Das Gefühl überwinden, nicht gut genug zu sein

Titelbild
Symbolbild.Foto: istock
Von 20. Juni 2022

Einem kleinen Jungen wurde von seinem Vater von klein auf gesagt, dass er nicht gut genug sei. Nicht mit vielen Worten, sondern durch sein Handeln – indem er ihn kritisierte, anbrüllte, schlug und schließlich verließ.

Der Junge wuchs zu einem Mann heran und wusste, dass er des Lobes, des Erfolgs und der Liebe unwürdig war.

Als Erwachsener bekam der Junge einen Job, glaubte aber nicht wirklich, dass er gut genug war, um die Arbeit gut zu erledigen. Er täuschte es vor und hatte jeden Tag Todesangst, dass er entdeckt und verspottet und dann gefeuert werden würde. Er versuchte, sich zu verstecken, sich nicht ins Rampenlicht zu stellen, weil dann vielleicht niemand seine Unzulänglichkeit sehen würde.

Immer hatte er große Angst davor, dass die Leute ihn scheitern sehen könnten. Also hielt er sich zurück und hütete sich davor, etwas zu tun, bei dem er versagen könnte. Er schob schwierige Aufgaben vor sich her und entwickelte die Gewohnheit, lange zu zögern. Diese Gewohnheit beherrschte sein Leben und wirkte sich auf seine Gesundheit, seine finanziellen Angelegenheiten und seine Beziehungen aus.

Der Junge, der nun erwachsen war, hoffte, jemanden zu finden, der ihn glücklich macht. Er glaubte nicht, dass er sie glücklich machen oder sie dazu bringen könnte, sein wahres Ich zu lieben, denn er wusste bereits, dass er der Liebe unwürdig war. Aber vielleicht würde sie ihn für liebenswert halten, wenn er wirklich nett zu ihr wäre und ihr nur die guten Seiten an ihm zeigen würde. Er ging einige Langzeitbeziehungen ein, aber weil er nie versuchte, wirklich ehrlich zu sein, fand er nicht zu echter Innigkeit, da er nur bestimmte Seiten von sich zeigen konnte, die ihn liebenswert machen könnten.

Er war immer darauf gefasst, dass sie herausfinden würden, wie schlecht er war, und ihn verlassen würden. In der Tat verließ er sie, bevor das passieren konnte. Oder wenn er sie nicht verließ, war er erst auf halbem Weg in der Beziehung und schon mit einem Fuß zur Tür hinaus. Bereit zu gehen. Nur halbwegs engagiert. Und in Wahrheit spürten sie das immer und sehnten sich nach seinem vollen Vertrauen.

Das galt für jede Freundschaft, jede berufliche Beziehung. Er war nie ganz bei der Sache. Er war nie ganz ehrlich, weil er sein wahres Ich nicht zeigen konnte. Er war immer besorgt, dass andere erfahren könnten, wie unzulänglich er war. Dabei versuchte er zu beweisen, wie souverän er war, auch wenn er selbst nicht daran glaubte.

Soweit zur Geschichte des Minderwertigkeitsgefühls.

Das große Geheimnis

Die Sache ist die: Es ist alles nur eine Geschichte, nicht wahr? Es ist eine Vorstellung in unserem Kopf, die wir immer und immer wieder durchspielen, bis sie uns in die Knie zwingt.

Die Gedanken sind nicht wahr. Es gibt kein objektives Gremium von Richtern im Himmel, das uns für wertlos befunden hat. Die Sache ist nur erfunden, und wir suchen uns Beweise heraus, die zu dieser Darstellung passen. Wenn jemand etwas auch nur annähernd Kritisches sagt, nehmen wir es uns zu Herzen und führen es als weiteren Beweis dafür an, dass wir nicht gut genug sind.

Jedoch ist diese Darstellung nicht wahr. Was noch schlimmer ist, es schadet uns in jedem einzelnen Lebensbereich. Es bedeutet, dass wir in Beziehungen nur halbherzig sind, uns verstecken, nie ehrlich sind, uns nie voll engagieren. Es macht uns ängstlich, wir fürchten uns vor dem Versagen und trauen uns nicht, uns zu zeigen (zumindest nicht ganz, nicht ehrlich), und wenn wir uns doch in der Öffentlichkeit präsentieren, versuchen wir, unseren Wert zu beweisen. 

