Rechts. Links. Mitte? Was bin ich und wovon wie viel. Gedanken eines zweifelnden Liberalen

Dieses Buch hat es in sich, denn es ist eine Aufforderung zur Stellungnahme, zu Differenzierung und offener Debatte, denn „wegschauen ist im digitalen Zeitalter nicht mehr möglich, genau hinschauen ist Pflicht."
Titelbild
"Es könnte so einfach sein. Man muss sie nur wollen, die neue Streitkultur, die nicht mehr nach „rechts“ und „links“ unterscheidet, sondern innerhalb der verfassungsmäßi­gen Ordnung nur noch nach Qualität von Argument und Gegenargument," (Dr. Stefan Grüll)Foto: Coverausschnitt
Von 27. Juli 2019

Da sollte man denken, solch ein kleines Buch sei nicht nur schnell zu lesen, sondern auch schnell zu rezensieren, wobei ich mir nicht anmaße, Zensuren zu verteilen. Also wovon schreibe ich hier? Von einem kleinen Band in hoffnungsvollem Knallrosa mit weißer Schrift auf dem Cover, gefüllt mit 81 Seiten Prosa zum Preis von 5,00 Euro.

Geschrieben hat es der Rechtsanwalt Dr. Stefan Grüll, geboren 1961 am Tag nach dem unseligen Mauerbau. Nach seinem Jurastudium einschließlich Promotion, schlug er die ersehnte politische Laufbahn zunächst als Assistent bei einem CDU Bundestagsabgeordneten ein, bis er ab 1994 seine politische Heimat bei der FDP in NRW fand, ab 2000 Berufspolitiker wurde, bis 2005 das parlamentarische AUS kam. Er ist Anwalt seit 1994. Zertifizierter Mediator seit 2017. Zurzeit ist er parteilos. Weiteres findet man in seinem Buch.

Und dieses Buch hat es in sich, denn es ist eine Aufforderung zur Stellungnahme, zu Differenzierung und offener Debatte:

„Wegschauen ist im digitalen Zeitalter nicht mehr möglich, genau hinschauen ist Pflicht. Die Ausrede des Nichtwis­sens zieht nicht mehr. Das Lamento über die Unzuläng­lichkeiten der politischen Kaste und die Gesellschaften zersetzenden Kräften eines entfesselten Kapitalismus mögen Talkshowminuten füllen. Die Bekenntnisse zur Umkehr generieren pflichtgemäßen Applaus. Und blei­ben folgenlos. Schluss damit.“

„Schluss mit dümmlicher Etikettierung zwecks Stigmatisierung, Diffamierung und Ausgrenzung von unbequemer Meinung.“

Es könnte so einfach sein. Man muss sie nur wollen, die neue Streitkultur, die nicht mehr nach „rechts“ und „links“ unterscheidet, sondern innerhalb der verfassungsmäßi­gen Ordnung nur noch nach Qualität von Argument und Gegenargument, mit der Geduld des Zuhörenkönnens und der Entschlossenheit, in gemeinsamer Anstrengung die besten Lösungen zu erarbeiten, die das Land und das Leben der Menschen ein Stück weit besser macht.“

Und er langt richtig zu, Schlag auf Schlag, sodass mir beim Lesen ab und an die Luft wegblieb – obwohl mir diese Themen wirklich nicht fremd sind – und ich so, wie ich es hier machen kann, die Gedanken lieber in kürzere Absätze geteilt gelesen hätte.

Aber Kompliment, wo andere Autoren nicht nur Zeilen, sondern Seiten schinden und sich selbst auch allzu gern reden hören, da bringt er klare Gedanken in klaren Sätzen unter. Und  man hat fast nach jedem zweiten Satz Inhalte getankt, die ein Nach-Denken wert sind.

Wie hier in einem Absatz, bestehend aus zwei Sätzen:

„Resignative Larmoyanz löst keine Probleme. Der Rückzug ins Private schafft ein Vakuum, das die füllen könnten, denen Demokraten nicht die Meinungshoheit überlassen dürfen; den Shitstormterroristen und den politischen Extremisten, die mit den Zusatzetiketten „rechts“ und „links“ einen Gegensatz lediglich vortäuschen, der so gar nicht existiert, sind sie doch verbunden in der Verachtung der demokratischen Werte.“

Seine Überzeugungen sind nicht nur zu spüren, sondern überall nachzulesen:

„Dass die deutsche Gesellschaft historisch bedingt sensibler reagiert, wenn es um Verfassungsfeinde von rechts geht, ist nachvollziehbar, ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Eindruck entstanden ist, es werde mit zweierlei Maß gemessen und sich dies auch sprachlich ausdrückt: Rechts die Nazis. Links die Aktivisten.

