904 schlug die Tragödie erneut zu. Mit 12 Jahren wurde Tolkien nach dem Tod seiner Mutter ein Waisenkind. Sowohl Tolkien als auch sein Bruder wurden dann unter die Vormundschaft von Pater Francis Morgan gebracht, einem römisch-katholischen Priester und engen Freund von Tolkiens Mutter, die zum Katholizismus konvertiert war.

Tolkien war ein frommer Katholik und viele Themen in „Der Herr der Ringe“ basieren auf christlicher Ethik und Moral. Ein Beispiel dafür ist Bilbos Erbarmen für Gollum, und Gollum, der dabei hilft, den Ring zu zerstören. Das wiederum war ein Ergebnis dieser Gnade, sagte McQuillen. Tue Gutes und dir wird Gutes widerfahren. Die Sprache sei zwar nicht so offen christlich wie in C. S. Lewis „Chroniken von Narnia“, aber viele Bibelzitate ziehen sich wie einen roten Faden durch die Geschichten.


John Ronald Reuel Tolkien (links) und Edith Mary Bratt

1909 verliebte sich der 18-jährige Tolkien in die 21-jährige Edith Bratt, die ebenfalls Waise war. Pater Morgan wusste, wie leicht sich Tolkien ablenken ließ und dass er als Waisenkind nur eingeschränkte Aussichten hatte. Um Tolkiens Zukunft zu schützen, verbot ihm Pater Morgan mit Edith zu sprechen, bis er 21 Jahre alt war. Somit konnte und musste sich Tolkien voll auf sein Studium konzentrieren.

Am Vorabend seines 21. Geburtstages schrieb er jedoch gleich an Edith, die inzwischen mit jemand anderem verlobt war. Aber Tolkiens Geduld und Beharrlichkeit überwogen: sie heirateten 1916.

Erwachsenenalter und Krieg

An der Oxford University lernte Tolkien die Klassiker kennen, wechselte dann aber zum Studium der Sprachen. Neben seinem Literaturstudium hatte er sich selbst Finnisch beigebracht, da er Klang, Form und Struktur mochte und dies seine sprachlichen Erfindungen wie die elbische Sprache stark beeinflusste. Sprache war in Mittelerde äußerst wichtig. „Die Geschichten waren eher eine Welt für die Sprachen als für die aktiven Handlungen“, so Tolkien.

Während Tolkien in Oxford war, brach der Erste Weltkrieg aus und er wurde 1916 als Leutnant nach Frankreich geschickt. Der Krieg hielt aber Tolkiens Kreativität nicht auf. Aus dem Krieg gingen die Figuren „Morgoth“ aus Mittelerde und die Geschichte der Gnome hervor, deren Inspiration sich selbst unter Granatenfeuer nicht aufhielten ließ.

„Bilbo erreicht die Hütten der Flusselfen“,  J. R. R. Tolkien. Foto: Bodleian Libraries / The Tolkien Estate Limited 1937

Ein Grabenfieber hatte möglicherweise sein Leben gerettet, als er nach England zurückgerufen wurde, um sich zu erholen, während viele seiner Freunde auf dem Schlachtfeld starben.

Die Ausstellung zeigt unter anderem auch „Das Buch der verlorenen Geschichten“, das all die Geschichten enthält, die Tolkien Edith diktierte, während er sich vom Krieg erholte.

Für die Liebe der Familie

Trotz seiner anstrengenden Arbeit als Oxford-Don hatte Tolkien immer Zeit für seine vier Kinder. Er war „der einzige Erwachsene, der meine kindischen Kommentare und Fragen ernst zu nehmen schien“, sagte sein Sohn Michael nach dem Tod seines Vaters.

Tolkiens Arbeitszimmer stand seinen Kindern immer offen. Er arbeitete von zu Hause aus, markierte Zeitungsberichte, schrieb Vorträge, sah Studenten und schuf währenddessen Mittelerde. Fotos in der Ausstellung zeigen Familiennachmittags-Tees im Garten, Sommerferien am Meer oder Tolkien bei der Obsternte auf der Obstfarm von Tolkiens Bruder Hilary.

Tolkien entwarf 23 Jahre lang Weihnachtskarten und Geschichten vom Weihnachtsmann für seine Kinder, von denen einige in der Ausstellung stehen. Im Laufe der Jahre verdunkelte sich der Inhalt dieser Erzählungen zu Geschichten über Kobolde und Elfen, vielleicht im Einklang mit der Entwicklung der Trilogie „Der Herr der Ringe“. Ursprünglich schrieb Tolkien „The Hobbit“ für seine Kinder und las es in Etappen vor, wenn sie sich nachts in seinem Arbeitszimmer versammelten.

„Tolkien war immer der Ansicht, dass die gängige Kinderliteratur nicht sonderlich sinnvoll und pädagogisch war. Seiner Meinung nach sollten Kinder nicht mit faden und verniedlichten Geschichten abgespeist werden. Sie hatten genauso ein Interesse an all die Themen, die auch Erwachsene hatten. Es war nur der Umfang des Vokabulars, das für jüngere Leser herabgesetzt werden musste“, sagte McQuillen. Deshalb ist in „The Hobbit“ nichts verniedlicht worden.

Nachdem Tolkiens Freunde und Kollegen „Der Hobbit“ gelesen hatten, bedrängten sie ihn, das Manuskript zu veröffentlichen. Es war nie für die Veröffentlichung gedacht. Seine Kinder waren nicht sehr glücklich darüber, dass sie ihre persönliche Gutenachtgeschichte nun mit der gesamten Nation teilen sollten.

Als „The Hobbit“ im Jahr 1937 veröffentlicht wurde, hielten es die Rezensenten für einen Klassiker für Kinder. Die Verleger wollten mehr über die Hobbits und ihre Abenteuer erfahren.

Das Buch war ein Erfolg, aber Tolkien dachte anders.

„Ich bin mit dem Hobbit nicht sehr einverstanden. Ich bevorzuge meine eigene Mythologie (die gerade mal nur angerissen wird) mit ihrer konsequenten Nomenklatur… und der organisierten Geschichte, diesem Haufen von Eddaic-Zwergen aus Voluspa, neuartigen Hobbits und Gollums (in einer stillen Stunde erfunden) und angelsächsischen Runen “, schrieb er in einem Brief an Geoffrey E. Selby, einen Kollegen aus Oxford. Hier bezieht sich Tolkien auf das altnordische Gedicht „Voluspa“, von dem der Name „Gandalf“ stammt. Auch einige Namen der Zwerge stammen aus diesem Gedicht.

Es gelang Tolkien jedoch mehr über die Mythen zu „Der Herr der Ringe“ zu schreiben, einschließlich seiner neu interpretierten Version des Atlantis-Mythos, das er „Numenor“ nannte und das zweite Zeitalter von Mittelerde wurde.

„Hobbiton-across-the Water“, J. R. R. Tolkien. Foto: Bodleian Libraries / The Tolkien Estate Limited 1937

Im Jahr 1949 tauchten die Hobbits in „Der Herr der Ringe“ auf, eine Geschichte, die 12 Jahre gedauert hatte, weil Tolkien sich zwischen seinen vielen Verpflichtungen, darunter Komiteesitzungen und Luftangriffspflichten, Notizen schreiben und sich natürlich auch um die Familie kümmern musste.

Tolkien meinte: „Die Zeit des Schreibens von Geschichten in Prosa oder Versen wurde einem aufgrund der Kriegswirren oft gestohlen.“

Die Kunst von Tolkien

Die Ausstellung bringt viele verschiedene Stile von Tolkiens Illustrationen zusammen: Es gibt ziemlich abstrakten Vorträge aus seiner Studentenzeit in Oxford. Dann gibt es einige frühe Schwarzweißbilder (10 waren ursprünglich in „The Hobbit“ enthalten) und es gibt einige Aquarelle, die in einer Bildergalerie zu sehen sind.

Die Ausstellung wurde von den „Bodleian Libraries“ an der „University of Oxford“ in Zusammenarbeit mit „The Morgan Library & Museum“ organisiert und wird vom „The Tolkien Trust“ unterstützt.

Übersetzt und bearbeitet von Jacqueline Roussety

Quelle: The Creative Brilliance of J.R.R. Tolkien



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion