100 Jahre im Schatten der Weltgeschichte

Eine Rezension über Thomas Weyrauchs Sachbuch: „Chinas unbeachtete Republik“ - Wer Chinesen verstehen will, wird um dieses Buch und diese Geschichten nicht herumkommen
Titelbild
Foto: Longtai Verlag
Von 13. September 2010

Der Staat, der eher selten als „Republik China“ wahrgenommen, sondern gern verkürzt als Taiwan bezeichnet wird, hat tatsächlich als „Republik China“ eine schon 99-jährige Geschichte.

Sie begann auf dem Festland nach dem Untergang des chinesischen Kaiserreichs und seiner letzten Qing-Dynastie im Jahr 1911 und führte nach unendlichen Kämpfen und Wirren 1949 zur Flucht der Staatsführung unter Tschiang Kai-shek nach Taiwan, auch genannt Formosa, die „schönen Insel“. Dort entwickelte sie sich seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu einer stabilen Demokratie.

Vielen Europäern, denen schon „weit hinten in der Türkei“ zu weit entfernt ist, und die mit ihrem eigenen kriegerischen 20. Jahrhundert reichlich beschäftigt waren, ist bis heute die historische Entwicklung Chinas in den letzten hundert Jahren eher unbekannt. Sehr zum Leidwesen der Bewohner Taiwans, die neben der sogenannten „Volksrepublik China“ als eigentliche „Republik China“ einen schweren Stand haben, und deren Staat nur von 23 anderen Staaten völkerrechtlich anerkannt wird. Die Bundesrepublik Deutschland gehört nicht dazu.

Umso verdienstvoller ist es, dass Thomas Weyrauch, dessen Empathie für China sich schon in vielen Veröffentlichungen niedergeschlagen hat, den Versuch unternimmt, „Chinas unbeachtete Republik“ – so der Buchtitel – aus „100 Jahren im Schatten der Weltgeschichte“ zu erlösen und ins Licht der öffentlichen Wahrnehmung zu stellen.

Band 1 für die Zeit von 1911 bis 1949 liegt im Longtai-Verlag schon vor und wird alsbald vom zweiten Band zur Vollendung der hundertjährigen Geschichte gebracht werden.

Verdienstvoll ist vor allen Dingen, dass eine klare Faktendarstellung mit vielen zeitgenössischen Fotos, Briefauszügen, Dokumenten und Landkarten der eher fremden Welt eine Anschaulichkeit gibt, die trotz der brutalen Ereignisse der Zeit das Interesse wach hält und die sehr sorgfältig editiert ist.

So entstehen vor unseren Augen die Bilder des geistigen Gründungsvaters der Republik, Sun Jat-sen, seines Nachfolgers Tschiang Kai-shek und ihres späteren kommunistischen Gegenspielers Mao Tse-tung, und daneben die Bilder vieler, vieler Zeitgenossen, die Frauen nicht zu vergessen.

Die vergeblichen Hoffnungen der Bevölkerung, die ein neues China aufbauen wollte, werden erkennbar und wie sie zerrissen und gequält wurde in ideologischen Kämpfen, Aufständen, Fluchten, Bürgerkriegen und Gewaltakten der jeweils Mächtigen.

Auch die vermeintliche Hilfe aus der Sowjetunion unter Stalin entpuppte sich als zerstörerische Kraft.

So war zwar die Kommunistische Partei zunächst eingebunden in Sun Jat-sens Partei, die Kuomintang, aber sie verübte auf Weisung Stalins Gewaltakte großen Ausmaßes unter dem Begriff „Klassenkampf”. Erst Tschiang Kai-shek bekämpfte als Nachfolger des 1925 verstorbenen Sun Jat-sen die Kommunistische Partei nach ihren Putschversuchen. Gewalt und Zerstörung waren auf beiden Seiten zu finden.

Zwar blühte zwischenzeitlich die Republik in einigen Regionen auf, aber das galt nicht für die von der Kommunistischen Partei etablierten 13 „Sowjetgebiete“ mit rund 50 Millionen Einwohnern.