Als gäbe es eine Gattung possierlicher Verfassungsfeinde, denen mit Langmut begegnet und ihrem Treiben mit einem gütigen Lächeln zugeschaut werden könne: Die wollen doch nur spielen? Mitnichten! Null-Toleranz gegen jeden Angriff auf Frieden in Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat; unabhängig von Richtung oder Motivation.“

Seine Suche nach einer Verortung in der gegenwärtigen Parteienlandschaft ist lesenswert und führte zu dem Titel: Rechts. Links. Mitte? Was bin ich und wovon wie viel. Gedanken eines zweifelnden Liberalen. Amüsant, die Zitate aus verschiedenen Parteiprogrammen von den LINKEN bis zu AfD, mit den Preisfragen, wohin sie wohl gehören und wohin man selbst gehörte, wenn man sie akzeptieren würde. Da spürt man den Humor und sieht man die populistischen Formulierungen quer durch alle Parteien.

Zur weiteren Anregung das Inhaltsverzeichnis:

Widmung 5
Worum es geht 7
Hinter vorgehaltener Hand 11
Es reicht! 15
Lust auf Zukunft 21
WENN SCHUBLADEN VERSAGEN. 25
Wer fordert was? 27
Stichwort Fluchtursachen 27
Stichwort Aufenthalt 29
Stichwort Asyl 30
Stichwort Integration 32
Stichwort Einwanderungsgesetz 33
POPULISTISCH. RADIKAL. EXTREM. 35
Was ist was?
EXTREMISTISCHER TREIBSTOFF. 39
Wie anfällig sind wir?
Stichwort Antisemitismus. Mein Standpunkt 39
Stichwort Flüchtlingspolitik. Mein Standpunkt 44
Stichwort Nationale Identität. Mein Standpunkt 45
Mündige Bürger. „Empört Euch!“ 50
Diskurs. Dialektik. Demokratie. 55
Eine Einladung an die, die das Gespräch verweigern. 59
Nicht das Ende 72
Der Autor 77
Stichwortverzeichnis 79
Veröffentlichungen 81

Auszug aus „Nicht das Ende“  
(Absätze von der Rezensentin eingefügt)

„Gegen den gesellschaftlichen Muff des Nachkriegs(west)deutschlands gingen die Achtundsechziger auf die Straße. Heute verbreiten die ins arrivierte Alter gekommenen Mentalrevoluzzer ihre Träume vom besseren Menschen komfortabel versorgt vorzugsweise im Staatsdienst und meinungsbildend in den Medien.

Auf der anderen Seite lamentieren die von Verzagtheit, Angst und Unsicherheit dominierten Abendlanduntergangsapologeten über den Schutz von Volk und Raum vor identitätszerstörender Durchrassung.

Dazwischen – in der umkämpften Mitte zwischen politischer Pest und ideologischer Cholera – werden ernsthaft suchende Parteien die Masse derer finden, die mit diesen Grabenkämpfen der Dogmatiker nichts anfangen können und von denen, die in Politik, Wirtschaft und Medien Verantwortung tragen, lediglich erwarten, engagiert, seriös, nach bestem Wissen und Gewissen an den Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen von Gegenwart und Zukunft zu arbeiten.

Dabei geht es nicht um Unfehlbarkeit. Irrtum wird der Souverän seinen gewählten Vertretern verzeihen, wenn die Kraft, besser gewordener Einsicht zu folgen, aufgebracht wird. Nicht fehlerhaftes Handeln ist das Problem, es ist die fehlende Souveränität im Umgang mit erkannten Fehlern.“ (Seite 75)

Meine aufrichtige Leseempfehlung ist keine Übertreibung, sondern mündet in eine Kaufempfehlung. Bestellen Sie gleich vier bis fünf Exemplare bei Ihrem Buchhändler oder im Internet, bei dem Preis dürfte es kein Problem sein. Verschenken Sie es so oft Sie können, es wird ganz sicher die Vernunft, den Mut und die Zuversicht bei den Beschenkten stärken und Ihre Kreise stärken. Dass ich hierfür keine Prozente bekomme, muss ich – bei der Ehre der Epoch Times – zwar erwähnen, aber wohl nicht extra betonen.

Autor: Dr. Stefan Grüll

Rechts. Links. Mitte?
Was bin ich und wovon
wie viel. Gedanken
eines zweifelnden
Liberalen

Taschenbuch: 84 Seiten
Verlag: Independently published (10. Juni 2019)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 1073046583
ISBN-13: 978-1073046584
Größe und/oder Gewicht: 12,9 x 0,5 x 19,8 cm
Preis: Euro 5,00  Bestellung bei Amazon



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