Babylon – Mythos und Wahrheit

Abendländische Kultur und die 3.000-jährige Geschichte Babylons auf Berlins Museumsinsel.
Titelbild
Das Ischtar-Tor - eines von mindestens acht Stadttoren der Hauptstadt Babyloniens. (Vorderasiatisches Museum, Staatliche Museen zu Berlin/ Maximilian Meisse)
Von 11. Juli 2008

Das Berliner Pergamonmuseum auf der Museumsinsel – ohnehin eines der beliebtesten Museen bei den Touristen – glänzt mit einer opulenten Ausstellung zum Thema ‚Babylon – Mythos und Wahrheit‘. Das Gemeinschaftsprojekt des Pariser Louvre, des Britisch Museum London und der staatlichen Museen zu Berlin zieht den Besucher beim Gang durch das gewaltige vordere Ischtar-Tor mit dem Einblick in die etwa 30 Meter lange Prozessionsstraße Babylons, in eine andere Welt. Fein strukturiert auf zehn Themenbereiche verteilt, legen dort 800 Objekte, darunter Statuen, Reliefs, Weihgaben, Architekturteile und Schriftüberlieferungen, Zeugnis ab über die breit gefächerte babylonische Kultur. So beginnt hier im ersten Kapitel der Ausstellung, das die Bezeichnung „Wahrheit“ trägt, eine Entdeckungsreise durch eine der bedeutendsten Kulturen des Alten Orients.

Die Herrscher Babylons

Den Anfang dazu bildet der Themenbereich Königtum, der die einzelnen Herrscher Babylons, allen voran Hammurapi, der die Fürstentümer vereinte und so durch zahlreiche Kriege ein ausgedehntes babylonisches Reich schuf, vorstellt. Seine Rechtssammlung, der „Codex Hammurapi“, die als älteste vollständig erhaltene Gesetzessammlung gilt, spiegelt dabei das damals vorherrschende Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ wider. Die Rechtssammlung befindet sich auf einer 2,25 Meter hohen Stele, die als Kopie in der Ausstellung zu sehen ist. Anschließend werden die verschieden Herrscher der neubabylonischen oder chaldäischen Dynastie aufgeführt, die Babylon durch weitere Eroberungen eine Vormachtstellung im Alten Orient verschafften und es zum Höhepunkt seines Machteinflusses führten.

Danach folgen die Themenbereiche Architektur, Religion, Recht, Arbeitswelt, Alltag, Wissenschaft, Transformation und der Babylon-Schrein, die allesamt die umfassend entwickelte Kultur Babylons widerspiegeln. So umfasste die Schriftsprache der Babylonier 600 verschiedene Zeichen, die als Keilschrift in Tontafeln, Felsen und Stelen erhalten geblieben sind. Um sie zu erlernen, besuchte man damals bereits für bis zu zehn Jahre die Schule, wobei jedoch nur wenige Babylonier tatsächlich alle 600 Zeichen anwenden konnten. Darüber hinaus zeigt sich die kulturelle Entwicklung in besonderem Maße in den Bauwerken der bestgesicherten Stadt der Antike mit ihrer inneren gewaltigen Doppelmauer, einem äußeren Mauerring am Ostufer und einer Festung im nördlichen Teil, die noch zusätzlichen Schutz gab.

Der Turm zu Babel

Die Fülle an Bauwerken führte dazu, dass in der Antike die Ansichten darüber weit auseinander gingen, welches der imposanten Werke als Weltwunder bezeichnet werden sollte. Dem Gott Marduk sind zahlreiche Bauten gewidmet. Er gilt als ein „eingewanderter Gott“, der über den Rang eines unbedeutenden Stadtgottes zur Hauptgottheit der babylonischen Religion und Oberhaupt der babylonischen Götterwelt erhoben wurde. Ihm wurde die „Zikkurat von Etemenanki“, eine 1913 archäologisch nachgewiesene Tempelanlage, besser bekannt als der Turm zu Babel, gewidmet, der in zahlreichen Erzählungen und Kunstwerken thematisiert wurde.

