Bärenstarkes Blur-Comeback: Die Magie ist zurück

Berlin (dpa) - Das Wörtchen Magie steckt schon im Titel des neuen Albums der Britpop-Ikonen Blur. Es verspricht nicht zu viel: „The Magic Whip“, das mit Spannung erwartete erste Studiowerk des Original-Quartetts seit 16 Jahren, ist rundum…
Epoch Times24. April 2015
Das Wörtchen Magie steckt schon im Titel des neuen Albums der Britpop-Ikonen Blur. Es verspricht nicht zu viel: „The Magic Whip“, das mit Spannung erwartete erste Studiowerk des Original-Quartetts seit 16 Jahren, ist rundum verzaubernd.

Selbst kühnste Optimisten unter den Blur-Verehrern hatten darauf kaum noch gehofft: Eine neue Platte, in Harmonie aufgenommen von allen vier Bandmitgliedern der ersten, der goldenen 90er Jahre. Jetzt ist dieses Album da, und es klingt großartig.

Die allgemeine Comeback-Euphorie war auch spürbar bei einem kurzfristig angesetzten TV-Studio-Konzert von Blur vor handverlesenem Publikum in Berlin. Eine begeisterte und begeisternde Band – und glückliche Gesichter, wohin man blickte.

„Es war ein bisschen so, als wenn man nach Hause fährt und eine grüne Welle erwischt. Als ob dieses Album unbedingt gemacht werden musste.“ Graham Coxon, der Blur 2002 auf dem Höhepunkt ihres Welterfolges „wegen künstlerischer Differenzen“ verließ, ist ganz ergriffen von der Entstehung von „The Magic Whip“ (Parlophone/Warner).

Der Gitarrist sagte dem Magazin „New Musical Express“ aber auch, dass die erste Blur-Studioplatte in Originalbesetzung seit 1999 „ein glücklicher Zufall“ war. Denn eigentlich hatte das Quartett, das zuletzt hin und wieder mit älterem Material gemeinsam live auftrat, nur eine Tourneepause in Hongkong für fünf Studio-Tage genutzt, die Songs aber nicht zu Ende ausgearbeitet.

Die Musiker gingen danach ihrer Wege, kümmerten sich ums Privatleben oder andere künstlerische Projekte. Blur-Frontmann Damon Albarn (Gorillaz, The Good, The Bad & The Queen), längst einer der klügsten, weltoffensten Popmusiker unserer Zeit, brachte im Vorjahr sein gefeiertes Solo-Debüt „Everyday Robots“ heraus.

Treibende Kraft fürs Blur-Comeback war ausgerechnet der eigensinnige und streitbare Gitarrist Coxon. Er grub die Hongkong-Skizzen wieder aus und holte neben dem bewährten Produzenten Stephen Street auch den vielbeschäftigten Sänger/Songtexter Albarn ins Boot. Ergebnis der Puzzle-Arbeit: das vielleicht beste, jedenfalls reifste Album jener Band, die vor 20 Jahren mit Oasis um den Britpop-Thron wetteiferte, die Konkurrenten in punkto Relevanz aber längst ausgestochen hat.

„The Magic Whip“ beginnt mit dem Öffnen eines Fensters, durch das Straßenlärm von Hongkong ins Zimmer dringt. Man könnte es so interpretieren: Blur lassen die dicke Luft der vergangenen Jahre aus dem Raum – und eine frische Brise an ihre Egos und ihren Sound.

Der Opener „Lonesome Street“ klingt bereits ungeheuer lebhaft und ansteckend gut gelaunt (es wird gepfiffen!), die Melodie pendelt zwischen Kinks, Beatles, Syd Barrett, XTC und dem Gitarrenpop der 90er Jahre. Ein typischer Blur-Song, wie man ihn von den Klassikern „Parklife“ (1994) oder „The Great Escape“ (1995) kennt. „Klar, der Song hat etwas Vertrautes“, gibt Coxon zu. Macht nichts – besser kann ein Wiederauferstehungsalbum, das Vergangenheit und Gegenwart (und Zukunft?) einer großen Band spiegelt, kaum beginnen.

Wer nun ein schnödes Aufkochen alter Blur-Ideen befürchtet, wird schon beim nächsten Track belehrt: „New World Towers“ ist mit seiner melancholischen Gesangsharmonie (Albarn singt auf diesem Album so gut wie nie) und modernen Soundeffekten mitten im Hier und Jetzt. Das erinnert an Albarns Solo aus dem Vorjahr – nicht zum letzten Mal.

„Go Out“ mit dem gewaltigem Bass von Alex James, Dave Rowntrees frenetischen Drums und Coxons schneidender, sägender E-Gitarre dürfte schon jetzt zu den Blur-Klassikern gehören. „Ice Cream Man“ dreht sich um ein vorwitziges Keyboard-Motiv und fügt dem wiegenden Reggae-Groove hübsche Akustikgitarren hinzu. Das tieftraurige „Thought I Was A Spaceman“, von Hongkong inspiriert, flirtet mit fernöstlichen Klängen, die Überbevölkerungs-Warnung „There Are Too Many Of Us“ ist von einem eindringlichen Marschrhythmus unterlegt.

Mit „Ong Ong“ zollen Blur den albernen Beatles vom gelben U-Boot Tribut, das monumentale „Mirrorball“ schließlich verbreitet Spaghetti-Western-Atmosphäre. So bietet jeder neue Song dermaßen viele versteckte Anreize, dass man als Hörer etliche Durchläufe brauchen wird, um auch nur einen Teil davon zu entschlüsseln.

Doch genau dafür werden heute noch 50-minütige Platten gemacht, die mehr sein wollen als nur einzelne Audio-Häppchen. Das hatten Blur als ambitionierte Album-Band schon immer begriffen – „The Magic Whip“ steht daher auch für die Magie einer untergehenden Pop-Philosophie.

(dpa)

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