Mit unvergleichlichem Terror überzog die Partei unter Mao Tse-tung diese Sowjetgebiete und ließ schon damals etwa zweieinhalb Millionen Menschen ermorden. Mao ordnete nicht nur an, „eine Schreckensherrschaft in jedem Bezirk zu errichten“, sondern er notierte 1927 selber, dass die blutigen Schauspiele und die Berichte darüber ihn in eine „nie erlebte Ekstase“ versetzten.

Durchaus nicht nur den Ereignissen des Bürgerkriegs widmet sich Weyrauch mit Akribie, sondern ebenso den Überlegungen der Intellektuellen und der politischen Anführer, wie die Chinesen von kaiserlichen Untertanen zu mündigen Staatsbürgern erzogen werden konnten. Wobei die konfuzianische Erziehung mit ihrem Lehrer-Schüler-Verhältnis eher als ein Hemmschuh gesehen wurde.

Die machtpolitischen Interessen des Auslands, allen voran die von Japan, gehörten ebenso zu den Gefahren für die junge Republik, wie der aufkommende zweite Weltkrieg. Und nach dessen Ende folgte die umkämpfte Spaltung in die „Volksrepublik“ auf dem Festland China und die „Republik China“ auf Taiwan, dessen Existenz im Schatten der Weltgeschichte den zweiten Band füllen wird.

Der Übergang zum zweiten Band beschreibt den Zusammenbruch der Republik China auf dem Festland. Nachdem die Republik China eine landesweite Wahl durchführen ließ, bei der verblüffende Mehrheiten zustande kamen, hatte sich die Bevölkerung durch ihre Nationalversammlung mit überwältigender Mehrheit gegen die KP ausgesprochen. Dieses Ergebnis missachteten Mao Tse-tung und seine Gefolgsleute. Mit von Stalin zur Verfügung gestellten Waffen vernichteten sie ein erfolgversprechendes Staatssystem auf dem chinesischen Festland.

Leicht zu lesen, klar geschrieben, übersichtlich als Quellenwerk zu nutzen. Es ist ein zu lobendes Unterfangen von Thomas Weyrauch, die Beschreibung dieses unglaublich grausamen Weges eines Volkes in die – bisher nur auf Taiwan geltende – Selbstbestimmung anzugehen.

Sein klarer Blick als Jurist auf eine Faktenlage kam ihm zugute, den Schrecken in einfachen und deutlichen Worten zu beschreiben. Wer Chinesen verstehen will, wird um dieses Buch und diese Geschichten nicht herumkommen, was eines Tages – wenn die Zensur fällt – besonders auch für diejenigen Festlandschinesen und für hiesige Träumer gelten wird, für die Mao noch ein Gott ist.

Thomas Weyrauch, Chinas unbeachtete Republik, 100 Jahre im Schatten der Weltgeschichte, Band 1 (1911 – 1949): 350 S., ISBN: 978-3-938946-14-8, 32,80 €

Die Epoch Times Deutschland präsentiert in Hamburg am Donnerstag, 16. 9. 2010, 19 Uhr:

Dr. Thomas Weyrauch über „Chinas unbeachtete Republik

Foto: Matthias Kehrein/The Epoch Times

Thomas Weyrauch, Publizist und Buchautor, wurde 1954 geboren. Der Jurist wurde im Jahr 1988 als China-Experte von der Stadt Duisburg eingesetzt und zwischen 1989 und 1990 als Vertreter des Verbindungsbüros in Wuhan, Festland-China, tätig. 1991 und 1992 arbeitete Weyrauch als wissenschaftlicher Mitarbeiter eines Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Seit 1993 ist er in einer höheren Bundesbehörde beschäftigt. Die meisten seiner 16 Buchveröffentlichungen befassen sich mit China.

Donnerstag, 16.09.2010, 19 Uhr

Veranstaltungsort: Chinesischer Verein e.V.

Oderfelder Straße 30, 20149 HH-Harvestehude

[U-Bahn Klosterstern]

Eintritt frei

Foto: Longtai Verlag


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