Genau hier treffen weithin anerkannte historische Gegebenheiten auf unterschiedlich interpretierte biblische Aussagen, die entweder als sich abgrenzend, gleichberechtigt nebeneinander existierend, oder miteinander verbunden und sich ergänzend verstanden werden. Interessanterweise, auch wenn der in der Bibel geschilderte sagenumwobene Bau historisch gesehen nicht direkt fassbar ist, so fallen doch zwei Punkte im Hinblick auf die biblischen Überlieferungen auf: Zum Einen war zur Zeit der Entstehung der biblischen Zeugnisse tatsächlich der babylonische Turm „Etemenanki“ mit seinen etwa 92 Metern Höhe eines der höchsten Bauwerke. Andererseits lässt sich nach heutigem Stand der Forschung die erste nachweisbare Schriftsprache der Menschheit auf die Sumerer zurückführen, die als Urvolk Babyloniens gelten.

Babylon – käuflich und dekadent

Somit wären wir beim zweiten Kapitel der Ausstellung angelangt. Mit dem Begriff „Mythos“ bezeichnet, beleuchtet es die – größtenteils in Auseinandersetzung mit den biblischen Überlieferungen entstandenen – vielfältigen Vorstellungen und Verständnisse von Babylon, die sich über die Jahrhunderte in Kunst und Kultur zeigten. Hier wird der Entstehung von Begriffen, wie die „babylonische Sprachverwirrung“ und Bezeichnungen wie die „Hure Babylon“, oder Babylon als Sündenpfuhl und Ort der Apokalypse nachgegangen. Interessanterweise standen bei den Vorstellungen von Babylon die biblischen Überlieferungen oftmals in einer Wechselbeziehung mit den gerade vorherrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen, wodurch sehr facettenreiche Bilder mit unterschiedlichen Betonungen, entstanden.

So etwa bildete sich unter Nachfahren schwarzer Sklaven in Jamaika in der Rastafari-Bewegung, der Begriff „Babylon-System“ oder kurz „Babylon“. Er wurde in Anlehnung an die biblische Verwendung des Begriffs als ein Ausdruck für das herrschende „westliche“ Gesellschaftssystem benutzt, das man als korrupt und unterdrückend ansah. Die Rastafari sahen in der biblischen Geschichte der babylonischen Gefangenschaft der Israeliten Parallelen zur Verschleppung ihrer eigenen afrikanischen Vorfahren nach Amerika, und nutzten „Babylon-System“ (auch: shitstem) als einen Begriff für die westliche (bzw. oder auch die „weiße“) Welt. Der Begriff wurde später durch die Reggae-Musik weit verbreitet und stand dann, unabhängig von Herkunft und Hautfarbe, für Ausbeutung und Unterdrückung, Dekadenz, Materialismus, sowie das Streben nach Geld, Konsum und Status, individuelle und persönliche Korruption, Ignoranz und Hass unter den Mitmenschen, Rassismus und Faschismus. Somit ist die Bandbreite thematisierter Bilder Babylons relativ groß.

Dazu werden in den neun Bereichen dieses zweiten Kapitels moderne Videoinstallationen, wie auch bedeutende Werke der klassischen Malerei genutzt, die eine Auseinandersetzung mit Moral und Ausschweifung, Fiktion und Realität, Hoffnung und Angst sowie Ehrfurcht und Rebellion anregen. Der Turm zu Babel als ein Synonym für Hochmut und als ein Weg voller Leid und Schmerz, aber auch ein Ort für das Streben nach Erkenntnis und Entfaltung, für Hoffnung und Glauben. So anfangs der inneren Stimme folgend Begrenzung ablegen zu wollen, sich hin zu höheren Freiheiten erhebend, dann verirrend sich auf den Abgrund zu bewegend, werden vielerlei Aspekte menschlichen Lebens angesprochen. Diese innere Zerrissenheit zwischen wahrgenommener menschlicher Beschränkung und dem Streben nach Verwirklichung eigener Fantasien und Begierden, spiegelt sich eindrucksvoll in John Martins bildgewaltigen Werken wieder. Sie spiegeln stimmungsvoll Babylon als ein Ort dieser Konfrontation.

So bekommt Babylon über den historischen Rahmen hinaus eine tiefe Bedeutung für uns Menschen, als ein nach außen verlagerter Prozess, der durch eine offene tiefgründige Auseinandersetzung mit seinen Kernpunkten Erkenntnis und Kraft zu schenken vermag. Fazit: Sehenswert!

Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 28/08



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