Das Narrativ ändern

Wie können wir also aufhören, diese unwahre, verletzende Botschaft zu glauben, die so tief sitzt, dass wir sie normalerweise nicht einmal bemerken?

Ich werde zwei Praktiken vorstellen, die mir geholfen haben, die ganze Sache zu entwirren, auch wenn sie immer noch auftritt, wenn ich nicht aufmerksam bin.

Erste Übung: Etwas Positives aufschreiben und es wiederholen

Positive Gedanken verwende ich zum Beispiel, wenn ich ein Buch schreiben oder in der Öffentlichkeit sprechen will und das Gefühl der Minderwertigkeit auftaucht.

Wenn ich ein Buch schreibe, meldet sich das Narrativ unweigerlich in Form von „Niemand wird dieses Buch nützlich finden, es wird furchtbar werden“. Das macht es viel schwieriger, das Buch zu schreiben, sodass ich mich erst mal daranmache, die Küche zu putzen, anstatt mit dem Schreiben anzufangen.

Wenn ein Vortrag ansteht, scheint es in Ordnung zu sein, wenn er noch Monate entfernt ist. Wenn der Termin jedoch näher rückt, bekomme ich panische Angst und gerate ins Schwitzen. Ich beginne, an meinem Verstand zu zweifeln: „Warum habe ich überhaupt zugestimmt? Keiner wird hören wollen, was du zu sagen hast.“

Also habe ich mir einen positiven Gedanken ausgedacht, um die Dinge auf eine neue Art zu sehen: „Die Welt sehnt sich nach dir und deiner Gabe.“

Ich wiederholte dies jedes Mal, wenn ich merkte, dass mein Herz flatterte, weil ich einen Vortrag halten, einen Workshop oder ein Webinar leiten, einen Kurs oder ein Programm durchführen, ein Buch oder einen Blogbeitrag schreiben musste. Ich wiederholte es viele Male: „Die Welt sehnt sich nach dir und deiner Gabe.“

Immer und immer wieder, bis ich anfing, es zu glauben. Ja, es klingt unglaublich kitschig. Und doch funktioniert es. Ich fange an, nach Beweisen zu suchen, dass es stimmt. Dann höre ich die Selbstbeschuldigungen nicht mehr so sehr, wenn ich diese positiven Gedanken in meinem Kopf wiederholt laufen lasse.

Zweite Übung: Die falsche Vorstellung ändern 

Und so funktioniert es: Ich nehme die Selbstbeschuldigung wahr. Ich merke, wie ich mich dabei fühle – ich fühle mich mies, bin ängstlich, zögere und verstecke mich. Dann frage ich mich: „Wie würde ich mich fühlen, wenn ich diese Gedanken nicht hätte?“

Das ist für mich eine magische Frage. Ich stelle mir vor, wie es in diesem bestimmten Moment wäre, wenn ich diese Gedanken nicht hätte. Plötzlich bin ich ganz präsent im aktuellen Moment – ich nehme wahr, wie sich mein Körper anfühlt, ich nehme meine Umgebung wahr, ich nehme die Luft auf meiner Haut wahr, das Licht im Raum und die Geräusche um mich herum.

Plötzlich bin ich in diesen Moment eingetaucht, frei von Minderwertigkeitsgefühlen. Ich bin frei. Ich bin in Frieden und kann mein Herz für den Augenblick öffnen, für die Schönheit der Person vor mir, wenn es eine gibt, für die Schönheit meiner selbst. 

Was für ein unglaubliches Geschenk ist es, die negativen Gedanken einfach fallen zu lassen und völlig präsent und zufrieden mit den Dingen zu sein, mit mir selbst und den anderen Menschen um mich herum.

Durch das Üben des positiven Denkens und der magischen Frage ist der Junge auf wunderbare Weise von seinem alten Narrativ befreit und kann voller Lebensfreude durch den Dschungel rennen.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion